# taz.de -- Rente, Journalismus, ESC, Wehrpflicht: Mal sehen, ob sie verweigern
> Merz fordert fordert die „Kanzlermehrheit“ erst, als er sich ihrer sicher
> ist und Israel darf zum ESC. Wenigstens gibt's Streik gegen die
> Wehrpflicht.
(IMG) Bild: Schulstreik gegen Wehrpflicht in Essen
taz: Was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Riesenbohei um [1][eine banale
Parlamentsabstimmung.]
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Ruhe.
taz: Sollte die Kanzlermehrheit in Zukunft eine größere Rolle spielen?
Küppersbusch: Nein, Jens Spahn eine kleinere. Zum wiederholten Mal –
Kanzlerwahl, Verfassungsrichter, Wehrpflicht, Rente – kocht in der
Unionsfraktion öffentlich die Suppe über, und Spahn kalmiert hektisch und
vor Publikum, wie er durch die versaute Küche feudelt. Das mag schlechtes
Handwerk sein, dann geht er als Fraktionsnachsitzender in die Geschichte
ein. Oder Absicht. Dann geht Merz ein. Die „Kanzlermehrheit“ forderte Merz
erst ein, als er sich durch Probeabstimmung ihrer sicher sein konnte. Das
ist wie bei einer Halbzeitführung von 4:0 zu raunen, „das Spiel haben wir
noch nicht verloren.“ Trotzdem frivol, nach dieser vorletzten kommt als
letzte Patrone in Merz` Gürtel nur noch die Vertrauensfrage. Interessanter
Twist entlang, dass die Grünenspitze Haßeldröge mit „Instabilität,
Unberechenbarkeit, letzte Kraft, so geht es nicht weiter“ rhetorisch
rumweidelt, während die Linken die Arme unten lassen, um die Armen nicht
unten zu lassen. Nicht alle schätzen den Ernst der Lage gleich ein,
beziehungsweise den Jens.
taz: Am Freitag gab es in Deutschland einen [2][Schulstreik gegen
Wehrpflicht]. Welche Chance hat die junge Generation ohne Krieg alt zu
werden?
Küppersbusch: „Ich bin für die Wehrpflicht, weil wir sie so verweigern und
damit den Regierungen zeigen können, wie weit sich ihr Militarismus von der
Bevölkerung entkoppelt hat“. Bisschen viel Text für ein Pappschild im
frostigen Dezemberregen, aber ja der Kern der „Bürger in Uniform“. Wenn es
den Regierungen gelingt, den Notwehr-Charakter klarzumachen, eben die
verfassungsmäßige Landesverteidigung – funktioniert die „halbfreiwillige
Pflicht“. Wenn es den jungen Menschen gelingt, klarzumachen: „Mehr ist bei
uns nicht zu holen“ müssen Militaristen und Siegfrieden-Fantasten zum
Nachdenken einrücken. Mal sehen, ob sie verweigern.
taz: „Den ESC ohne Israel darf es nicht geben“, hat wiederum Wolfram Weimer
gesagt. Aber muss es den [3][ESC] eigentlich für immer geben?
Küppersbusch: Die EBU, European Broadcasting Union, missioniert in aller
Welt, ursprünglich vor allem als Tauschbörse öffentlich-rechtlicher
Nachrichtenproduktion. Unterstellt man diesem Verbund – im Gegensatz zu
[4][Oligarchenmedien von X] bis Y – Reste journalistischen Anstands:
Müsste man sie spätestens heute erfinden. Der ESC und früher „Spiel ohne
Grenzen“ sind Versuche, auch gemeinsame Produktionen auf die Beine zu
stellen. Auch ok. Schwierig wird´s, wenn man sich dadurch mit Autokratien
gemein macht wie Aserbeidjan, Belarus rausschmeißt, weil es Staatsfunk ist,
Israel dagegen aufnimmt, obwohl es Staatsfunk ist. Der ESC hat sich heillos
dabei verheddert, politische Ziele zu verfolgen, die er nach Belieben für
unpolitisch erklärt. Bei wachsender Teilnehmerzahl sank die musikalische
Vielfalt auf einen kleinen Nenner pathetischer Kirmesmucke. Es ist gruselig
peinlich, das anzuschauen. Ich liebe es.
taz: Die ARD-Korrespondentinnen [5][Sophie von der Tann] und Katharina
Willinger sind mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis ausgezeichnet worden.
Haben beide im Sinne des Namensgebers die journalistische Distanz zu ihrem
Berichtsgegenstand gehalten?
Küppersbusch: Teil der Kampagne gegen von der Tann ist der Vorwurf, sie
habe behauptet, Israels Krieg in Gaza habe eine Vorgeschichte. So etwas
hören viele auch über den Ukraine-Krieg nicht gern. Vielleicht ist es
inzwischen Zeit, kriegführende Mächte auszuzeichnen, die Distanz zu den
Berichterstattern halten. Sehe da Russland oder Israel nicht mit großen
Preischancen.
taz: Und gerade kommt rein: [6][Netflix] wird Warner Bros Discovery für
fast 83 Milliarden Dollar übernehmen. Gut für's Publikum oder nur für die
Aktionäre?
Küppersbusch: Streamer haben kein Interesse daran, dass sich das Publikum
vorher im Kino oder gar Fernsehen an ihren teuren Produktionen bereits
sattsehen kann. Sie finanzieren Produktionen, die in Formatlänge, seriellem
Charakter und vor allem Budget ihren Profit maximieren. Kurz: Streamer
machen Streamersachen. Netflix hat über 300 Mio. Abonnenten und kauft mit
dem Deal 120 Mio. Abos von HBO Max hinzu. Sie programmieren sich darauf,
noch mehr Mainstream zu produzieren und nichts, was irgendwo auf der Welt
anecken und Abos vergraulen kann. Konkurrent Paramount ging leer aus,
obwohl sie schon ihren TV-Sender [7][CBS] kastriert hatten, Late Night Host
Colbert gefeuert und Trump für nichts ein 16 Mio. US-$-Zäpfchen eingeführt
hatten. Schon jetzt ordern etwa deutsche Sender vermehrt
„Leuchtturmproduktionen“, also wenige teurere Produktionen, um irgendwie
mithalten zu können. Das tötet Vielfalt und die Produzentenlandschaft. Es
ist eine weltweite Dystopie, eine Untergangserzählung, Sowas nehmen die ja
gern.
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Man regt sich schon garnicht mehr auf, dass ein Drittligateam
wie RWE gegen das Farmteam eines Erstligisten ranmuss. Dabei ist das
Wettbewerbsverzerrung. Wenn es Wettbewerb wäre. Fragen: waam
7 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Kanzlermehrheit-fuer-Merz/!6135665
(DIR) [2] /Schulstreik-gegen-Wehrpflicht/!6132114
(DIR) [3] /Israel-doch-beim-ESC-in-Wien/!6135592
(DIR) [4] /EU-gegen-Plattformen/!6135652
(DIR) [5] /Kritik-an-ARD-Israel-Korrespondentin/!6134451
(DIR) [6] /Netflix/!t5008117
(DIR) [7] /CBS-Reporterin-unter-Druck/!6135029
## AUTOREN
(DIR) Friedrich Küppersbusch
## TAGS
(DIR) Kolumne Die Woche
(DIR) Wehrpflicht
(DIR) Bundeswehr
(DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
(DIR) Israel
(DIR) ESC
(DIR) Kanzler Merz
(DIR) Rentenpolitik
(DIR) Rente
(DIR) Friedrich Merz
(DIR) Recep Tayyip Erdoğan
(DIR) Friedrich Küppersbusch
(DIR) Wehrdienst
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Kanzler-Besuch bei Netanjahu: Ein Merz für mutmaßlichen Kriegsverbrecher
Bei seinem Antrittsbesuch versucht Merz, das angeschlagene Verhältnis zu
Israel zu kitten. Dafür lässt er sich vom israelischen Premier vorführen.
(DIR) Rente, Familienunternehmer, AfD-Jugend: Die Brandmauer schützt – solange es nicht brennt
Familienunternehmer rechnen durch, was sie an woker oder was sie an
rechtsoffener Kundschaft verdienen können. Die AfD-Jugend gründet sich
wetterfest.
(DIR) Belem, Tegernsee, Ukraine: Weimer sollte verfilmt werden
Merz sorgt wieder für „Eklat“-Meldungen, sechs Punkte in Trumps
Ukraine-Plan sind diskutabel, die vielen Abos um Fußball zu schauen
allerdings nicht.
(DIR) Rente, Flugsteuer und Wehrdienst: Hinterher will man die anderen auch leiden sehen
Sogar CSU-Chef Söder sagt mal was Richtiges, Merz' Leitungsstil lässt zu
wünschen übrig und die Splitterlösung beim Wehrdienst zerstört jedes
„Wir-Gefühl“.