# taz.de -- Trockenheit in Iran: Nicht vom Himmel gefallen
> Iran erlebt eine Dürrekrise. In Teheran fiel im Herbst dieses Jahr nur
> ein Millimeter Regen. Das Land leidet unter schlechtem Wassermanagement.
(IMG) Bild: Von hier wird Teheran mit Trinkwasser versorgt: der ausgetrocknete Stausee an der Amir-Kabir-Talsperre im November 2025
„Wir haben das Land kaputtregiert“, sagte [1][Irans Präsident Massud
Peseschkian] am Dienstag vergangene Woche im Teheraner Parlament. „Ein
verhungerndes, verdurstendes Volk zu beherrschen, ist keine Ehre.“ Von
außen mögen diese Worte überraschen. Damit zeigt er: Er teile die
allgemeine Stimmung im Land, kennt die Probleme und versuche, etwas zu
ändern.
Solche Klagen gehören seit jeher zum Repertoire iranischer Präsidenten,
besonders wenn gemäßigte Kräfte regieren. Dazu zählt auch die regelmäßige
Beschwerde über „mächtige Kreise“ und „nicht gewählte Institutionen“, die
ihm Steine in den Weg legen. Vor allem aber ist die Krise, die den
Präsidenten derzeit zu solchen Aussagen treibt, real.
Iran leidet unter der schwersten Dürre seit 50 Jahren. Sadegh Ziaeian,
Leiter des nationalen Zentrums für Wettervorhersage, erklärte Mitte
Oktober, die Niederschläge seien seit Jahresbeginn landesweit um 86 Prozent
und in Teheran sogar um 96 Prozent zurückgegangen. In der Hauptstadt fiel
nur ein Millimeter Regen – ein Phänomen, das es im letzten Jahrhundert
nicht gab. Zwischen 1991 und 2020 lag der durchschnittliche
Jahresniederschlag bei 220 Millimetern.
„Wir müssen Teheran evakuieren, wenn es in diesem Herbst nicht regnen
sollte“, sagte Präsident Peseschkian bereits Anfang Oktober. Seitdem hat es
nicht geregnet und die Meteorologen machen wenig Hoffnung auf Besserung. In
der Stadt wird das Wasser zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens
abgestellt. Tagsüber droht eine Rationierung, die in einigen Stadtteilen
bereits umgesetzt wird.
## Auch der Rest des Landes sitzt auf dem Trockenen
Wie genau sich Peseschkian eine Evakuierung vorstellt, bleibt unklar. Zumal
das Problem sich ja nicht nur auf Teheran begrenzt. Hashem Amini,
Geschäftsführer des staatlichen Wasser- und Abwasserunternehmens,
berichtete der Zeitung Etemad, die Wasservorräte der fünf Stauseen, die
Teheran versorgen, seien auf den niedrigsten Stand der letzten 60 Jahre
gesunken. Einige Stauseen enthalten nur noch wenige Prozent Wasser. In
sozialen Netzwerken kursieren Bilder von Touristen, die durch
ausgetrocknete Stauseen spazieren. Andere berichten von Leichen, die im
Karaj-Stausee aufgetaucht seien. Die Justiz droht diesen
„Gerüchteverbreitern“ mit harten Strafen.
Auch die Lage im Süden Irans ist katastrophal: In den Provinzen Buschehr,
Fars und Hormozgan hat es kaum geregnet. Neun große Seen und Feuchtgebiete,
darunter Urmia, Bachtegan und Gavkhouni, sind im vergangenen Sommer
vollständig oder teilweise ausgetrocknet.
Neben der Trockenheit verschärft eine jahrzehntelange Übernutzung der
Wasserressourcen die Krise. Experten warnten immer wieder vor den
nationalen Sicherheitsrisiken. Gehe es so weiter, sei die Existenz des
Landes als Heimat der Nation gefährdet. So dramatisch das klingt, so nah
ist es an der Realität.
Die Politik hat diese Umweltzerstörung maßgeblich vorangetrieben. Seit der
Gründung der Islamischen Republik stieg die Zahl der Grundwasserbrunnen
unkontrolliert. Man baute Staudämme an jedem Fluss, um die Landwirtschaft
zu fördern und Autarkie zu erreichen. Die Machthaber wussten, dass ihre
konfrontative Außen- und Atompolitik internationale Sanktionen nach sich
ziehen würde. Heute ist Iran das am meisten sanktionierte Land der Welt.
## Wissenschaftler spricht von „Wasserinsolvenz“
[2][Kaveh Madani], Leiter des Instituts für Wasser und Gesundheit der
Universität der Vereinten Nationen in Tokio, prägte für den Zustand Irans
den Begriff „Wasserinsolvenz“. Wer sein „Girokonto“ (Oberflächenwasser)
leert und seine „Ersparnisse“ (Grundwasser) aufbraucht, bleibt mit
Gläubigern (Verbrauchern) zurück, deren Forderungen er nicht mehr erfüllen
kann. So beschrieb Madani 2021 den Zustand des Landes. Heute, vier Jahre
später, hat sich die Krise zu einer Megakatastrophe ausgeweitet.
Der 44-jährige Umweltexperte, international ausgezeichnet und an westlichen
Universitäten ausgebildet, wurde 2017 zum Vizeumweltminister ernannt. Mit
seiner Hilfe wollte man die akuten Wasserprobleme lösen, die damals schon
offensichtlich waren. Madani trat das Amt mit Elan an, bereiste das Land
und präsentierte auf Konferenzen seine Pläne.
Doch der Aufbruch währte nur Wochen. Der Geheimdienst der Revolutionsgarden
verhaftete Madani und andere Umweltschützer wegen angeblicher Spionage.
Während einer kurzen Freiheitspause zwischen Vernehmungsterminen floh er
ins Ausland. Seine Mitstreiter sitzen bis heute im Gefängnis.
Vier Jahre später, [3][als tödliche Proteste in der Provinz Chuzestan wegen
der Wasserverteilung] die internationale Presse erreichten, schrieb Madani
im Guardian: „Irans Machthaber sind Hauptverantwortliche der Wasserkrise.“
In dem Beitrag zählte er eine lange Liste hausgemachter Katastrophen auf:
„Austrocknende Flüsse, verschwindende Seen, schrumpfende Feuchtgebiete,
sinkende Grundwasserspiegel, Bodensenkungen, Erdfälle, Wüstenbildung,
Bodenerosion, Staubstürme sowie Luft-, Wasser- und Abfallverschmutzung,
Verlust der biologischen Vielfalt, Entwaldung und Waldbrände.“ All das sei
die logische Folge jahrzehntelanger Misswirtschaft. Als Forscher wünschte
er sich noch nie so sehr, „dass all meine Prognosen falsch gewesen wären“,
schrieb der Wissenschaftler.
Am Beispiel des Urmiasees in der Provinz Aserbaidschan wird das Ausmaß der
Katastrophe deutlich. Einst ein mächtiges Gewässer, schrumpfte er zu einer
Salzwüste. Vor 30 Jahren bedeckte er 4.800 Quadratkilometer – neunmal so
viel wie der Bodensee. Heute bedroht die Austrocknung die Existenz von 15
Millionen Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen. Aserbaidschan war
einst die Kornkammer Irans.
Doch statt Lösungen zu suchen, raten etwa schiitische Geistliche aus der
Stadt Ghom zu mehr Regengebeten – und weniger Kopftuchlosigkeit.
18 Nov 2025
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## AUTOREN
(DIR) Ali Sadrzadeh
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