# taz.de -- Musikgeschäft der KIs: Lasst sie doch einfach machen
       
       > Seit sich mit Musik Kohle machen lässt, ist – mit Verlaub – Scheißmusik
       > die Norm. Ketzerisch gefragt: Warum überlassen wir die nicht einfach der
       > KI?
       
 (IMG) Bild: Die Geister, die sie riefen: Velvet Underground – Inspiration für viele Musiker:innen
       
       Es wird gerne erzählt, dass zwar nicht viele Leute das Album „The
       [1][Velvet Underground] & Nico“ bei seiner Erstveröffentlichung 1967
       gekauft hätten, dass aber alle, die den Einkauf getätigt haben, später eine
       Band gründeten. Und tatsächlich trat in den 1980er und 1990er Jahren eine
       große Zahl junger Bands auf den Plan, die sich auf die prägende Rolle
       dieses Album beriefen. Einige von ihnen – R.E.M., Sonic Youth, The Jesus &
       [2][Mary Chain] – wurden ziemlich erfolgreich. Haben sie für die
       Inspiration bezahlt?
       
       Nun, sie haben sich vielleicht irgendwann einmal das Album gekauft.
       Damaliger Kaufpreis in der BRD: 18 DM. Wenn Lou Reed & Co davon 1 DM
       erhalten haben, hatten sie einen großzügigen Vertrag. Danach wurde dieses
       Exemplar wahrscheinlich zuschanden gespielt, Freund*innen vorgeführt, auf
       Partys gedreht, verliehen, auf Kassette für die Lieben kopiert und ist
       eventuell noch immer in Benutzung – aber es ist nie wieder Geld geflossen.
       Da würden The Velvet Underground doch womöglich ein Entlohnungssystem wie
       bei den Streamingdiensten vorziehen.
       
       Es floss auch kein Geld, als sich die jungen VU-Fans etwas später in die
       Proberäume begaben und die Früchte dieser Arbeit schließlich ihrerseits
       unters Volk brachten. Das Copyright sieht keinen Inspirationsobulus vor.
       Wie sollte der denn auch bitte abgerechnet werden?
       
       Ich mache mich wegen dieser neuerlichen Unzulänglichkeit des
       internationalen Copyright-Systems gerne zum Anwalt der Dinge, in diesem
       Fall der musikproduzierenden KIs. Ihnen missgönnt man die Inspiration, sie
       sollen mehr und pauschal und womöglich immer wieder zahlen. Dies aber ist
       eine Ungleichbehandlung. KIs müssen zahlen, Menschen nicht. Warum?
       
       ## Die Rolle der Algorithmen
       
       Die Welt der Musik befindet sich ja in einem permanenten
       Transformationsprozess, der zuletzt ein schwindelerregendes Tempo erreicht
       hat. „Aufgenommen“ wird Musik schon lange nicht mehr, sondern „produziert“,
       und die Rolle von Algorithmen in diesem Produktionsvorgang ist mit den
       Jahren immer bedeutender geworden.
       
       Unzählige Tools von Synthesizern über Effektgeräte, Loops bis hin zu
       Autotune und lauter leckeren kleinen Gadgets für Sounddesign, Mixing und
       Mastering kommen dabei zum Einsatz. Schließlich sind – bislang –
       Musikproduzent*innen auch nur Menschen und freuen sich, wenn man
       ihnen Arbeit abnimmt.
       
       Zumal die kleinen Helferlein diese Jobs schneller und präziser erledigen,
       wenn man mit ihnen umzugehen versteht. Aber der logische Schritt, die
       Musikproduktion ganz den Maschinen zu überlassen, versetzt Laien in Angst
       und Schrecken, Fachleute in Empörung, Kulturkritiker in Endzeitstimmung und
       löst bei den Interessenverbänden der Musikwirtschaft den Inkasso-Reflex
       aus.
       
       Laien fürchten, dass KIs wie die Aliens in den SciFi-Fantasien der 1930er
       Jahre die Menschheit versklaven oder auslöschen, Fachleute [3][bangen um
       ihren Job,] Kulturkritiker fürchten eine weitere grundsätzliche „Kränkung
       der Menschheit“ wie seinerzeit durch Kopernikus, Darwin und Freud, der
       Musikwirtschaft ist eh alles egal, solange Geld fließt.
       
       ## Kunst interessiert nur eine Minderheit
       
       Im Magazin Der Spiegel fordert der Musikproduzent und Autor Johann Scheerer
       als Gegengift „eine klare Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten“ und
       „eine musikalische Gegenbewegung, die schätzt, was wir an Musik lieben: das
       Menschliche, das Unerwartete, das Überraschende“.
       
       Ich fürchte, dass viele Leute genau diese Dinge an Musik stören. Mehr noch
       als bei der Produktion von Me-too-Musik, die sich innerhalb der Grenzen
       altbewährter und eigentlich auserzählter Genres wie Schlager, Country oder
       Indie-Rock bewegt, liegt das große Geschäft für KIs in instrumentaler
       Friseursalon- und Fitnessstudio-Muzak. Kunst interessiert nur eine
       verschwindende Minderheit.
       
       Das war aber schon immer so. Seit die Musik zu einem Wirtschaftszweig
       geworden ist, in dem sich viel Reibach machen lässt, war – Verzeihung –
       Scheißmusik die Norm und Kunst die Abweichung. Ob diese Scheißmusik nun von
       Menschen oder KIs produziert wird, ist doch eigentlich herzlich egal.
       
       16 Dec 2025
       
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