# taz.de -- Nazicodes auf Fußballtrikots: Gefährliche Desensibilisierung
       
       > Im Berliner Amateurfußball findet die Mehrheit Nazicodes auf Trikots
       > okay. Man könne sie ja auch anders lesen.
       
 (IMG) Bild: An der DFB-Spitze klappt es besser mit klaren Zeichen: Keinen Platz für Rassismus fordert Präsident Bernd Neuendorf
       
       Manche Ereignisse geschehen zu den unpassendsten Momenten. Anfang
       vergangener Woche hatte der Deutsche Fußball-Bund zu einer Veranstaltung
       nach Berlin eingeladen, auf der [1][die aus eigener Sicht tollen Ergebnisse
       eines „Projekts zur wirksamen und nachhaltigen Anti-Rassismus-Arbeit im
       deutschen Amateurfußball“ vorgestellt wurden.] Entstanden war dies auch in
       Zusammenarbeit mit dem jüdischen Sportverband Makkabi in Deutschland. Etwas
       sperrig hieß es in einer DFB-Pressemitteilung, es wurden in einer
       Pilotphase „75 Maßnahmen umgesetzt, die Vereine im Umgang mit Rassismus
       sensibilisiert und gestärkt haben“.
       
       Und just am Rande dieser Veranstaltung musste Bernd Schultz, der Präsident
       des Berliner Fußballverbandes, erklären, warum zwei Tage zuvor das Vorhaben
       seines Präsidiums, ein klares Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen, an
       der Mehrheit der Vereinsvertreter in seinem Landesverband scheiterte. Mit
       52:48 Stimmen wurde der Antrag abgelehnt, die Trikotnummer 88 nicht mehr zu
       vergeben. Eine Zahl, welche Neonazis als Erkennungscode dient und für „Heil
       Hitler“ steht. Das H ist der achte Buchstabe im Alphabet.
       
       Der älteste Fußballverein Deutschlands, [2][die B.F.C. Germania 1888,]
       hatte unter den Berliner Klubs erfolgreiche Lobbyarbeit betrieben, um den
       Präsidiumsantrag abzuschmettern.
       
       Einige Spieler würden sich aus Gründen der Identifikation mit dem Verein
       diese Nummer wünschen. Letztlich zählten die Bedürfnisse der Germania –
       genauer: die einzelnen Spieler – mehr als die Sorgen vor Rechtsextremismus
       und Antisemitismus. Bereits vier Jahre zuvor wurde ein solcher
       Verbotsantrag verhindert.
       
       ## Bündnis der Geschichtsvergessenheit
       
       Andere Berliner Vereine sprangen der Germania auch dieses Mal aus erklärtem
       Eigeninteresse zur Seite. Die 88 könne doch ebenso für das Alter des Opas
       oder für eine geliebte Hausnummer stehen, wurde Berichten zufolge
       argumentiert. Ein Verzicht darauf, um ein Zeichen gegen Antisemitismus zu
       setzen, schien ihnen offenkundig zu viel verlangt.
       
       Die Vorgänge im Berliner Amateurfußball weisen auf die zunehmende
       gesellschaftliche Desensibilisierung in Fragen von Antisemitismus bei
       steigender rechtsextremer Gewalt hin, die sich nun eben im Fußball
       bemerkbar machen. In der Fußballfamilie werden solche Befunde gern als
       Freibrief fürs Nichtstun verstanden. Das Gegenteil ist erforderlich.
       
       [3][Die Germania 1888 hätte gute Gründe, sich besonders dafür zu
       engagieren.] Im Jahr 1938 rühmte man sich in einer Jubiläumsschrift, als
       erster deutscher Verein alle jüdischen Mitglieder ausgeschlossen zu haben.
       Jetzt geht der Verein voran, um das Ausschließen eines Nazicodes zu
       verhindern und ein Bündnis der Geschichtsvergessenheit zu schmieden.
       
       Im deutschen Profifußball sind ohnehin nur die Nummern 1 bis 49 zulässig.
       In etlichen Landesverbänden wie Bayern, Sachsen-Anhalt oder Niedersachsen
       ist die Trikotnummer 88 im Amateurfußball bereits verboten. Die
       unterschiedlichen Signale, die von den Landesverbänden in dieser
       Angelegenheit ausgehen, wirken unglücklich. Sinnvoll wäre eine einheitliche
       Regelung, die der Deutsche Fußball-Bund vorgibt.
       
       In Italien wurde bereits im Sommer 2023 die Trikotnummer 88 für alle
       Fußballvereine verboten. Antisemitismus müsse entschieden bekämpft werden,
       erklärte damals unisono die italienische Regierung und der nationale
       Fußballverband. Beim Derby im März desselben Jahres zwischen Lazio Rom und
       AS Rom löste ein Fan die Debatte aus, der ein Trikot mit der Aufschrift
       „Hitlerson“ und der Nummer 88 trug. Wie sich dann später herausstellte, war
       es ein Deutscher.
       
       28 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.dfb.de/news/projekt-gegen-rassismus-im-amateurfussball-dfb-zieht-positive-bilanz
 (DIR) [2] https://www.bfcgermania88.de/
 (DIR) [3] /Berliner-Fussball-Clubs-in-der-NS-Zeit/!6011207
       
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