# taz.de -- Nazidemo in Berlin: Möchtegern-SA will aufmarschieren
> Im Schatten der Antifa-Mobilisierung nach Gießen wollen junge Neonazis in
> Mitte aufmarschieren. Sie suchen Anschluss an die Strukturen der Ex-NPD.
(IMG) Bild: Neonazi-Aufmarsch in Friedrichshain Ende März
Für Antifas steht das kommende Wochenende ganz im Zeichen von Gießen.
Diverse Busse werden allein aus Berlin unterwegs sein, um sich der
[1][Neugründung der AfD-Jugend] dort zu widersetzen. Es wird die wohl
größte Aktion des zivilen Ungehorsams, seit im vergangenen Jahr aus ganz
Deutschland 15.000 Menschen in 200 Bussen nach Riesa gereist sind, um den
AfD-Parteitag dort zu verhindern. Wer noch mitkommen will, [2][findet
Tickets im Onlineshop] und in diversen linken Läden.
Doch während es viele Antifas heraus zieht, drängen die Nazis in die
Innenstadt hinein. Derzeit mobilisiert Die Heimat (früher: NPD) gemeinsam
mit den Jungfaschos der Deutschen Jugend Voran (DJV) für den kommenden
Samstag (29. November) um 13 Uhr zum Berliner Dom. Dort haben sie eine Demo
gegen „Taschendiebe, Betrüger und Hütchenspieler“ angemeldet – weshalb mit
einem Fokus auf antiziganistischer Hetze zu rechnen ist. Das Thema wurde
von der Ex-NPD zuletzt verstärkt bespielt.
Es ist nicht das erste Mal, dass es das Jungnazi-Milieu rund um die DJV in
die Berliner Innenstadt drängt. Schon im letzten Winter versuchten sie
[3][mehrere Male], durch Friedrichshain und Mitte zu marschieren, damals
noch unter Führung von Ferhat Sentürk, der sich inzwischen um ein
bürgerliches Rebranding bemüht. Wiederholt wurden die Aufzüge [4][von
Tausenden Antifaschist:innen blockiert].
## Saufen, prügeln, streiten
Für Die Heimat, die auch wegen des Aufstiegs der AfD massiv an Relevanz
verloren hat, ist der Termin der Versuch eines Comebacks. Wie die
[5][Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus] (MBR) der taz mitteilt,
handelt es sich um die erste eigenständige Demonstration der Partei seit
fast 10 Jahren. Die Heimat [6][versucht deshalb schon länger], das extrem
junge Milieu rund um die DJV an die Partei zu binden. Mit dem gemeinsamen
Protestaufruf gehen die Jungnazis der DJV einen weiteren Schritt auf die
alten Kader zu.
In antifaschistischen Kreisen wird nun diskutiert, wie die Einbindung die
Bedrohungsdynamik verändern könnte. Denn bisher agiert die Szene um die DJV
ziemlich unprofessionell. Beobachter:innen sprechen von einem losen
Milieu, in dem Alkohol und Drogen eine große Rolle spielen. Das medial
vermittelte Bild einer dynamischen Bewegung sei irreführend – oft steckten
gescheiterte Liebesbeziehungen und persönliche Konflikte hinter den immer
neu auftauchenden Gruppenlabels, wie der „Jägertruppe“ oder der „Berliner
Jugend“. Teils bestünden die Gruppen nur aus wenigen Personen.
Gleichzeitig ist das Milieu von einer enormen Brutalität geprägt. Die
Gewalt entlädt sich oft ungeplant und willkürlich: Ein Mann wird [7][in der
S-Bahn wegen eines Antifa-Buttons zusammengetreten],
[8][SPD-Wahlkämpfer:innen werden attackiert], weil sie zufällig am Bahnhof
stehen, an dem die betrunkenen Jungnazis aus dem Zug geworfen wurden. Auch
intern herrscht extreme Gewalt: Julian M. soll seiner Ex-Freundin mit dem
Tod gedroht haben, ein anderer Nazi wurde nach einem Streit [9][wohl einer
Art Scheinhinrichtung unterzogen].
Die Spontaneität geht bisher mit Stümperhaftigkeit einher. Man posiert mit
gerade erbeuteten Gegenständen in sozialen Medien und prügelt vor laufenden
Kameras los. Mehrere Kader sitzen inzwischen im Gefängnis, darunter der
Anführer Julian M., der drei Jahre und drei Monate verbüßen muss. Dass etwa
die MBR vorsichtig von einer nachlassenden Mobilisierungsfähigkeit der
Szene spricht, liegt wohl auch daran, dass die Staatsmacht inzwischen
Konsequenzen aufgezeigt hat.
## Man will eine neue SA sein
In antifaschistischen Kreisen befürchtet man nun, dass die Gewalt mit der
Eingliederung in Die Heimat strategischer und geschulter ausgeführt werden
könnte. Immerhin gibt es in der Partei Wissen und Ressourcen. Wohin es
gehen soll, ist laut Chats der Gruppe, die im Fachmedium Antifaschistisches
Infoblatt zitiert werden, schon länger klar: „SA-mäßig“ soll die Gewalt auf
die Straße getragen werden.
Andererseits wird spekuliert, dass die hierarchischen Parteistrukturen auch
abschrecken könnten, weil es für die Spontaneität keinen Raum mehr gibt.
„Es bleibt aktuell eine offene Frage, wie attraktiv diese Strukturen für
die bisher sehr dynamisch auftretende Szene ist. Die bisherigen Formen der
politischen Aktion und der Freizeitgestaltung haben in einer Parteistruktur
möglicherweise keinen Platz mehr“, schreibt die MBR der taz.
In jedem Fall kann eine breite zivilgesellschaftliche Gegenwehr helfen, die
Motivation zu dämpfen, indem sie die Versuche der faschistischen Raumnahme
entschieden zurückweist. Für alle, die nicht in Gießen sind, heißt es
deshalb: Auf die Straße, die Nazis blockieren. Der [10][zentrale
Anlaufpunkt für alle Gegenprotestler:innen ist der Bebelplatz ab 13
Uhr]. Bei An- und Abreise ist dabei die nötige Vorsicht geboten: Die MBR
warnt vor gewaltsamen Überfällen seitens der DJV gegen migrantisierte,
queere oder linke Menschen.
23 Nov 2025
## LINKS
(DIR) [1] /AfD-Jugend-gruendet-sich-in-Giessen-neu/!6117457
(DIR) [2] https://tickets.widersetzen.com/products/berlin?utm_source=ig&utm_medium=social&utm_content=link_in_bio&fbclid=PAZXh0bgNhZW0CMTEAc3J0YwZhcHBfaWQMMjU2MjgxMDQwNTU4AAGnKaeY7hHHGg4mkQ-rT0E7boJN-ck_8MrI4Kpm_0_HWpM4NO5eEHmMgB7bmeY_aem_pws_m2eSvPvb4zQZfPw6xw
(DIR) [3] /Neonazi-Aufmarsch-in-Friedrichshain/!6075135
(DIR) [4] /Rechtsextreme-Demo-in-Friedrichshain/!6056365
(DIR) [5] https://www.mbr-berlin.de/
(DIR) [6] /Neonaziszene-in-Ostberlin/!6106603
(DIR) [7] /Hausdurchsuchungen-bei-jungen-Neonazis/!6041476
(DIR) [8] /Angriff-auf-SPD-Mitglieder-in-Berlin/!6057431
(DIR) [9] https://www.tagesspiegel.de/berlin/schlage-tritte-scheinhinrichtung-anfuhrer-einer-jungen-neonazi-truppe-aus-berlin-vor-gericht-13319227.html
(DIR) [10] https://demonstrations.org/en/events/51557--den-nazis-keine-mitte
## AUTOREN
(DIR) Timm Kühn
## TAGS
(DIR) Kolumne Bewegung
(DIR) Schwerpunkt Neonazis
(DIR) NPD
(DIR) DJV
(DIR) Social-Auswahl
(DIR) AfD-Jugend
(DIR) Gießen
(DIR) AfD-Jugend
(DIR) Schwerpunkt Neonazis
(DIR) Schwerpunkt AfD
(DIR) Rechtsextremismus
(DIR) Schwerpunkt Neonazis
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Demo gegen AfD-Jugend in Gießen: Zehntausende demonstrieren gegen AfD-Jugend
In Gießen haben am Samstag Menschen aus ganz Deutschland gegen die
rechtsextreme „Generation Deutschland“ demonstriert. Die Polizei setzte
Gewalt ein.
(DIR) Blockierte „Heimat“-Demo in Berlin: Aufs falsche Hütchen gesetzt
Neonazis riefen zu einer antiziganistischen Demo gegen Hütchenspieler nach
Mitte. Trotz der Proteste in Gießen stellten sich 1.000 Antifas in den Weg.
(DIR) AfD-Jugend gründet sich in Gießen neu: Bundesweite Mobilisierung gegen Höcke-Jugend
In Gießen will sich Ende November die AfD-Jugend neu gründen. Vieles
spricht dafür, dass es ultraradikal wird. Ein breites Bündnis plant
Blockaden.
(DIR) Prävention und Opferschutz: Weniger Mittel gegen rechts
Obwohl sich eine rechte Jugendkultur ausbreitet, will der Berliner Senat
bei der Prävention sparen. Die Grünen fordern, das Problem ernst zu nehmen.
(DIR) Neonaziszene in Ostberlin: Jungnazis auf der Suche nach Erziehungsberechtigten
Die gewaltorientierten Jungnazis der DJV nähern sich der Altnazipartei Die
Heimat an. Davor warnt das Berliner Register Treptow-Köpenick.