# taz.de -- Proteste der Fußballfans: Schweigen statt Singen
       
       > Die Innenminister sehen ein Gewaltproblem im Fußball und wollen
       > drastische Maßnahmen ergreifen. Die Ultras sehen das als Angriff auf die
       > Fankultur.
       
 (IMG) Bild: Demo auf der Südtribüne: Dortmunder und Stuttgarter Fußballer vor Protestkulisse
       
       Es war doch recht ruhig in den ersten zwölf Minuten der Bundesligaspiele am
       Wochenende. Die Fanszenen der Republik sind im Protestmodus. Nach einer
       Demo am vergangenen Samstag in Leipzig, auf der Tausende Fußballanhänger
       auch aus verfeindeten Fanlagern gemeinsam gegen ihrer Meinung nach
       übertriebene Sicherheitsfantasien der deutschen Innenminister protestiert
       hatten, wurde der Protest nun in die Stadien getragen. Vor der
       Innenministerkonferenz Anfang Dezember in Bremen trommeln die Fans gegen
       die [1][Überwachungs- und Bestrafungspläne], die von der Politik
       vorangetrieben werden.
       
       Die Ultragruppierungen, von denen die Proteste hauptsächlich getragen
       werden, appellierten an diesem Wochenende in den Kurven an die von ihnen
       unterstützten Klubs: „Soll das die Zukunft des Fußballs sein?“, war auf
       Transparenten zu lesen. Und: „Schützt eure Kurven!“ Sie sehen bedroht, was
       sie Fankultur nennen, jene über die vergangenen Jahrzehnte entwickelte
       Unterstützungsfolklore aus Dauergesang, Fahnenschwenken und Abbrennen von
       bengalischen Feuern. Letzteres ist in den Stadien aus Sicherheitsgründen
       verboten. Und doch wird es bei den Ultras immer populärer.
       
       So gab es 4.783 Verstöße gegen das Verbot in der vergangenen Saison in den
       vier höchsten deutschen Fußballligen. Das geht aus den Zahlen der Zentralen
       Informationsstelle Sporteinsätze hervor, die im Oktober vorgelegt worden
       sind. In der Saison zuvor waren 2.766 Pyrovergehen gezählt worden. Werden
       die Stadien also immer gefährlicher?
       
       ## Sicherer als jedes Volksfest
       
       Die Fans argumentieren anders. So ist in einem Papier, das der Verband der
       Fanhilfen, bei denen Anhänger, die in Konflikt mit den Behörden gekommen
       sind, rechtliche Beratung einholen können, eine durchaus bemerkenswerte
       Zahl zu finden. Nur 0,00438 Prozent aller Zuschauerinnen und Zuschauer im
       Stadion seien durch in der Vorsaison Gewaltakte zu Schaden gekommen, haben
       die Fanvertreter ausgerechnet. Jedes Volksfest sei gefährlicher. In der Tat
       ist die Zahl der eingeleiteten Strafverfahren um über 18 Prozent
       zurückgegangen, obwohl mehr Fans in den Stadien waren. Die Behauptung der
       Fanaktivisten, die aus diesen Zahlen folgt, lautet: „Der Fußball ist
       sicher.“
       
       Unter dieser Überschrift läuft [2][eine Petition der Fanvertreter im Netz].
       Bis Sonntagmittag hatten 60.000 Menschen gegen personalisierte Tickets für
       die Stadien, KI-basierte Gesichtserkennung auf den Rängen und von einer
       zentralen Stelle ausgesprochenen Stadionverbote ohne ausreichende
       Rechtsgrundlage unterschrieben.
       
       Der Deutsche Fußall-Bund und die Deutsche Fußball-Liga, die alle Klubs der
       zwei Bundesligen vertritt, haben sich [3][in einer Stellungnahme] schon
       gegen ein weiteres Sicherheitstool ausgesprochen, über das die
       Innenminister nachgedacht hatten. Ein Verbot, bei Risikospielen
       Gästetickets zu verkaufen, oder auch nur eine Einschränkung des Kontingents
       für Gästefans kommt für sie nicht infrage.
       
       Nun werden die in den Verbänden organisierten Vereine von ihren Fans dazu
       aufgefordert, sich gegen die Sicherheitspolitiker aus Bund und Ländern zu
       positionieren. Sachsens Innenminister Armin Schuster meinte jüngst im
       Deutschlandfunk, die Stadien seien ja nur deshalb so sicher, weil so viele
       Polizeibeamte für Ordnung sorgen würden. Er stelle sich die Zukunft in den
       Stadien so vor wie im Handball oder Basketball, wo ein paar
       Streifenpolizisten reichen würden, um eine Partie in der Bundesliga zu
       sichern.
       
       Dass dort Stimmung nur aufkommt, wenn alle gemeinsam mit den von den Klubs
       verteilten Klatschpappen Lärm machen, darüber lachen die Kurvenfans schon
       seit Jahren. Die Ultras, die in der Summe eine für sehr viele junge
       Menschen attraktive Jugendbewegung repräsentieren, fühlen sich angesichts
       solcher Äußerungen wie der von Schuster massiv unverstanden. Bestehende
       Dialogstrukturen, wie sie im Nationales Konzept Sport und Sicherheit
       festgeschrieben sind, seien zudem schlicht umgangen worden.
       
       So eindrucksvoll der Schweigeprotest an diesem Spieltag war, so verstörend
       waren auch die Bilder aus Köln, wo aus dem Gästeblock der [4][Fans von
       Eintracht Frankfurt] Leuchtraketen auf das Spielfeld gefeuert wurden,
       sodass sich der Schiedsrichter gezwungen sah, die Partie kurz zu
       unterbrechen. Ein brennendes Transparent nach Schlusspfiff sorgte für
       weitere verstörende Bilder. Die Innenminister haben gewiss schon eine Idee,
       wie diese zu interpretieren sind.
       
       23 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Soziologe-ueber-Gewalt-im-Fussballstadion/!5973657
 (DIR) [2] https://www.openpetition.de/petition/online/der-fussball-ist-sicher-schluss-mit-populismus-ja-zur-fankultur
 (DIR) [3] https://www.dfb.de/news/stadionsicherheit-und-fankultur-gemeinsam-erhalten
 (DIR) [4] /Ausschreitungen-bei-Frankfurt-Neapel/!5919139
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fußball
 (DIR) Fanszene
 (DIR) Ultras
 (DIR) Sicherheit
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Sicherheitsdebatte im Fußball
 (DIR) Kolumne Press-Schlag
 (DIR) Sicherheitsdebatte im Fußball
 (DIR) Fußballfans
 (DIR) Fußball
 (DIR) Fußball
 (DIR) Eintracht Frankfurt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Fußballfans für Freiheitsrechte: Hoffnungsträger auf den Rängen
       
       Anständige Fans schämen sich schon lange für die Machenschaften der Fifa.
       Wer nach dem Guten im Fußball sucht, muss in die Kurven schauen.
       
 (DIR) Sicherheit im Fußballstadion: Übertriebene Maßnahmen
       
       KI-gestützte Gesichtskontrollen und Stadionverbote sollen mehr Sicherheit
       für die Fans bringen. Tatsächlich droht gar keine Gefahr in den Stadien.
       
 (DIR) Maßnahmen gegen Fußballfans: Rot-blaue Koalition gegen Iris Spranger
       
       Fans von Hertha und Union fordern eine faktenbasierte Diskussion über
       Sicherheit in Stadien. Die Innensenatorin soll keine Verschärfungen
       mittragen.
       
 (DIR) Soziologe über Gewalt im Fußballstadion: „Eskalation durch Nichtigkeiten“
       
       Soziologe Andreas Klose über sogenannte Stadionallianzen, die den Konflikt
       zwischen Polizei und Ultras entschärfen sollen.Wie funktionieren sie?
       
 (DIR) Gewalt im Fußballstadion: Knüppel, Gewalt und Tränengas
       
       Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizei. In
       Frankfurt gab es mehrere Verletzte – auf beiden Seiten.
       
 (DIR) Ausschreitungen bei Frankfurt-Neapel: Neapel sehen und verlieren
       
       Rund um die Partie zwischen der SSC Neapel und der SG Eintracht Frankfurt
       kam es zu Ausschreitungen. Es war mehr als nur ein verlorenes Fußballspiel.