# taz.de -- Auftakt im Antifa-Prozess in Dresden: Im Gerichtssaal gibt es Applaus für die Angeklagten
> Die Bundesanwaltschaft wirft sieben Antifas eine brutale Angriffsserie
> auf Neonazis vor. Unterstützer*innen fordern die Freiheit der
> Angeklagten.
(IMG) Bild: Die Hände des Hauptangeklagten, ein Tattoo mit „Hate Cops“ hat Johann G. sich entfernen lassen
Es brandet Applaus im Publikum auf, als Johann G. und die anderen
Angeklagten am Dienstagmorgen in den Saal des Oberlandesgerichts Dresden
kommen. Der 32-Jährige wird dabei von der Sicherheitsgruppe Justizvollzug
(SGJ) in Handschellen hereingeführt, wie drei weitere Beschuldigte auch.
„Free all antifas“, setzen Sprechchöre ein. Und Johann G., kurzer Scheitel
und Kinnbart, grinst den Unterstützer*innen breit entgegen, versteckt
sein Gesicht nicht vor den Fotografen. Auch andere Beschuldigte winken
lächelnd ins Publikum. „Alle zusammen gegen den Faschismus“, tönt es von
dort noch einmal.
Schon am frühen Morgen hatten sich Unterstützer*innen mit einer
Kundgebung vor dem Gericht mit den Angeklagten solidarisiert. Wer ins
Gericht wollte, musste sich genauen Sicherheitskontrollen unterziehen.
Verhandelt wird in einem Hochsicherheitssaal, die Angeklagten sitzen hinter
einer Glasfront, im Visier von Wachtmeistern. Als Richter Joachim Kubista
den Prozess eröffnet, muss er sofort Anträge der Verteidiger auf Aussetzung
der Verhandlung abwehren. Kubista will erst mal die Anklage der
Bundesanwaltschaft hören. Und die hat es in sich.
Denn für die Bundesanwaltschaft haben die sieben Antifas – sechs Männer,
eine Frau – [1][eine linksextreme kriminelle Vereinigung gebildet], die von
2018 bis 2023 neun schwere Angriffe auf Rechtsextreme begangen habe, in
Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und schließlich Budapest und einen auch
auf ein Thor-Steinar-Geschäft in Dortmund, der bei Rechtsextremen beliebten
Modemarke.
Fast zwei Stunden lang verlesen die Ankläger die Vorwürfe. In wechselnder
Besetzung hätten die Beschuldigten die Neonazis attackiert, auch mit
Schlagstöcken und Hämmern. Teils als die Rechtsextremen von Aufmärschen
zurückkehrten, teils in deren Wohnumfeld. Den Angriffen seien Trainings und
längere Ausspähungen der Beschuldigten vorausgegangen.
## G. war fast vier Jahre auf der Flucht
Und die Bundesanwaltschaft betont noch einmal die schweren Verletzungen der
Angegriffenen: Kopfplatzwunden, Knochenbrüche auch im Gesicht, Prellungen.
Einige Rechtsextreme seien noch geschlagen worden, als sie schon bewusstlos
waren, zwei lagen am Ende auf der Intensivstation. Zwei der Angriffe, in
Dessau und Erfurt, seien so schwer gewesen, dass sie die Bundesanwaltschaft
als versuchten Mord einstuft. Eine Tötung der Attackierten sei zumindest
„billigend in Kauf genommen“ worden, so die Ankläger.
Und vor allem einen Mann nimmt die Bundesanwaltschaft nun in den Fokus, der
bei fast allen Angriffen dabei gewesen sein soll: Johann G. Der Leipziger
Student soll in der Gruppe einen „prägenden Einfluss“ gehabt, soll
Trainings und Aktionen organisiert und dann auch selbst zugeschlagen haben.
Johann G. verfolgt die Anklageverlesung entspannt, sucht lieber weiter
lächelnd Kontakt im Publikum.
Für die Sicherheitsbehörden war schon seine Festnahme ein Erfolg: Nach fast
vier Jahren auf der Flucht wurde der einschlägig Vorbestrafte im November
2024 in einer Regionalbahn bei Weimar gefasst, nachdem zuvor eine Bekannte
von ihm observiert worden war. Zuvor war mit internationalem Haftbefehl und
ausgelobter Belohnung von bis zu 10.000 Euro nach G. gefahndet worden –
auch mit Fotos, die sein Tattoo auf den Händen zeigten: „Hate cops“. Im
Gerichtssaal ist dieses Tattoo nicht mehr zu sehen, offenbar hat er es
entfernen lassen. Dafür setzt Johann G. ein anderes Statement: Er trägt ein
Shirt des israelischen „Nova“-Festivals, auf dem Hamas-Terroristen im
Oktober 2023 ein Massaker anrichteten.
Der Prozess setzt ein Verfahren fort, das bis vor zwei Jahren an gleicher
Stelle geführt wurde: [2][gegen vier Linke], darunter die Leipzigerin Lina
E. – die Ex-Verlobte von Johann G. Auch ihnen wurde die Angriffsserie
vorgeworfen, sie erhielten [3][Haftstrafen von 2,5 bis gut 5 Jahren Haft].
Gegen sechs weitere Linke, die zumindest bei den Budapest-Angriffen dabei
gewesen sein sollen, beginnt im Januar in Düsseldorf ein Prozess.
## DNA-Spuren und Kronzeuge
Im jetzigen Prozess beruft sich die Bundesanwaltschaft nun auf DNA-Spuren
von Beschuldigten, die an Tatorten gefunden worden seien, und sonst auf
Indizien: mehrdeutige Sätze in abgehörten Gesprächen, abgefangenen
Nachrichten, Zeugenbeschreibungen oder Videoaufnahmen der vermummten
Angreifer.
Vor allem aber beruft sie sich auf einen Kronzeugen, Johannes D., der nach
Vergewaltigungsvorwürfen aus der Szene verstoßen wurde und dann bei der
Polizei auspackte. Die Verteidigung indes hält seine Aussagen für
unglaubwürdig: Er habe sich Dinge zusammengereimt und aufgebauscht, um
einen Strafrabatt zu bekommen. Auch die Indizien ziehen die Anwält*innen
in Zweifel und kritisieren, dass die Ermittlungen einseitig geführt wurden.
Dass es eine feste Vereinigung gab, sei ein „Konstrukt“. Der Vorwurf des
versuchten Mordes überzogen.
Die Beschuldigten selbst schweigen bisher zu den Vorwürfen, auch am
Dienstag. Ihre Verteidiger aber fordern gleich zu Beginn die Aussetzung des
Verfahrens. Zum einen, weil sie bis heute keine vollständige Akteneinsicht
erhalten hätten und eine Festplatte mit 700 Gigabyte Unterlagen erst kurz
vor dem Prozess übersendet worden sei. Zum anderen, weil unklar sei, was
die jüngste Einstufung der „Antifa Ost“ als Terrorgruppe in den USA für
Folgen für die Angeklagten habe – und ob sie sich mit Aussagen im Prozess
Sanktionen einhandeln könnten. Das müsse zuerst geklärt werden. Richter
Kubista aber stellt die Anträge vorerst zurück.
Den ersten Befangenheitsantrag hatte es indes bereits vor Prozessbeginn
gegeben. Er richtete sich gegen das Gericht: Denn drei der fünf Richter
hätten schon beim Prozess gegen Lina E. und die anderen Verurteilten
mitgewirkt – und dort bereits Schuldfeststellungen zu einigen jetzt
Beschuldigten getroffen, etwa dass diese Teil einer kriminellen Vereinigung
waren. Ein unvoreingenommener Prozess sei so nicht möglich. Der Antrag
wurde zurückgewiesen.
Die Verteidiger*innen ziehen grundsätzlich ein faires Verfahren in
Zweifel. Klar ist allerdings schon jetzt, dass der Prozess dauern wird:
Schon jetzt sind Verhandlungstermine bis ins Jahr 2027 angedacht.
25 Nov 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Antifa-Prozess-beginnt/!6130317
(DIR) [2] /BGH-Urteil-zu-Lina-E/!6073363
(DIR) [3] /Urteil-im-Fall-Lina-E/!5937989
## AUTOREN
(DIR) Konrad Litschko
## TAGS
(DIR) Linksextremismus
(DIR) Schwerpunkt Antifa
(DIR) Rechte Gewalt
(DIR) Social-Auswahl
(DIR) Schwerpunkt Antifa
(DIR) Social-Auswahl
(DIR) Schwerpunkt Antifa
(DIR) Schwerpunkt Antifa
(DIR) Maja T.
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Beschuldigter Linker Johann G.: JVA beschlagnahmt „Nova“-Shirt von Antifa-Inhaftiertem
Der Antifaschist Johann G. solidarisierte sich in seinem Prozess mit einem
Shirt mit dem israelischen „Nova“-Festival – nun beschlagnahmte es die JVA.
(DIR) Linksextreme vor Gericht: „Antifaschismus ist notwendig“
Im Antifa-Prozess in Dresden äußern sich Beschuldigte zur Anklage. Zu
konkreten Vorwürfen schweigen sie – aber die Anklage kritisieren sie
deutlich.
(DIR) Antifa-Prozess beginnt: Die Abrechnung
Eine Gruppe um Johann G. soll jahrelang Rechtsextreme attackiert haben.
Nach vier Jahren im Untergrund steht er nun in Dresden vor Gericht.
(DIR) Prozesswelle gegen Antifas: „Ein klarer Versuch der Einschüchterung“
Die linke Szene kritisiert die fünfjährige Haftstrafe für die
Antifaschistin Hanna S. scharf. In Kürze starten bereits zwei weitere
Prozesse.
(DIR) taz besucht Maja T. exklusiv in Haft: „Ich werde vorverurteilt“
Seit über einem Jahr sitzt Maja T., Antifaschist*in aus Thüringen, in
ungarischer Haft. Es drohen 24 Jahre Gefängnis. Wie geht es Maja T.?