# taz.de -- Barbara Yelins Buch über Therese Giese: Und Therese spielt …
> In einer Graphic-Novel-Biografie erzählt Barbara Yelin vom bewegten Leben
> der Brecht-Schauspiel-Ikone Therese Giehse.
(IMG) Bild: Therese Giehse gezeichnet nach Barbara Yelin
Geradezu gierig scheint sie die Suppe in sich hineinzuschlingen, mit
zurückgebeugtem Kopf und beinahe geschlossenen Augen der Nahrungsaufnahme
hingegeben. Die rechte Hand umfasst mit festem Klammergriff den Löffel, die
Linke hält den Teller halb in die Höhe, gleichermaßen besitzergreifend wie
die Entfernung der Suppe zum Mund verkürzend.
Es ist wohl ein Szenenbild aus Maxim Gorkis Drama „Wassa Schelesnowa“, das
Barbara Yelin als Titelabbildung für ihre Therese-Giehse-Biografie gewählt
hat. Therese Giehse (1898–1975), so erfährt man in der Graphic Novel, aß in
dieser Szene aus einem leeren Teller – und das so unglaublich überzeugend,
dass sie einer jungen Kollegin, die gerade an der Schauspielerei
verzweifelte, wieder Lust machte, ihren Beruf „neu zu erlernen“.
Am 3. März dieses Jahres war der 50. Todestag der Frau, von der Bertolt
Brecht einmal sagte, er halte sie für „die größte europäische
Schauspielerin“. Ein paar Jahre lang, 1949 bis 1952, war Therese Giehse
festes Mitglied an Brechts Berliner Ensemble. Zur Ikone wurde sie mit jenem
Brecht-Stück, in dessen Uraufführung am Züricher Schauspielhaus sie 1941
die Titelrolle verkörperte: „Mutter Courage und ihre Kinder“.
Da lebte sie schon acht Jahre im Schweizer Exil und war 43 Jahre alt, also
in realistischem Mutteralter. Doch sowieso habe sie „von Anfang an nur alte
Rollen gespielt“, sagte sie einmal im Interview.
## Mit Erika und Klaus Mann im politischen Kabarett
In ihren Zwanzigern war sie Ensemblemitglied an den Münchner Kammerspielen,
und „die erste Rolle, die ich gespielt habe, war 60 Jahre alt“. Den
Kammerspielen blieb Therese Giehse ihr Leben hindurch treu, auch wenn lange
Jahre der Emigration auf ihren Münchner Karrierebeginn folgten. Giehse war
Jüdin und zudem Mitglied der Pfeffermühle, des linken politischen
Kabaretts, das sie gemeinsam mit Erika und Klaus Mann betrieb.
Die für [1][herausragende Werke wie „Emmie Arbel“] vielfach ausgezeichnte
Graphic-Novel-Autorin Barbara Yelin hat sich für ihr neues Buchprojekt
wieder durch jede Menge Material gewühlt (und sich selbst auch in einer
Zeichnung dargestellt, vergraben unter einem großen Haufen Papier). Über
Giehse wurde viel publiziert, sie gab Interviews, doch erklärte sie einmal
kategorisch: „Aber über mich red ich nicht.“ Dieses Zitat ist Yelins Buch
vorangestellt.
Yelin akzeptiert das Bedürfnis der von ihr Porträtierten nach Privatheit
denn auch weitgehend. Während Erika Mann oft umstandslos als
„Lebensgefährtin“ der Schauspielerin gilt, lässt Yelins Version der
Geschichte offen, welcher Art die enge Freundschaft der beiden Frauen genau
war.
## Lesbische Beziehungen
Dasselbe gilt für die Beziehung zwischen Therese Giehse und Marianne Hoppe,
die sich nach dem Krieg kennenlernten. Giehse war lesbisch. Während des
Kriegs heiratete sie den schwulen englischen Autor John Hampson, um an
einen britischen Pass zu kommen.
Barbara Yelin hat dieses Mal eine relativ einfache Struktur gewählt, um
über die Zeichnungen auf übersichtliche Weise mehrere Erzählebenen zu
verknüpfen. Zwei schmale Textbänder umrahmen verschiedenfarbig die Bilder;
hier sprechen eine neutrale Erzählstimme und eine weitere, die Therese
Giehse selbst gehört und aus Originalzitaten besteht, die verschiedenen
Interviews entnommen sind.
Yelins aquarellierte Zeichnungen sind in gedeckten Farben gehalten, wirken
hier und da wie farbig nachkoloriert, oft in sparsam verteiltem Rot oder
Blau. Die dargestellten Personen sind meist nur in Umrissen und aus einiger
Entfernung ganz weich dargestellt – nur das Giehse-Gesicht kommt immer
wieder groß ins Bild –, sodass die Bildebene insgesamt etwas leicht
Entrücktes darstellt, eine Ahnung von „Es war einmal“, dessen Verlauf man
dennoch gebannt folgt.
## Sie hat ihr Leben lang gespielt
Aber so bewegt das Leben Therese Giehses auch war, so sehr es durch die
politische Dramatik der Zeitgeschichte mitbestimmt wurde, blieb doch eines
konstant: Sie hörte nie auf zu spielen.
„Therese spielt“ steht immer wieder unter Szenen, die ihre Gestalt auf der
Bühne zeigen. Sie durchziehen leitmotivisch das Buch, das dieses
Künstlerinnenleben auf prägnante und fesselnde Art in eine überschaubare
Form gebracht hat. Um nicht zu vergessen, dass es solche wie „die Giehse“
einst gegeben hat.
29 Nov 2025
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## AUTOREN
(DIR) Katharina Granzin
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