# taz.de -- Im Rechtsruck gegen den Faschismus: Antifa – mit oder gegen Deutschland?
       
       > Der Antifa-Ratschlag in Berlin zeigt, dass die Aktivisten vor denselben
       > Fragen wie die Klimabewegung stehen. Es ist ein wichtiges Treffen der
       > Szene.
       
 (IMG) Bild: Zehntausende haben in Gießen gegen die AfD-Parteijugend protestiert
       
       Es war der dritte Versuch des Widersetzen-Bündnisses, antifaschistischen
       Protest wieder ungemütlich zu machen: Als vor einer Woche Zehntausende
       Antifas die Zufahrtswege zur Gießener Weststadt blockiert haben, [1][um die
       Neugründung der rechtsextremen AfD-Jugend zu verhindern]. Der Anspruch: die
       gesellschaftliche Empörung über den Rechtsruck dorthin zu bringen, wo sie
       den Faschist:innen wehtut. Eine Lehre aus den [2][riesigen Demos gegen
       rechts Anfang 2024], die ebenso schnell wieder verpufft waren, wie sie
       entstanden sind.
       
       Doch was folgt auf die Massenblockaden? Genügen sie, um den Faschismus in
       Deutschland zu stoppen? Drei Tage lang wurde am Wochenende in Kreuzberg auf
       dem diesjährigen Antifa-Ratschlag darüber und über vieles mehr diskutiert.
       Dutzende Antifas informierten sich hier in Workshops zu IT-Sicherheit und
       den [3][neonazistischen Strukturen in der Stadt], zur Unterstützung von
       CSDs in Brandenburg, zu rechten Medienakteuren und migrantischen
       Selbstschutzorganisationen. Der Ratschlag gilt als eines der wichtigsten
       Treffpunkte der Szene.
       
       Auf dem Auftaktpanel am Freitag kristallisierte sich dabei eine
       entscheidende Frage für die Bewegung heraus: Ist es die Aufgabe der Antifa
       heute, möglichst viele Akteure gegen den Faschismus zu mobilisieren? Oder
       sind solche Versuche nicht doch vergebene Liebesmüh, weil dieses Land nun
       mal nicht zu retten ist? Eine Vertreterin einer autonomen Kleingruppe
       brachte diese Fragestellung auf die Formel: „Die Frage ist, kämpfen wir mit
       oder gegen Deutschland?“.
       
       ## Politik der Hoffnung oder des Kollapses?
       
       In vielerlei Hinsicht ähnelt diese Diskussion der Debatte, die derzeit auch
       die Klimabewegung beschäftigt: Soll man auf eine Politik der Hoffnung
       setzen, die durch möglichst breite Bündnisse Mehrheiten zu sichern
       versucht? Oder bereitet man die eigenen Räume lieber auf den Kollaps vor
       und schafft Strukturen, die selbst dann noch funktionieren, wenn die
       Gesellschaft weiter ins Autoritäre abgleitet?
       
       Ein Vertreter des VVN-BdA formulierte die Notwendigkeit für Bündnisse so:
       „Die politische Linke hat in diesem Land keine Mehrheit und wird auch keine
       bekommen. Es braucht deshalb eine Mitte, die sagt: ‚Nazis sind scheiße.‘“
       Weil genau das aber gerade krümele, müsse man nun „alles zusammenraffen,
       was geht.“ In eine ähnliche Richtung schlug eine Vertreterin von
       Widersetzen, die die Notwendigkeit von Massenaktionen des zivilen
       Ungehorsams betonte. „Um überhaupt irgendetwas zu bewirken, müssen wir
       viele sein“, sagte sie.
       
       Dass gegen solche Aussagen im Publikum Unmut zu vernehmen war, mag einen
       Grund haben. Denn Klimaaktivist:innen wissen: SPD und Grüne lassen
       sich zwar von Problemen wie Klimakrise oder Faschismus überzeugen, doch
       sobald es um mehr als Lippenbekenntnisse geht, folgt fast sicher die
       Enttäuschung.
       
       ## Die Illusion des bürgerlichen Antifaschismus
       
       Wie die Klimakrise ist auch der Faschismus letztlich eine Krise des
       Kapitalismus – an dem aber bürgerliche Akteure bekanntlich nicht rütteln.
       Klimapolitik ist stets dann gescheitert, wenn greifbar wurde, dass „grüner
       Kapitalismus“ ein Trugbild ist, weil ohne Eingriffe in die
       Produktionsverhältnisse nichts geht. Vielleicht müssen sich daher auch
       Antifas einer unbequemen Wahrheit stellen: dass bürgerliche Bündnispartner
       sich in Horkheimers Formel „Sozialismus oder Barbarei“ am Ende tatsächlich
       für Letzteres entscheiden könnten.
       
       Die Vertreterin einer autonomen Gruppe betonte deshalb, man könne sich auf
       den Staat nicht verlassen: weder in Sachen AfD-Verbot, noch beim Bekämpfen
       der Ursachen des Faschismus. Man müsse sich darauf einstellen, dass Antifa
       zu sein in der Zukunft noch mehr bedeuten wird, mit dem Staat Probleme zu
       bekommen. Gegen diese triste Perspektive wirkten die Hinweise des
       Vertreters des VVN-BdA wenig aufbauend: Deutschland sei natürlich nicht zu
       trauen, aber es bleibe ja nichts anderes übrig („we fake it till we make
       it“), meinte er.
       
       Vielleicht gibt es aber noch eine Lösung. In der Klimabewegung wird noch
       ein dritter Ansatz diskutiert: der Klimapopulismus, der versucht,
       Klassenkampf und Klimapolitik zu verknüpfen. Zuletzt ist es in New York
       Zohran Mamdani gelungen, mit einer solidarischen Interpretation der
       Gegenwart Wahlen zu gewinnen. Und auch das kann ja vielleicht Hoffnung
       geben: Im Gegensatz zum physikalisch definierten Kipppunkt des Weltklimas
       ist der Rechtsruck in erster Linie ein soziales Phänomen – weshalb er auch
       noch gestoppt werden kann.
       
       7 Dec 2025
       
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