# taz.de -- Maßnahmen gegen Fußballfans: Rot-blaue Koalition gegen Iris Spranger
       
       > Fans von Hertha und Union fordern eine faktenbasierte Diskussion über
       > Sicherheit in Stadien. Die Innensenatorin soll keine Verschärfungen
       > mittragen.
       
 (IMG) Bild: Fans von Union und Hertha protestieren bei der Fandemo in Leipzig
       
       „Fankultur überlebt jede Ministerkonferenz. Frau Spranger, wählen Sie
       Populismus oder Fachkompetenz?“ Die Frage an Berlins SPD-Innensenatorin
       schmückte die Gegengerade der Alten Försterei über die gesamte Länge beim
       Heimspiel von Union Berlin gegen Heidenheim am vergangenen Samstag. Ihren
       Protest begleiten die Fans zudem mit Schweigen in den ersten zwölf Minuten
       des Spiels – so wie seit Wochen in allen Stadien der Republik.
       
       Parallel dazu, beim Auswärtsspiel von Hertha BSC in Kiel, hieß es auf
       mehreren Tapeten: „Spranger: Den Berliner Weg auch in der Politik
       fortführen. Populismus und Lügen eine Abfuhr erteilen.“ Den „Berliner Weg“
       hatte der verstorbene Hertha-Präsident Kay Bernstein einst als Leitbild des
       Vereins etabliert – er meint in erster Linie das demokratische Einbeziehen
       aller Beteiligten.
       
       Die Fans der beiden großen Berliner Vereine eint die Sorge vor einem
       Maßnahmenpaket unter dem Titel „Fußball ohne Gewalt“, das auf der am
       Mittwoch startenden Innenministerkonferenz (IMK) in Bremen zur Abstimmung
       stehen wird – und zwar ohne Mitwirkung oder zumindest Anhörung von
       etablierten Fanstrukturen, von Fanprojekten oder Vereinen. Die beiden
       eigentlich rivalisierenden großen Berliner Fanszenen haben deshalb einen
       gemeinsamen offenen Brief an Iris Spranger geschrieben, in dem sie die
       Politikerin auffordern, sich an Fakten zu orientieren.
       
       Sie weisen darin vor allem das Zerrbild von „zunehmender Gewalt in
       Fußballstadien“ zurück, wie es jüngst Innenstaatssekretär Christian
       Hochgrebe im Innenausschuss zeichnete. Denn die Statistik zeige: „Der
       Besuch eines Fußballstadions ist sicherer als je zuvor.“ Die Zahlen der
       Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze geben den Fans recht. Während
       die Besucher:innenzahlen bundesweit steigen, sinkt die Zahl der
       Verletzten und eingeleiteten Verfahren – und das bei rückläufiger
       Polizeipräsenz. Weder im Olympiastadion noch in der Alten Försterei gibt es
       ein Problem mit Krawallen.
       
       ## Repressive Maßnahmen
       
       Dennoch stehen auf Vorschlag der niedersächsischen Innenministerin Daniela
       Behrens (SPD) auf der IMK verschärfte Sicherheitsmaßnahmen gegen
       Fußballfans zur Debatte. Diese reichen von personalisierten Eintrittskarten
       über KI-gestützte Gesichtserkennung, härteres Vorgehen in Sachen
       Pyrotechnik bis zur Einrichtung einer zentralen Stadionverbotskommission
       auf Bundesebene. Was bisher von Vereinen praktiziert wurde, soll dann
       grundsätzlich drohen: die Verbannung aus den Stadien, oft über mehrere
       Jahre, schon bei Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens – ohne Urteil.
       
       Die Fans begreifen das als Bedrohung ihrer Fankultur. Die vorgeschlagenen
       Maßnahmen „zeugen von der Unkenntnis darüber, wie sicher es in unseren
       Stadien ist, und von der Ignoranz gegenüber dem kulturellen Wert einer
       lebendigen Vereins- und Fankultur“, heißt es in dem [1][offenen Brief]. Vor
       zwei Wochen demonstrierten Fans Dutzender Vereine gemeinsam in Leipzig,
       jeweils Hunderte Ultras von Union und Hertha liefen dabei direkt
       hintereinander.
       
       Innensenatorin Iris Spranger hat in einem Statement auch gegenüber der taz
       nicht zu erkennen gegeben, wie sie sich in der Diskussion mit ihren
       Amtskolleg:innen verhalten wird. Zwar schreibt sie: „Den weltweit
       Milliarden Fußballfans, die diese Leidenschaft leben, steht lediglich ein
       quantitativ vernachlässigbarer Bruchteil von Gewaltsuchenden gegenüber.“
       Zugleich plädiert sie für „gezielte Maßnahmen gegen die wenigen
       Gewaltsuchenden“. Welche das sein sollen, etwa ob sie personalisierte
       Tickets dazu zählt, verriet Spranger nicht.
       
       Druck kommt derweil aus ihren eigenen Reihen. Der sportpolitische Sprecher
       der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Dennis Buchner, sagt auf Anfrage der
       taz: „Die Vorschläge zeugen von wenig Wissen, wie Profifußball heute
       funktioniert.“ Das Paket schieße „mit zu scharfer Munition“ und sei
       gekennzeichnet von einem „Generalverdacht gegen Fußballfans“. Maßnahmen wie
       personalisierte Tickets, die Ausweiskontrollen an den Stadiontoren nach
       sich ziehen müssten, würden „für 99,9 Prozent der Fans das Stadionerlebnis
       verschlechtern“. Notwendig seien sie nicht: „In Berliner Stadien gibt es
       keine massiven Sicherheitsprobleme“, so Buchner.
       
       Probleme gebe es heute vor allem bei der An- und Abreise. Hier würde laut
       Buchner ein Nachsteuern helfen: „Eine bessere Ausstattung für die Polizei
       in den Ländern und die Bundespolizei wäre eine echte Hilfe. Am Ende muss es
       darum gehen, Gewalt zu bekämpfen und nicht Fußballfans.“ Gleichwohl rechnet
       er nicht mit einer Verabschiedung des gesamten Pakets, denn die
       Innenministerkonferenz kann Beschlüsse nur einstimmig fassen.
       
       Auch aus der Opposition wird Druck auf die Senatorin aufgebaut: „Wir
       erwarten ein klares Nein aus Berlin“, sagt der Grünen-Fraktionsvorsitzende
       Werner Graf und verweist auf den Schutz von Grundrechten. Er sagt: „Die
       geplanten Maßnahmen wie personalisierte Tickets, umfassende Überwachung und
       pauschale Stadionverbote treffen nicht die wenigen, die Probleme machen.
       Sie treffen die große Mehrheit friedlicher Fans.“
       
       Klare Worte kommen auch vom Präsidium von Hertha BSC: „Unsere Stadien sind
       sichere Orte. Sie sind es, weil Fans, Vereine, Mitarbeitende und
       Fanprojekte verantwortungsbewusst, professionell und mit großem Einsatz
       zusammenarbeiten.“ Sicherheit entstehe „durch Dialog, nicht durch
       Entscheidungen über die Köpfe der Beteiligten hinweg“. Doch die Frage
       bleibt: Welchen Weg wählt Frau Spranger?
       
       2 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://hb98.de/fanpolitik/offener-brief-der-fanszenen-von-hertha-bsc-und-vom-1-fc-union-berlin/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erik Peter
       
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