# taz.de -- Neue Rollen auf dem UN-Klimagipfel: Große Erwartungen an China
       
       > Mit dem Ausstieg der USA forderten viele von China, endlich zum Vorreiter
       > auf dem UN-Klimagipfel zu werden. Peking sagt: Sind wir doch längst.
       
 (IMG) Bild: Ein Kleintransporter steckt nach starken Regenfällen auf einer überfluteten Straße in der irakischen Stadt Mosul fest
       
       Als Zeng Qin ein Frühwarnsystem für Extremwetter-Ereignisse vorstellt, sind
       fast alle Stühle im chinesischen Pavillon auf der UN-Klimakonferenz in
       Belém besetzt. Delegierte und Beobachter*innen stehen an den zwei
       Ausgängen, wo auf Tischen Panda-Anstecker und Xi-Jinping-Biografien
       angeboten werden, und lauschen Zeng, der für den chinesischen Wetterdienst
       arbeitet.
       
       Mazu – so heißt das Frühwarnsystem, benannt nach einer chinesischen
       Schutzpatronin für Seefahrer*innen – „steht auf vier Säulen: dem Teilen
       von Werkzeugen und Expertise sowie dem Aufbau von Kapazitäten in den
       Partnerländern und Stipendien“, sagt er. „Unser Ziel ist, dass jeder auf
       der Welt von Mazu beschützt wird.“
       
       Vom Teilen, von Stipendien und chinesischer Expertise ist oft die Rede in
       der dreistündigen Nebenveranstaltung zu Chinas Beitrag zur Klima-Anpassung.
       Wie Staaten sich gegen Wetterextreme wappnen können, [1][ist eines der
       zentralen Themen der diesjährigen Klimakonferenz].
       
       Die ärmsten Staaten setzen die EU unter Druck, mehr Geld zur Verfügung
       stellen zu wollen – als Industrieländer sind sie dazu völkerrechtlich
       verpflichtet. An China richten sie diese Forderung nicht. Es gilt in den
       Statuten der Klimakonferenz, die noch aus den 1990ern stammen, als
       Entwicklungsland.
       
       ## China legt ein irrwitizges Tempo hin
       
       China tritt auf Klimagipfeln üblicherweise bedächtig auf, schreitet vor
       allem dann ein, wenn Entscheidungen über die Köpfe der Entwicklungs- und
       Schwellenländer hinweg getroffen werden sollen. Aber mit der
       wirtschaftlichen Stärke des Landes wächst auch die Zahl derjenigen, die
       China in eine Vorreiter-Rolle drängen wollen – vom [2][UN-Generalsekretär]
       über [3][den Finanznachrichtendienst Bloomberg] bis zum
       [4][Wissenschaftsmagazin New Scientist].
       
       „Wir halten unsere Versprechen und erfüllen unsere Verpflichtungen“, sagte
       der chinesische Vize-Premierminister Ding Xuexiang zu Beginn der Konferenz.
       In den ersten neun Monaten des Jahres hat China Wind- und Solaranlagen mit
       einer Spitzenleistung von 300 Gigawatt gebaut, fast die Hälfte der
       insgesamt in Europa installierten Kapazität in weniger als einem Jahr.
       
       Behält die Volksrepublik dieses Tempo bei, wird es sein selbstgestecktes
       Klimaziel problemlos erreichen, bis 2035 sieben bis zehn Prozent weniger
       CO2 auszustoßen als zum Emissionsgipfel. Wann der ist, lässt Peking offen –
       aber wahrscheinlich [5][stagnieren oder fallen die chinesischen Emissionen
       seit anderthalb Jahren]. Um das 1,5-Grad-Ziel noch einzuhalten, müsste
       China bis 2035 30 Prozent weniger CO2 ausstoßen, [6][wie eine Analyse des
       Centre for Research on Energy and Clean Air zeigt].
       
       „Sie wollen den heimischen Klimaschutz fortführen, da sehen sie ihren
       Beitrag“, sagt Yao Zhe, China-Expertin von Greenpeace. „Eine
       Vorreiter-Rolle kommt aus ihrer Sicht aus ihrer wirtschaftlichen und
       industriellen Stärke, und indem sie den Preis von Klima-Lösungen senken.“
       Chinas Klimaschutz-Anstrengungen seien vom wirtschaftlichen Potenzial
       getrieben, keiner moralischen Überzeugung.
       
       ## Peking sieht sich als Hüter des Multilateralismus
       
       Mit Klimaschutz zu Hause ist es jedenfalls nicht getan, findet zumindest
       Brasiliens Präsident Lula. Vor der Konferenz forderte er den chinesischen
       Vize Ding dazu auf, mehr Geld für Klimaschutz und -Anpassung im Globalen
       Süden zur Verfügung zu stellen.
       
       Auch Kira Vinke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sagt:
       „China müsste allein deswegen in die Klimatöpfe einzahlen, weil sie es
       können, und weil sie mit ihren Emissionen extremen Schaden anrichten.“ Zwar
       finanziere China schon Klimaschutzprojekte in anderen Ländern, „aber sie
       beharren darauf, dass das ohne Überprüfung und bilateral geschieht.“
       
       Gleichzeitig sieht Peking sich als Hüter des Multilateralismus. „China hat
       das Pariser Abkommen maßgeblich vorangetrieben“, sagt Kate Logan,
       China-Expertin bei der US-amerikanischen Asia Society. „Sie haben ein
       starkes Interesse daran, die multilaterale Architektur aufrechtzuerhalten.“
       Aber eine Vorreiter-Rolle sei für China „tricky“. Die Volksrepublik
       bezeichne sich als „Entwicklungsland und Großmacht“, Ehrgeiz beim
       Klimaschutz müsse aus der Sicht Pekings von den traditionellen
       Industriestaaten kommen.
       
       Dazu kommt: China sei weiterhin ein „fossiler Staat“, sagt Logan. Die
       Volksrepublik stößt jährlich mehr CO₂ aus als jedes andere Land. Nur die
       USA und die EU-Länder haben mit ihrem Treibhausgas-Ausstoß seit der
       Industrialisierung mehr zur Erderhitzung beigetragen. Rekorde stellt das
       Land nicht nur bei Erneuerbaren, sondern auch beim Bau neuer
       Kohlekraftwerke auf. China – ein Land ohne nennenswerte Öl- und
       Gas-Vorkommen, aber mit reichlich Kohle – müsse „noch herausfinden, wie es
       mit seinen Kohleressourcen umgeht.“
       
       ## Grüne Exporte nehmen gigantische Ausmaße an
       
       Trotzdem habe sich die chinesische Haltung etwas verschoben, sagt Logan.
       Während vor zwei Jahren die grünen Unternehmen des Landes vor allem die
       heimischen Emissionen in den Griff bekommen sollten, „werden sie inzwischen
       dargestellt als Unterstützung für die ganze Welt“.
       
       Das Frühwarnsystem Mazu übernimmt diese Rolle bei den Diskussionen um
       Anpassung: China teilt seine Technologie mit dem Globalen Süden, um Stürme
       und Überschwemmungen vorherzusagen. Warum soll es da noch Milliarden in
       Klimatöpfe einzahlen?
       
       Tatsächlich nehmen chinesische Exporte grüner Technologien gigantische
       Ausmaße an: Investitionsversprechen grüner chinesischer Unternehmen im
       Ausland [7][belaufen sich auf 227 Milliarden US-Dollar].
       
       2024 haben die Ausfuhren von Solarpaneelen, Batterien und E-Autos [8][einer
       Analyse zufolge] weltweit zu CO₂-Einsparungen von 220 Millionen Tonnen CO₂
       geführt, über die gesamte Lebensdauer der Produkte könnten es vier
       Milliarden Tonnen sein. Zum Vergleich: Deutschland stieß 2024 [9][knapp 650
       Millionen Tonnen aus].
       
       ## Beim Handel kommt es zum Konflikt mit der EU
       
       „Chinas Hauptziel ist es, den Handel mit grünen Produkten zu
       liberalisieren“, sagt Logan. Peking wolle sicherstellen, dass Chinas
       Wirtschaft sich auf die grünen Unternehmen verlassen kann. „Der Wettbewerb
       auf dem chinesischen Markt ist hart. Die Unternehmen sind abhängig davon,
       exportieren zu können.“
       
       An dieser Stelle kommt China immer wieder in Konflikt mit der EU,
       eigentlich einem natürlichen Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel.
       Gerade die Einfuhrbeschränkungen für chinesische E-Autos haben in Peking
       für Frustration gesorgt.
       
       „Chinesische E-Autos, ein Zeichen von Chinas Fortschritt in grünen
       Industrien, stellen eine positive Kraft in der Energiewende dar“, schrieb
       zu Beginn des Klimagipfels ein anonymer Kommentator [10][im Staatsmedium
       Global Times]. „So lang einige im Westen dieser Kraft mit Skepsis begegnen,
       ist der Weg zu weit verbreiteten und billigen grünen Technologien
       versperrt.“
       
       Auf dem Gipfel in Belém kritisieren China und andere Entwicklungsländer die
       EU für den sogenannten CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM, der ab 2026
       einige CO₂-intensive Einfuhren wie Aluminium und Stahl verteuern soll. Nur
       geschicktes diplomatisches Vorgehen der brasilianischen Konferenzleitung
       konnte einen Streit um die Tagesordnung verhindern, der bereits
       Vorverhandlungen im Sommer um zwei Tage verzögert hatte.
       
       „Handel ist kompliziert“, sagt Yao Zhe von Greenpeace. „Aus chinesischer
       Perspektive ist es drängend, weil sie Exporte als ihren Beitrag zum
       Klimaschutz ansehen.“ Europa dagegen fürchtet, billige chinesische E-Autos
       würden die heimische Auto-Industrie zerstören.
       
       ## Die EU und China sind aufeinander angewiesen
       
       Das Problem für beide Seiten ist: Sie wollen angesichts einer aggressiv
       fossilen US-Politik beweisen, dass die globale Klimaschutz-Architektur noch
       funktioniert. Das bedeutet, dass sie auch beim Handel zu einem Kompromiss
       finden müssen.
       
       Die EU hat bisher alle Versuche abgeblockt, CBAM im Abschlusstext zu
       kritisieren. Gleichzeitig treibt sie [11][als Teil einer wachsenden
       Koalition von Ländern] einen Beschluss zu einem Ausstiegsfahrplan für Öl,
       Gas und Kohle voran. Dafür braucht sie auch Chinas Unterstützung. Die
       Volksrepublik aber bleibt ihrem Gipfel-Mantra treu: Sie hält sich bedeckt.
       
       20 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /UN-Klimakonferenz-in-Brasilien-startet/!6127895
 (DIR) [2] https://www.politico.eu/article/china-lead-global-climate-fight-un-climate-chief-simon-stiell-cop-azerbaijan-clean-energy/
 (DIR) [3] https://www.bloomberg.com/opinion/articles/2025-03-18/china-can-prove-climate-leadership-with-new-paris-accord-targets?sref=Oz9Q3OZU
 (DIR) [4] https://www.newscientist.com/article/mg26635441-800-why-the-climate-crown-is-ready-for-china-to-take-if-it-wants-to/
 (DIR) [5] https://www.carbonbrief.org/analysis-chinas-co2-emissions-have-now-been-flat-or-falling-for-18-months/
 (DIR) [6] https://energyandcleanair.org/publication/chinas-clean-energy-trends-could-cut-emissions-by-30-in-2035-if-sustained/
 (DIR) [7] https://www.netzeropolicylab.com/china-green-leap
 (DIR) [8] https://www.carbonbrief.org/analysis-chinas-clean-energy-exports-in-2024-alone-will-cut-overseas-co2-by-1/
 (DIR) [9] https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgas-emissionen-in-deutschland#emissionsentwicklung
 (DIR) [10] https://www.globaltimes.cn/page/202511/1347968.shtml
 (DIR) [11] /Ueberraschung-auf-Klimagipfel/!6130995
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Waack
       
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