# taz.de -- Wiedereinführung Wehrdienst: Handreichung fürs Ausmustern
> Um die Wehrfähigkeit zu beurteilen, sollen künftig alle jungen Männer von
> der Bundeswehr gemustert werden. Tipps und Tricks, wie man ausgemustert
> wird.
(IMG) Bild: Wer bei den Aufklatschern aus einem perfekt funktionierenden Flugfahrzeug springt, der landet freiwillig im Fleischwolf
Junger Mann, haben Sie eigentlich schon gedient? Das war eine vielfach
gestellte Frage noch in den 1980er Jahren, gern von älteren Herren an die
Zivildienstleistenden, die ihnen gerade den Arsch abwischten. Mit dem von
der schwarz-roten Koalition [1][angestrebten neuen Wehrdienstregel] stellt
sich diese Frage wieder – nur leicht abgewandelt. Beantworten muss sie
jeder männliche Deutsche, der nach dem 1. Januar 2008 geboren wurde: Junger
Mann, willst du Kanonenfutter werden?
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat durchgesetzt, dass
ganze Jahrgänge gemustert werden zwecks Einschätzung der Wehrfähigkeit, um
„im Verteidigungsfall wirklich handlungsfähig sein zu können und wirklich
zu wissen, wer ist denn überhaupt in der Lage, eingezogen zu werden“. Mit
anderen Worten: An die Front muss man im Zweifel auch dann, wenn man nie
beim Bund war.
Wie aber kann man verhindern, dass man, obwohl man keine Ahnung von Tuten
und Blasen, also Schießen und Töten hat, dennoch eingezogen wird? Dafür
bleiben drei Möglichkeiten:
## 1. Zum Bund gehen
Die sicherste Variante wäre: zur Bundeswehr gehen und sich ausbilden
lassen. Das wäre – Hallo, Herr Verteidigungsminister! – auch die beste
Werbemaßnahme, um genug Rekruten „freiwillig“ zum Dienst an der Waffe zu
bewegen.
## 2. Ausmustern lassen
Wer auch im Ernstfall den Frontgang vermeiden will, kann versuchen, bei der
Musterung durchzufallen. Die Altvorderen haben da – Opa erzählt vom
Antikrieg! – jede Menge Tipps bereit, die sie nun gern an die Jugend
weiterleiten. Aber welche helfen davon noch?
Hier der taz-Schnelltest:
Die West-Berlin-Karte: Umziehen ins „entmilitarisierte“ West-Berlin war der
einfachste Fluchtweg für junge Männer, weil es dort eben keine Wehrpflicht
gab. Ist heute aus bekannten Gründen („Mauerfall“) leider nicht mehr
hilfreich.
Die Brille auf der Nase: Schlechte Augen waren tatsächlich mal ein Grund,
um ausgemustert zu werden. Aber keineswegs ein verlässlicher. In den
1980ern wurden selbst [2][stark Kurzsichtige tauglich als Scharfschütze
gemustert].
Der Rückenschmerz: Ein Attest vom Arzt, das [3][„Morbus Scheuermann“] oder
andere Rückenleiden bescheinigt, sollte auch heute noch helfen. Denn ein
schwacher Rücken schleppt sich nicht gern bei Gewaltmärschen zur Front.
Der Psycho-Trick: Wer eine Ärzt:in findet, die einem psychische Labilität
attestiert, hat gute Karten, ausgemustert zu werden. Man muss dafür nicht
tatsächlich psychisch labil sein. Wichtig ist auch hier das Attest.
Suizid-Gedanken: Wer bei der Musterung anklingen lässt, dass ihm ein Tod an
der Front ganz gelegen käme, darf auch damit rechnen, diesen Tod nicht
sterben zu dürfen.
Schwul sein: Klappt nicht mehr. Die Bundeswehr gibt sich gay-freundlich.
Die Nonbinär-Option: Hat schon mehr Potenzial. Denn zwangsgemustert werden
nur Männer. [4][Dank des Selbstbestimmungsgesetzes] kann man sich seit 2024
aber auch als nonbinär oder Frau definieren – und wäre damit erst mal raus.
Aber Vorsicht: Umgekehrt stellt das Transmänner vor die Frage, ob sie
rechtlich nicht doch besser wehrpflichtfrei Frau bleiben sollten. Und ganz
wichtig: Eine Neudefinition kurz vor einem Ernstfall zählt nicht. Laut
[5][Paragraf 9 des Selbstbestimmungsgesetzes] bleibt die „rechtliche
Zuordnung einer Person zum männlichen Geschlecht“, wenn sie erst weniger
als zwei Monate vor Feststellung eines Ernstfalls geändert wurde.
Waffengeilheit: Klingt seltsam, aber gerade wer bei der Musterung drängend
fragt, ab wann er eine Waffe bekommt, wird laut Insidern schnell mal
ausgemustert.
Nazi-Image: Für viele auch überraschend: Die Bundeswehr hat kein Interesse
daran, von extrem Rechten unterwandert zu werden. Wer bei der Musterung
Wehrmachtbegeisterung oder Ähnliches äußert, könnte also ein „Nazis raus!“
zu hören bekommen. Wenn das aber nicht klappt, hängt man am Ende mit Nazis
in der Kaserne, die sich bei der Musterung als Musterbürger präsentierten.
Arm dran, weil Bein ab: In dem [6][Spielfilm „In die Sonne schauen“], der
aktuell als deutscher Oscar-Kandidat gehandelt, wird der junge Fritz von
seiner Familie zum Sturz vom Heuboden getrieben. Er verliert ein Bein,
entgeht so aber bei der späteren Musterung dem Kriegsdienst. Könnte heute
noch klappen. Aber Vorsicht: Beinamputierte können auch zur Steuerung von
Drohnen eingesetzt werden.
## 3. Kriegsdienst verweigern
Alle Tipps zur Ausmusterung haben einen Haken: Sie garantieren keinen
Erfolg. Wer wirklich sichergehen will, kann immer noch den Kriegsdienst
verweigern. Das ist [7][im Grundgesetz garantiert].
Ist hier Eile geboten? Vorerst nein. Zwar ist aktuell noch kein
Ersatzdienst vorgesehen. Aber das könnte noch kommen. Und dann gilt wohl
wie früher: Wer vor der Musterung verweigert, wird häufiger für tauglich
befunden. Solange aber kein Ernstfall ausgerufen wird, ist man auch nicht
dran. Wird es aber ernst, könnte es zu spät sein, um noch auf einen zivilen
Umgang mit Verweigerern zu hoffen.
Was also tun? Wer nicht ahnungslos an der Front landen will, sollte beim
Bund in die Lehre gehen. Wer nichts tun will, sollte am besten nichts tun.
Wer aber nicht nur nichts tun will, sondern den Wehrdienst nicht mit seinen
Werten vereinbaren kann, sollte umgehend verweigern. Das ist und bleibt
eine Frage des Gewissens.
13 Nov 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Einigung-ueber-Wehrdienst/!6129406
(DIR) [2] /Wehrbeauftragte-will-Musterung-zurueck/!5938205
(DIR) [3] https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/gelenks-und-knochenerkrankungen/morbus-scheuermann-740569.html?gad_source=1&gad_campaignid=20801013245&gclid=CjwKCAiAoNbIBhB5EiwAZFbYGA980IjsHWlpn0frsUgc98mFZQ2u5P-fWylaGn1bTQRD3Ti3o-MI1hoCzKcQAvD_BwE
(DIR) [4] /Selbstbestimmungsgesetz/!6124161
(DIR) [5] https://www.gesetze-im-internet.de/sbgg/__9.html
(DIR) [6] /Mascha-Schilinskis-neuer-Film/!6106028
(DIR) [7] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_12a.html
## AUTOREN
(DIR) Gereon Asmuth
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