# taz.de -- Rechtsextreme im Provinzfußball: Schwer auszuhalten
> Der Landessportbund in Sachsen-Anhalt schließt den rechts unterwanderten
> Verein Eintracht Gladau nicht aus. Darüber zu sprechen, fällt allen
> schwer.
(IMG) Bild: Rechte Fußballlandschaft: Hier spielte der FC Ostelbien Dornburg, der 2015 noch vom LSB ausgeschlossen wurde
Das Foto wirkt wie eine Machtdemonstration. Sieben Männer posieren in einem
Raum mit grauer Betondecke vor der Kamera. Mehrheitlich tragen sie schwarze
Sportklamotten und haben die Fäuste geballt. Dennis Wesemann, der Größte
von allen, ein bekannter Neonazi im Jerichower Land nahe Magdeburg, ist
natürlich auch dabei. „Erstes Training unter professioneller Anleitung“
steht darunter. Es ist ein Post von der DSG Eintracht Gladau auf deren
öffentlichem Telegram-Kanal anlässlich des Starts einer eigenen
Kampfsportabteilung. Passend wäre auch die Bildunterzeile „Uns kann keiner
etwas verbieten“ gewesen.
Entstanden ist dieses Foto im Januar, als der Landessportbund
Sachsen-Anhalt sich noch mitten in der Prüfphase befand, ob er den von
Rechtsextremen unterwanderten Verein ausschließen soll. Knapp zwei Jahre
dauerte das Verfahren. Wegen sorgfältiger Prüfung aller Aspekte, wie es in
der Pressemitteilung vom 8. Oktober hieß, in welcher der LSB die
Einstellung des Ausschlussverfahrens gegen Eintracht Gladau kundtat.
Grundlage dafür war eine Verpflichtungserklärung, die der Klub
unterschrieb. Der Verein erhalte nun die Chance, erklärte LSB-Präsidentin
Silke Renk-Lange, „Verantwortung zu übernehmen und dauerhaft für die Werte
unserer Sportfamilie in Sachsen-Anhalt einzustehen“.
Wie Eintracht Gladau zum extremistischen Klub wurde, sollte dem LSB nicht
unbekannt sein. [1][Es begann im Jahr 2016 mit der Aufnahme von Dennis
Wesemann,] einem bekannten Netzwerker in der lokalen Neonaziszene, der
schon 2011 mit dem FC Ostelbien Dornburg einen Verein aus Nazikickern
schuf, die mehrheitlich dem Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt bekannt
waren.
Als erster Klub im deutschen Fußball wurde Dornburg vom LSB 2015
ausgeschlossen, [2][weil sie in ihrer Liga Angst und Schrecken
verbreiteten.] Wesemann, der seinen Lebensunterhalt mit dem Vertrieb von
gewaltverherrlichender Kleidung verdient, einst Mitglied in der
rechtsextremen Magdeburger Hooliganvereinigung „Blue White Street Elite“
war, mehrfach wegen Körperverletzung angezeigt wurde, wechselte nach
Gladau. Einige Dornburger Spieler folgten ihm.
## Machtstellung ausgebaut
Über die Jahre baute Wesemann, 38, seine Machtstellung im Verein aus. Sein
Cousin Max Kuckuck wurde Vereinsvorsitzender, der missliebige Vorstand
abgewählt. Der Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA) zählte in einem extra
erstellten Reader zur Causa Eintracht Gladau 27 Rechtsextreme im Verein und
dokumentierte ein Klima der Angst, gehäufte körperliche und verbale Gewalt
gegenüber Spielern, Schiedsrichtern und Zuschauern.
Auch von Hitlergrüßen Gladauer Fans bei einem Spiel wird erzählt.
FSA-Präsident Holger Stahlknecht nahm all diese Berichte zum Anlass, [3][im
November 2023 Gladau vom Spielbetrieb auszuschließen.] Der Landessportbund
lobte damals auf seiner Homepage: „Der Fußballverband Sachsen-Anhalt setzt
ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus.“ Und ergänzte: „Der LSB
unterstützt diese klare Positionierung des FSA.“
Als aber nach Einspruch von Eintracht Gladau das FSA-Verbandsgericht
[4][die Entscheidung seines Präsidenten mit der Begründung zurücknahm,] die
Gesinnung Einzelner, sofern sie sich nicht im Rahmen des Fußballverbandes
äußere, reiche nicht für einen Ausschluss aus, wurde es auch beim LSB
leise.
Bei der Verkündung des Verbotsbeschlusses waren Stahlknecht und Renk-Lange
noch gemeinsam im Stadion des Fußballzweitligisten 1. FC Magdeburg im
Pressekonferenzraum aufgetreten. Es waren Bilder, die Geschlossenheit und
Entschlossenheit zeigten. Die nun aktuelle Entscheidung, Gladau in der
eigenen Sportgemeinde zu belassen, kommunizierte der LSB vor wenigen Wochen
dagegen kleinlaut über eine Pressemitteilung.
## Rechtsextremismus normalisiert
Der taz wollte der Verband dazu „aus terminlichen Gründen“ erst nur
schriftliche Fragen beantworten. Nach dem Beharren auf einem Gespräch
erklärte der LSB, dies müsse – wiederum aus Termingründen – auf 15 Minuten
begrenzt bleiben, um es dann immerhin etwas großzügiger handzuhaben.
Der Fußballverband Sachsen-Anhalt sagte der taz Gespräche zu, die über
mehrere Tage nicht zustande kamen, um dann am Donnerstag generell
mitzuteilen: „Nach der heutigen Rücksprache mit dem Vorstand möchte sich
kein Vertreter äußern.“
[5][Seit nun fast 15 Jahren ist Dennis Wesemann mit seinem Netzwerk
unermüdlich dabei, Rechtsextremismus in seinem Sportumfeld von
Sachsen-Anhalt zu normalisieren.] Umso müder wirken immer mehr die Versuche
des organisierten Sports, dem zu begegnen.
## Freiwillige Schulung
Das freiwillige Schulungsangebot zu „demokratischen Werten im Sport“, das
der LSB nun Eintracht Gladau unterbreitet hat, löst etwa bei Konkurrenten
des Vereins in der Kreisoberliga Jerichower Land allenfalls verbitterte
Heiterkeit aus. Als „lächerlich“ haben zwei Klubtrainer das Angebot
gegenüber der Lokalzeitung Volksstimme bezeichnet.
Darauf angesprochen sagt LSB-Präsidentin Renk-Lange, die 1992
Olympiasiegerin im Speerwerfen wurde, der taz: „Das fände ich traurig, wenn
das so wäre.“ Das Beratungsangebot sei nicht nur dafür gedacht, „sich mit
demokratischen Werten zu beschäftigen, sondern sich auch damit
auseinanderzusetzen, wie man einen Verein gut und zukunftsorientiert
führt.“ Bislang, räumt der LSB ein, habe Eintracht Gladau noch kein
Interesse an der Schulung angemeldet.
Auf den Hinweis, Wesemann hätte bereits mehrere Chancen erhalten, sein
Verhalten zu ändern, sagt Renk-Lange: „Das Verfahren lief nicht gegen eine
Person. Wir bewegen uns im Vereinsrecht.“ Dem LSB sei klar, dass
Rechtsextremisten nach einem Vereinsverbot wieder anderswo auftauchen
würden. Anders gesagt: Mit jedem neuen Verein gibt es für Fußballer wie
Dennis Wesemann immer wieder eine neue Chance.
Ein Trainer aus dem Jerichower Land erzählte der Volksstimme jüngst, die
Jungs von Gladau hätten immer zugeschlagen und zugetreten, wenn es ihnen in
den Kram gepasst hätte. „Das haben wir vor Jahren auch schon mal zu spüren
bekommen, als sie noch Dornburger waren.“
## Erstaunliche Wissenslücken
Von der Eröffnung einer Kampfsportabteilung bei Eintracht Gladau, sagt
Renk-Lange, habe man erst erfahren, als die Entscheidung schon getroffen
gewesen sei – also zehn Monate später. Aber man werde das beobachten. „Per
se können wir dem Verein nichts unterstellen. Es ist sein Recht, eine
solche Abteilung zu eröffnen.“
Erstaunlich ist angesichts der knapp zwei Jahre dauernden Überprüfung, was
man beim LSB nicht weiß. Dass Wesemann und etliche seiner kickenden
Kameraden vom Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt seit Jahren beobachtet
wurden, räumt Renk-Lange ein, habe sie nicht gewusst. Dabei war dies in
etlichen Medien, auch in der taz, zu lesen.
Dass ein Mitspieler von Dennis Wesemann gerade vor dem Amtsgericht Burg
wegen rechtsgerichteter Straftaten zu einer Gesamtgeldstrafe von 90
Tagessätzen verurteilt wurde, ist dem LSB über seine Netzwerke nicht
zugetragen worden. Ein Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus von
der Beratungsstelle Miteinander e. V. bestätigte gegenüber der taz, es habe
sich um politisch motivierte Straftaten gehandelt. Noch ist dieses Urteil
nichts rechtskräftig.
Silke Renk-Lange erklärt etwas spitz, in den Spielberichten sei nichts
davon zu lesen gewesen. Auf dem Platz hat sich der Verein zuletzt nichts
zuschulden kommen lassen. Sie stellt klar: „Der organisierte Sport kann
kein Sittenwächter sein, ob demokratische Werte in Deutschland auch
außerhalb des Sports gelebt werden. Das müssen Gerichte klären. Natürlich
gibt es bei Eintracht Gladau eine politische Haltung, die wir nicht gut
finden. Wenn sich der Verein aber im Regelrahmen des Vereinsrechts bewegt,
müssen wir als organisierter Sport lernen, das auszuhalten.“
## Leibwächter für rechte Influencerin
Es stellt sich nur die Frage, ob so leicht zu unterscheiden ist, was den
Sport zu interessieren hat und was nicht. Als der FSA-Präsident Stahlknecht
von seinem eigenen Verbandsgericht in Sachen Gladau ausgebremst wurde,
wendete er damals ein: Privates und Öffentliches sei nicht so einfach zu
trennen, schon gar nicht bei Personen in verantwortungsvollen
Vereinspositionen.
Der jüngste Auftritt von Dennis Wesemann veranschaulicht das vielleicht
ganz gut. Vergangenes Wochenende war er als Leibwächter für die extrem
rechte Influencerin Michelle Gollan unterwegs. Mit dabei war nach
Erkenntnissen von Miteinander e. V. zudem dessen Bruder Paul Wesemann, der
ebenfalls zur Kampfsportgruppe von Eintracht Gladau zählt. Das auch mit
LSB-Geldern unterstützte Kampfsporttraining im Verein ist also auch für
solche Einsätze dienlich.
Gollans Geschäftsmodell beruht darauf, sich in linke Demonstrationszüge zu
begeben, um Protestierende bloßzustellen. In Halle mischte sie sich
[6][anlässlich der rechten Buchmesse] mit den Wesemann-Brüdern unter die
linken Gegendemonstranten. Es kam zu einem kleinen Tumult.
Der grüne Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel filmte das, was Dennis
Wesemann gar nicht gefiel. Eine Internetaufnahme zeigt nur bruchstückhaft,
wie Wesemann Striegel körperlich bedrängt und Letzterer kurzzeitig den
Oberkörper beugt. Striegel sagt der taz: „Ich habe einen Schlag gegen die
Brust gespürt.“ Eine Anzeige habe er erstattet. Wesemann hat wiederum
Anzeige wegen Verleumdung erstattet.
## Platzhirsch
Was die Szene unverkennbar deutlich macht: Selbst unter linken
Demonstranten tritt Dennis Wesemann wie ein Platzhirsch auf und macht klar,
dass die Dinge nach seinen Regeln zu laufen haben. LSB-Präsidentin Silke
Renk-Lange will sich nicht zu dem Vorfall äußern. Sie könne nichts dazu
sagen, weil sie nicht wisse, was passiert sei.
Die Beschäftigung des Landessportbunds mit Eintracht Gladau hat Sebastian
Striegel mit Interesse verfolgt. Zum Urteil sagt er: „Es gibt auch im
organisierten Sport in Sachsen-Anhalt viele Menschen, die sich gegen
Rechtsextremismus einsetzen und damit die Werte des Sports offensiv
verteidigen. Die Entscheidung des LSB-Präsidiums atmet diesen Geist leider
nicht ausreichend.“
15 Nov 2025
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## AUTOREN
(DIR) Johannes Kopp
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