# taz.de -- Neue Oper für Hamburg: Denkmal für einen modernen Feudalherrn
> Die Bürgerschaft sollte der Kühne-Oper die Zustimmung verweigern. Sie ist
> ein autoritäres Projekt und ob die Stadt sie braucht, ist äußerst
> fraglich.
(IMG) Bild: Böse Zungen sagen, sie sehe aus wie ein Kreuzfahrtschiff: Siegerentwurf für die neue Oper im Hamburger Hafen
Es ist kein Geheimnis, dass die Hamburger Bürgerschaft am Mittwoch für den
[1][Neubau eines Opernhauses] stimmen wird. Dabei sollte sie genau das
nicht tun. Hätte sie auch nur einen Funken kollektiver Selbstachtung,
müsste sie den Plan zurück in die Ausschüsse verweisen.
Selbst wer begeistert ist von der Idee eines neuen Opernhauses mitten im
Hafen, berauscht von der großzügigen Stiftung eines Mäzens und überzeugt
vom [2][Siegerentwurf der dänischen Architekten Bjarke Ingels Group],
müsste nüchtern sagen: So ist das nicht zustimmungsfähig.
Und zwar allein schon, weil nicht geklärt ist, was aus dem
[3][denkmalgeschützten Opernbau am Dammtor] werden soll. Der muss für fast
100 Millionen Euro saniert werden, damit er bis zur Eröffnung der neuen
Oper durchhält.
Die Hälfte der nötigen Summe kommt übrigens aus dem „Sondervermögen
Infrastruktur“. Nur, dass diese Kultur-Infrastruktur nach neun Jahren
abgeschrieben sein muss.
## Wer zahlt, bestimmt
Denn für eine Nachnutzung gibt es kein Konzept. Es soll irgendwie weiter
kulturell sein, aber privat. Dass ein Mieter die Investitionen
refinanziert, ist illusorisch. Es ist also absehbar, dass das Gebäude den
Stadtsäckel belasten wird – oder unter Vergießen größerer Krokodilstränen
doch abgerissen wird.
Viel grundsätzlicher ist die [4][Frage nach dem Bedarf für einen
Opern-Neubau], die nun auch eine Gruppe von Professor:innen aus
Architektur, Theater- und Geschichtswissenschaft aufgeworfen hat: Sollte
Hamburg sich erneut für Jahrzehnte auf den Betrieb eines Opernhauses
festlegen, da der Besuch in den vergangenen 50 Jahren um mehr als ein
Viertel eingebrochen ist?
Wenn ja, wäre zu prüfen, ob die geplante „Guckkastenbühne“ den
Erfordernissen eines modernen Musiktheaters entspricht, so die Fachleute.
Sie fordern deswegen ein Moratorium und eine Enquetekommission.
Bislang hat den Bedarf nämlich Klaus-Michael Kühne ganz allein
festgestellt. Und der Multimilliardär wünscht sich nun mal Oper, wie sie
immer schon war, nur besser, irgendwie glänzender. Und als [5][erfahrener
Mäzen] weiß er: Wer zahlt, bestimmt.
Deshalb hat er die Taschen weit geöffnet, erst bei einer Milliarde würde
seine Stiftung das Projekt überdenken, heißt es. Klingt fantastisch
generös, auch wenn Dealmaker Kühne der Stadt einen [6][Eigenanteil von
einer Viertelmilliarde] rausgeleiert hat.
Dabei darf man aber nicht vergessen, dass die Schenkung von einem
Steuerflüchtling kommt, der seine Heimat- und angebliche Herzensstadt mit
der Verlagerung seines Logistikkonzerns in die Schweiz vermutlich um ein
Vielfaches an Abgaben geprellt hat.
## Fatal fürs Image
Worauf sein Vermögen fußt, ist lange bekannt: Die Spedition Kühne+Nagel
verdankt ihren Aufstieg zum Weltkonzern maßgeblich ihrer [7][Beteiligung an
der Ausplünderung der Juden Westeuropas] während des Nationalsozialismus.
Kühnes beharrliche Weigerung, die Erforschung dieser Zeit zu ermöglichen,
geschweige denn, Verantwortung für das Handeln seines Vaters zu übernehmen,
müsste ihn als Stifter disqualifizieren. Schon aus Imagegründen sollte die
Stadt von einer Immobilie Abstand nehmen, die weltweit für lange Zeit mit
Kühnes Namen assoziiert werden wird.
Aber die Hamburger Politik hat Kühne den roten Teppich ausgerollt, damit er
der Stadt ein paar Hundert Millionen zusteckt – für ein Prestigeprojekt,
das vor allem seinen eigenen (Nach-)Ruhm mehrt. Er tut das im Stile eines
autoritären Herrschers.
## Überrumpeltes Parlament
Der entscheidet gönnerhaft, was für seine Untertanen am besten ist. Die
Milliardäre sind die Feudalherren von heute, mit ihrem Geld können sie den
Lauf der Welt bestimmen, ganz ohne sich mit den Mühen des Regierens
abzugeben.
Die Kühne-Oper steht damit auch nicht in der Tradition der Hamburger
Bürgeroper, 1678 von Menschen gegründet, die sich auch sonst um die
Geschicke der Stadt sorgten – sie steht als autoritäres Projekt sogar im
Gegensatz zu ihr.
Dazu passt, wie der Hamburger Senat es durchgepaukt hat: Lange hatte
Kultursenator Carsten Brosda (SPD) es als Geheimprojekt vorangetrieben,
dann gab es einen Wettbewerb mit nur fünf handverlesenen Architekturbüros.
Gerade einmal zwei Wochen nach der Entscheidung soll nun die Bürgerschaft
ihren Segen geben. Allein dieses Überrumpelungsverfahren zeigt eine
Geringschätzung des Parlaments, die dies sich nicht gefallen lassen dürfte.
25 Nov 2025
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