# taz.de -- Ratschlag von Mutti: „Fragen kostet nichts“
> Es gibt Fragen für Anfänger und Fragen für Fortgeschrittene. Dank ihrer
> Mutter ist unsere Autorin Profi. Fragen gibt ihr Vertrauen in ihre
> Mitmenschen.
(IMG) Bild: Einfach mal fragen, manchmal klappt es: „Darf ich mich neben meine Freundin auf ihren Platz setzen?“
Über den Gang gelehnt schaue ich den Mann auf Platz 03C flehend an. „Würden
Sie Ihren Platz mit mir tauschen? Ich würde gerne neben meiner Freundin
sitzen“, frage ich und schiebe hinterher: „Ich habe so Flugangst.“ „Nein!“,
er setzt sich den Kopfhörer zurück aufs Ohr und schließt die Augen. Die
Frau links neben mir will auch nicht tauschen, sie hat extra den Platz am
Gang gebucht. Beim [1][Check-in] waren mir die 20 Euro für gemeinsame Sitze
zu teuer.
Wenn man zusammen bucht, warum darf man dann nicht zusammensitzen? Aber
jetzt werde ich unruhig, ich hasse fliegen. Ich kann auf keinen Fall allein
sitzen. Die Flugbegleiterin klickt schon die Gepäckfächer zu.
Fragen kostet nichts. Mit diesem Credo bin ich aufgewachsen. Ich glaube,
meine Mutter hat keine Phrase so oft benutzt. Dicht gefolgt von „Wir sind
nicht aus Zucker“, wenn sie wieder bei Eisregen spazierengehen wollte. Wenn
ich zögerlich war, mich etwas nicht getraut habe, sagte sie: Fragen kostet
nichts. In ihrer Stimme lag so viel Elan, dass ich nicht anders konnte, als
zu fragen. So mache ich es noch heute.
Es gibt Fragen für Anfänger:innen: nach dem Weg fragen, die Kollegin um
Hilfe bitten oder die Pizza Funghi mit doppelt so vielen Pilzen bestellen.
In Restaurants mit einem QR-Code zum anonymen Bestellen trotzdem fragen,
welches Gericht denn das Beste ist.
Fortgeschrittene können zum Beispiel den Kundenservice löchern. Ich fragte
zuletzt, ob ich die elektrische Zahnbürste auch ein zweites Mal umsonst
austauschen kann, ob es normal ist, dass der Pullover so eine schlechte
Qualität hat. Ob ich das Expressporto wirklich zahlen muss, wenn der
Versand über eine Woche gedauert hat. Jedes Mal war ich erfolgreich – und
diese Fragen muss man sogar nur digital stellen.
## Kleine Frage, schöner Moment
Spannender wird es, wenn man eine Waschmaschine in einen Transporter hieven
muss. Der halbe Meter zwischen Bordsteinkante und Ladefläche war für uns
unüberwindbar. Wir konnten die Maschine kaum einen Zentimeter anheben. Also
fragte ich einen vorbeilaufenden Mann, der nach regelmäßigen Besuchen im
Fitnessstudio aussah, ob er anpacken kann. Er umarmte die Waschmaschine und
stellte sie ins Auto, als hätte er einen Schuhkarton hochgehoben. Er sah
zufrieden aus.
Am schönsten ist es aber, wenn man durch eine kleine Frage einen Moment mit
einer fremden Person teilt. So wie neulich, als ich eine Frau an der
Supermarktkasse fragte, ob ich vor darf. In ihrem Wagen türmte sich ein
Wocheneinkauf, ich wollte nur einen Bund Petersilie bezahlen. „Klar“, sagte
sie, „Sie haben ja nur die Blumen.“
Sie starrte das Grün in meiner Hand und musste wegen der Verwechselung laut
lachen. [2][Wer sagt, dass Petersilie nicht in eine Vase passt?] Wir
machten Witze. Ich bedankte mich bei ihr und ging beglückt aus dem Laden.
Nicht weil ich schneller dran war, sondern weil es so eine nette Begegnung
war. Zuhause stellte ich die Petersilie in ein großes Glas auf die
Anrichte.
Fragen zu stellen gibt mir Vertrauen in die Mitmenschen, glaube ich. Dass
dieses Prinzip in Reihe 3 des [3][Billigfliegers] an seine Grenzen stößt,
will meine Freundin nicht hinnehmen. Sie ist mindestens fortgeschritten,
hat schon als Kind die Bäckerin nach einer Streuselschnecke gebeten, wenn
ihre Eltern nein sagten. Also fragt sie die Flugbegleiterin, ob noch zwei
Plätze nebeneinander frei sind.
Wir dürfen ganz vorne mit extra viel Beinfreiheit Platz nehmen. Und ich
kann ihre Hand beim Start fest drücken.
17 Dec 2025
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## AUTOREN
(DIR) Sophie Fichtner
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