# taz.de -- 15 Jahre nach Fukushima-Katastrophe: Tepco darf wieder einen Atommeiler betreiben
       
       > Japan will die Atomkraft stärker nutzen, um den Strompreis zu senken.
       > Doch das Misstrauen in den Fukushima-Betreiber bleibt groß.
       
 (IMG) Bild: Bürger*innen demonstrieren gegen den Neustart des Kashiwazaki-Kariwa Atomkraftwerks t in Niigata, Japan am 21. November
       
       Der japanische Stromversorger Tokyo Electric Power Company, bekannt unter
       dem Kürzel Tepco, darf rund 15 Jahre nach der [1][Atomkatastrophe von
       Fukushima] aller Voraussicht nach erstmals wieder ein Atomkraftwerk
       betreiben.
       
       Es handelt sich um den Block 6 im weltgrößten AKW-Komplex
       Kashiwazaki-Kariwa an Japans Westküste, der aus sieben Reaktoren mit einer
       Gesamtleistung von über 8 Gigawatt besteht. Der Neustart wäre ein
       Meilenstein bei Japans Rückkehr zur Nutzung der Atomkraft, nachdem ein
       Erdbeben und Tsunami im März 2011 das AKW Fukushima zerstörten und eine
       Verstrahlung der Region verursachten.
       
       Der zuständige Gouverneur Hideyo Hanazumi kündigte am Freitag an, die
       Wiederinbetriebnahme zu genehmigen. Sollte das Regionalparlament der
       Präfektur Niigata ihm am 2. Dezember zustimmen, wäre die letzte Hürde für
       einen Neustart genommen. Die Gemeinden Kashiwazaki und Kariwa
       signalisierten bereits ihr Einverständnis.
       
       Als frühestmöglicher Zeitpunkt gilt März 2026. Der Gouverneur begründete
       seinen Schritt mit der Unterstützung Tepcos durch Regierung und
       Atomaufsichtsbehörde. Er selbst habe kein Vertrauen, sich hundertprozentig
       auf dieses Unternehmen zu verlassen, [2][meinte Hanazumi].
       
       ## Scharfe Kritik von Neustart-Gegnern
       
       Dennoch begrüßte Tepco-Präsident Tomoaki Kobayakawa [3][die Entscheidung]:
       Man werde die „Sicherheit konsequent festigen und so vorangehen, dass wir
       das Vertrauen der Region gewinnen“. Scharfe Kritik kam von
       Neustart-Gegnern. „Aus den Anhörungen und Umfragen geht klar hervor, dass
       derzeit rund die Hälfte bis deutlich über 60 Prozent der Bürger dem
       Neustart skeptisch gegenüberstehen“, [4][erklärte] Ayako Oga, Koordinatorin
       vom Bürgernetzwerk gegen den Neustart. „Dass der Gouverneur ohne klare
       Begründung dennoch seine Zustimmung gibt, erfüllt uns mit großer Wut und
       Enttäuschung.“
       
       Der Politologe Hiroshi Sasaki von der Niigata University of International
       and Information Studies [5][meinte]: „Das Vertrauen der Bürger nur über
       einen Beschluss des Präfekturparlaments zu 'prüfen’, ist eine Täuschung der
       Bevölkerung.“ Damit sei die Demokratie in Niigata beschädigt. Ein junger
       AKW-Anwohner sagte [6][dem TV-Sender Asahi], er lehne den Neustart ab: „Bei
       einem Unfall können wir doch gar nicht fliehen.“
       
       Außer Block 6 will Tepco auch Block 7 neu starten, aber erst 2029, wenn
       vorgeschriebene Anti-Terror-Maßnahmen vollständig umgesetzt sein sollen.
       Die zwei Siedewasserreaktoren der dritten Generation mit einer Leistung von
       jeweils 1.350 Megawatt liefen seit 1996/7, bis sie wegen Fukushima
       heruntergefahren wurden. Tepco besänftigte die Bewohner von Niigata mit
       einer Finanzzusage von umgerechnet 550 Millionen Euro über zehn Jahre
       verteilt zur „Revitalisierung“ der regionalen Wirtschaft.
       
       Die Investition rechnet sich für Tepco: Nach eigenen Angaben erhöht der
       Neustart von Block 6 den jährlichen Nettogewinn um 550 Millionen Euro. Drei
       der fünf übrigen Reaktoren in dem AKW-Komplex will der Stromkonzern
       offenbar endgültig stilllegen: Die Meiler 2, 3 und 4 befinden sich schon
       seit einem schweren Erdbeben im Juli 2007 im Langzeitstillstand.
       
       Die Atomaufsicht hatte Tepco Ende 2017 bescheinigt, die nach Fukushima
       verschärften Sicherheitsauflagen erfüllt zu haben. Unter anderem errichtete
       der AKW-Betreiber eine 15 Meter hohe Mauer als Schutz gegen einen Tsunami.
       Aber der frühere Gouverneur der Region, Ryuichi Yoneyama, blockierte den
       Neustart, dann patzte Tepco bei der Sicherheit von Nuklearmaterial.
       
       Sein Nachfolger Hanazumi steht seit drei Jahren unter Handlungsdruck: Die
       Regierung in Tokio will durch den schnelleren Neustart von Reaktoren den
       Strompreis senken. Bisher gingen 14 von 33 verbliebenen Reaktoren in
       Betrieb.
       
       23 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /13-Jahre-nach-Tsunami-und-Super-GAU/!5994649
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=AFT9EwPqwxE
 (DIR) [3] https://newsdig.tbs.co.jp/articles/withbloomberg/2303891?display=1
 (DIR) [4] https://jcp-niigata.org/2025/11/23/%E5%86%8D%E7%A8%BC%E5%83%8D%E5%AE%B9%E8%AA%8D%E3%80%80%E7%9F%A5%E4%BA%8B%E3%81%AB%E6%8A%97%E8%AD%B0/
 (DIR) [5] https://jcp-niigata.org/2025/11/23/%E5%86%8D%E7%A8%BC%E5%83%8D%E5%AE%B9%E8%AA%8D%E3%80%80%E7%9F%A5%E4%BA%8B%E3%81%AB%E6%8A%97%E8%AD%B0/
 (DIR) [6] https://news.tv-asahi.co.jp/news_society/articles/000468093.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Fritz
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fukushima
 (DIR) Atomenergie
 (DIR) Japan
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Atomwaffen
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Friedensforscher zur Atomwaffendebatte: „Wir sind wieder im atomaren Wettrüsten“
       
       Eine Rüstungskontrolle ist kaum mehr möglich, sagt Friedensforscher Ulrich
       Kühn. Die Eskalation um US-Atom-U-Boote bereitet ihm aber keine Sorgen.
       
 (DIR) Strom durch Atomkraft sinkt weltweit: Nicht nur Deutschland steigt aus
       
       Weltweit sinkt der Anteil der Atomkraft an der Stromerzeugung. Zwar bauen
       einige Länder neue AKW. In vielen anderen aber ist Kernkraft kein Thema.
       
 (DIR) 13 Jahre nach Tsunami und Super-GAU: Mysterium im Inneren des Reaktors
       
       Im Jahr 2011 kam es in Fukushima zur Kernschmelze. Mit dem strahlenden
       Material wird Japan noch Jahrzehnte umgehen und leben müssen.