# taz.de -- Rassistische Motive?: Angriff auf Chinesen
       
       > Silvester vor zwei Jahren haben drei junge Hamburger chinesische
       > Studenten angegriffen. Das Gericht muss klären, ob es aus Rassismus war.
       
 (IMG) Bild: Nachts für viele Menschen ein Angstraum: Eingang zur S-Bahn am Bahnhof Altona
       
       Es war ein gelungener Silvesterausflug. Eine Gruppe von zehn chinesischen
       Student:innen war zum Jahreswechsel 2023/24 von Bremen nach Hamburg
       gefahren. Sie nahmen an einer [1][Karaoke-Veranstaltung] teil. Gegen kurz
       nach zwei Uhr nachts wollten sie vom Bahnhof Altona nach Bremen
       zurückfahren.
       
       Da wird einer der Studenten von hinten an seinem Geigenkasten gezogen, den
       er noch auf dem Rücken trägt, weil er direkt nach dem Üben in Bremen
       losgefahren ist. Er wehrt sich, schiebt den Angreifer weg. Es kommt zum
       Handgemenge.
       
       Der Student wird dabei von drei jungen Männern etliche Male gegen Schläfe,
       Stirn und Körper geschlagen und auch mehrfach getreten. Er verliert seine
       Brille, ihm wird schwindelig und er taumelt die Treppe hinunter zum
       S-Bahn-Gleis, wo ihn ein Freund in den abfahrbereiten Zug zieht.
       
       So weit ist das Geschehen vor dem Amtsgericht Hamburg-Altona unstrittig.
       Die drei Angeklagten, heute alle Anfang 20, räumen Körperverletzungen gegen
       den Studenten und mehrere Zeugen ein – in Erklärungen, die ihre Anwälte
       verlesen. Sie alle betonen darin, dass ihnen ihre Taten „wahnsinnig“ leid
       tun.
       
       ## Erst geschlichtet, dann geschlagen?
       
       Der Angeklagte A. sagt, er habe versucht zu schlichten. Warum er selbst
       dann auf den Studenten einschlug, kann er sich heute nicht erklären. Er
       wolle den Schaden wiedergutmachen. Auch sein Kumpel Ö. hatte an diesem
       Silvesterabend laut seiner Erklärung geglaubt, helfend eingreifen zu
       müssen, und wurde schließlich selbst gewalttätig. Möglicherweise sei er
       durch Alkohol und Marihuana enthemmt gewesen. Er wolle aber für seine Taten
       „geradestehen“.
       
       Der Angeklagte P. war es, der den Musikstudenten von hinten am Geigenkasten
       gezogen hatte. Das habe er damals „witzig“ gefunden; heute nicht mehr. Der
       Student habe sich gewehrt oder zumindest seinen „Unmut geäußert“, worauf
       die Auseinandersetzung ihren Lauf nahm. Er habe an diesem Silvesterabend
       Alkohol „in nicht so erheblicher Menge“ getrunken, damals aber regelmäßig
       Cannabis geraucht. Heute wisse er, dass ihm das nicht guttut.
       
       An das, was als mögliches Tatmotiv im Raum steht, erinnern sich alle drei
       Angeklagte aber nicht: Sie sollen den Studenten rassistisch beleidigt
       haben. Laut Anklage sollen die Worte „Scheiß Chinesen“, „Kack auf China“
       und „Chinesen raus“ gefallen sein.
       
       Der hauptbetroffene Student, der auch als Nebenkläger auftritt, kann sich
       daran fast zwei Jahre später auch nicht mehr konkret erinnern. Er ist sich
       lediglich sicher, dass die Angeklagten nachgeahmt haben, wie sie sich die
       chinesische Sprache vorstellen: Dinge wie „Sching-schang-schong“ hätten sie
       laut gebrüllt.
       
       Der 27-Jährige, der die ganze Zeit sehr leise gesprochen hat, soll
       vormachen, wie laut es war. „So wie das?“, schallt seine Stimme durch den
       Gerichtssaal. Aus ein bis zwei Metern Entfernung habe P. ihn so angebrüllt.
       
       In seinen Aussagen gegenüber der Polizei hatte er noch konkretere
       Beleidigungen angegeben. Auch ein zweiter Zeuge, ebenfalls Musikstudent aus
       China, erinnert heute nicht mehr den genauen Wortlaut, verweist auf seine
       schriftliche Aussage bei der Polizei. Heute ist er nur noch sicher, dass
       das Wort „China“ in einem abfälligen Kontext gefallen sei.
       
       Die Richterin bohrt immer wieder nach. Denn die Frage, ob die drei aus
       rassistischen Motiven auf die Chinesen losgegangen sind, spielt eine
       entscheidende Rolle für den Ausgang des Verfahrens. Kommt das Gericht zu
       der Ansicht, dass [2][antichinesischer Rassismus] die Triebfeder war,
       dürfte das Strafmaß deutlich höher ausfallen als für bloße
       Körperverletzung.
       
       Aufschluss geben könnte darüber ein weiterer Zeuge, der im Januar vernommen
       werden soll. Dazu kommen Videoaufnahmen, die zum Teil die chinesischen
       Student:innen mit ihren Handys gemacht haben, aber auch aus den
       Überwachungskameras des Bahnhofs. Vor Gericht wurden sie noch nicht
       gezeigt.
       
       ## Selber Ausländer
       
       Der Angeklagte P. führt ins Feld: „Warum sollte ich was gegen Chinesen
       haben, ich bin ja selber Serbe.“ Auch Ausländer, meint er.
       
       Der Mann, den er aus Spaß am Geigenkasten gezogen haben will, trägt
       jedenfalls schwer an dem Vorfall: Zu den körperlichen Schmerzen kommt, dass
       es ihm danach psychisch lange Zeit sehr schlecht gegangen ist.
       
       Er hatte auch rechtliche Folgen zu tragen: P. hatte eine Gegenanzeige
       gestellt, mit unwahren Anschuldigungen, wie er inzwischen zugibt. Der
       Student konnte in der Folge sein Visum nicht verlängern, weil gegen ihn ein
       Strafverfahren anhängig war. Zeitweilig verfügte er deswegen lediglich über
       eine [3][Fiktionsbescheinigung der Ausländerbehörde] – den
       aufenthaltsrechtlich schwächsten Status. Erst nachdem P. die Anzeige
       zurückgezogen hatte, bekam er ein neues Visum.
       
       Für P. sind die Aussichten schlechter als für seine Mitangeklagten: Die
       Polizei wirft ihm auch vor, bei anderer Gelegenheit ohne Führerschein und
       bekifft ein [4][Carsharing]-Auto benutzt und damit einen Polizeiwagen
       gerammt zu haben.
       
       4 Dec 2025
       
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