# taz.de -- Weltklimakonferenz: COP der Halbwahrheiten
       
       > Viele Player inszenieren die COP als „COP der Wahrheit“. Aber sie enthält
       > genauso viele aufgehübschte Aussagen wie jede Klimakonferenz davor.
       
 (IMG) Bild: COP der Wahrheit? So sieht es zumindest Brasiliens Präsident Lula da Silva
       
       COP30 werde die COP der Wahrheit, sagte der brasilianische [1][Präsident
       Luiz Inácio Lula da Silva] in seiner Eröffnungsrede. Später sagte selbiges
       der Präsident der COP, André Corrêa do Lago. Dann auch die EU. Konkret geht
       es in dieser Ansage darum, Falsch- und Desinformationen zum Klimawandel zu
       bekämpfen, die insbesondere in der letzten Zeit rasant zugenommen haben. Um
       das zu untermauern, stellte die Globale Initiative für
       Informationsintegrität beim Klimawandel – eine Partnerschaft zwischen der
       brasilianischen Regierung, den Vereinten Nationen und der Unesco – am
       Mittwoch der ersten Verhandlungswoche in Belém ihre Erklärung zur
       Informationsintegrität beim Klimawandel vor.
       
       Aber nehmen wir sie doch mal beim Wort: Welche Wahrheit meinen sie? Kann
       das hier wirklich die COP der Wahrheit sein?
       
       Eine Wahrheit ist, dass 900 Indigene für die Konferenz akkreditiert sind,
       wenn man der CEO der Konferenz Ana Toni glaubt – so viele [2][wie nie
       zuvor]. Durch ihre unermüdlichen Proteste insbesondere am Samstag in Belém
       und auf dem Konferenzgelände haben sie sogar am Dienstag eine bahnbrechende
       Zusage zu zehn neuen indigenen Schutzgebieten bei der brasilianischen
       Regierung erreicht. Diese sollen sich über sieben Staaten erstrecken und
       Menschen von zahlreichen indigenen Gemeinschaften zugutekommen.
       
       Eine andere Wahrheit ist aber auch, dass 1.600 Lobbyist:innen an der
       COP30 teilnehmen. Damit ist auch die Dichte an fossilen Lobbyist:innen
       so hoch wie nie zuvor. Einer von 25 Konferenzteilnehmenden lobbyiert auf
       der COP für ein fossiles Unternehmen. Ein erheblicher Anteil unter ihnen
       hat über Party-Overflow-Pässe, sprich über Delegationen, Zugang zu den
       Verhandlungen.
       
       ## Fast 40 Prozent der Pläne fehlen
       
       Die Wirtschaftswissenschaftlerin Toni ist Nationalsekretärin für
       Klimawandel im brasilianischen Umweltministerium. Auf Social Media feierte
       sie zum Auftakt der COP die 106 nationalen Klimapläne (NDCs), die zu dem
       Zeitpunkt von Ländern eingereicht wurden. An Tag neun der COP ist die Zahl
       der eingereichten NDCs auf 118 geklettert, aber damit fehlen weiterhin 79,
       also fast 40 Prozent der insgesamt 197 erwarteten Pläne.
       
       Um dem [3][im Pariser Klimaabkommen] vereinbarten Ziel gerecht zu werden,
       die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssten globale Emissionen 2025
       ihren Höchststand erreichen [4][und bis 2030 um 42 Prozent reduziert
       werden]. Die aktuell eingereichten NDCs ermöglichen eine Reduktion der zu
       erwartenden Emissionen um gerade mal 3,4 Gigatonnen. Um eine Erwärmung von
       2 Grad zu erreichen, müssten die Länder auf der COP also eine Lücke von
       16,8 Gigatonnen CO₂-Äquivalenten schließen. Für das Einhalten von 1,5 Grad
       wären es 27,8 Gigatonnen.
       
       Dass das unrealistisch ist, sagte Brasiliens Präsident Lula selbst in
       seiner Eröffnungsrede der COP letzten Montag. Mit dem aktuellen Tempo der
       globalen Klimaschutzanstrengungen steuere man weiterhin auf einen globalen
       Temperaturanstieg jenseits der 1,5 Grad zu.
       
       Als die führenden Gesichter dieses Events – Ana Toni, André Corrêa do Lago
       und Lula da Silva – der COP den Beinamen COP der Wahrheit gaben, war das
       überambitioniert. Diese COP [5][enthält genauso viele Halbwahrheiten] und
       rhetorisch aufgehübschte Aussagen wie vermutlich jede davor. Toni, do Lago
       und Lula also nun zu unterstellen, besonders unehrlich zu sein, wäre sicher
       falsch. Aber sie hätten vermutlich wissen müssen, dass man sich mit diesen
       Worten angreifbar machen würde.
       
       19 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Brasiliens-linker-Staatschef/!6123660
 (DIR) [2] https://www.scientists4future.at/2025/11/11/cop30-bisher-groesste-beteiligung-von-indigenen/
 (DIR) [3] /Pariser-Abkommen/!t5301048
 (DIR) [4] https://files.wri.org/d8/s3fs-public/2025-05/climate-watch-ndc-tracker.pdf?VersionId=QRK6ZyX4NELquv52oK8bj2cVLxHrzJyU
 (DIR) [5] /Oelfoerderung-und-COP30-in-Brasilien/!6128396
       
       ## AUTOREN
       
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