# taz.de -- Boykott gegen israelische DJs: Die Party ist vorbei
       
       > Der Gründer der israelischen Partyreihe Laundrette ist ein radikaler
       > Kritiker Israels. Die propalästinensische Partyszene diffamiert ihn
       > trotzdem.
       
 (IMG) Bild: Veranstaltungsplakat der Party-reihe Laundrette (Ausschnitt)
       
       In Tel Aviv wurde die queere Partyreihe Laundrette einst gegründet, um
       einen Freiraum zu schaffen, für queere Menschen, für politische
       Außenseiter:innen, für alle, die in Israels zunehmend konservativer
       Gesellschaft keinen Platz finden. Einer der Mitgründer:innen ist
       Avichai Partok, DJ, Veranstalter und erklärter Gegner des israelischen
       Besatzungsregimes. Heute steht er im Zentrum eines Konflikts, der weit über
       die Clubszene hinausreicht.
       
       Die Kommentarspalten unter seinen Social-Media-Posts zeigen, wie sehr sich
       die Vorwürfe von der Realität entfernt haben. Einige bezeichnen Partok als
       Verräter, andere loben seinen Mut, andere werfen ihm vor, Teil der
       palästinensischen Terroristen zu sein. Partok hat sich in den vergangenen
       Jahren nicht nur von der israelischen Regierung, sondern sogar vom Staat
       Israel als politischem Projekt distanziert.
       
       Während diese Haltung in Israel heftig diskutiert wird, ist [1][Partok im
       Ausland, besonders in linken und propalästinensischen Kontexten, Ziel von
       Boykottaufrufen geworden]. Gemeinsam mit seinem Freund und
       Laundrette-Mitgründer Roi Perez, der seit Jahren in Berlin lebt und in der
       Panorama Bar auflegt, ist er zu einer Projektionsfläche geworden, auf der
       aktuelle Solidaritätspolitiken ausgetragen werden.
       
       Ende Oktober sagte Partok zwei Gigs in New York ab. In einem Statement
       begründete er die Entscheidung mit dem immensen Druck, der auf den
       Veranstalter:innen laste. Die Organisationen Boycott Room, Ravers for
       Palestine und Sound Against Siege hatten zuvor zum Boykott aufgerufen, weil
       Partoks verpflichtender Militärdienst in Israel auf eine Nähe zu den
       israelischen Verteidigungsstreitkräften hinweise.
       
       In einem [2][ausführlichen Instagram-Statement reagierte Partok]
       „Zuallererst: Ich lehne die israelische Besatzung und den anhaltenden
       Genozid in Gaza ab. Ich bin entsetzt über die jüngsten Verstöße gegen den
       Waffenstillstand und das anhaltende Abschlachten von Palästinenser:innen.
       Ich unterstütze den kulturellen Boykott Israels vollständig und lehne den
       Zionismus in all seinen Formen ab.“
       
       Zur Frage seines Militärdienstes erklärte er: „Ich habe Israel vor acht
       Jahren verlassen, weder trete ich dort auf, noch habe ich dort einen
       Wohnsitz, zahle Steuern oder arbeite da. Wie alle israelischen
       Staatsbürger:innen wurde ich mit 18 Jahren zum Militärdienst
       verpflichtet, vor 27 Jahren. Ich diente in einer nicht kämpfenden,
       administrativen Position, ein Kapitel meines Lebens, das ich zutiefst
       bereue. Dieser Dienst war eines der vielen Dinge, die mich dazu brachten,
       zunächst das Siedlerkolonialsystem und das Apartheidsystem, in das ich
       hineingeboren wurde, zu hinterfragen und es letztlich abzulehnen.“
       
       Partok [3][betonte seine langjährige politische Arbeit] „Während meines
       gesamten erwachsenen Lebens in Israel, vor, während und nach dem
       Militärdienst, war ich aktiv in der Antibesatzungswiderstandsbewegung
       engagiert. Dazu gehörten Demonstrationen gegen die Trennmauer und
       Landkonfiszierung im Dorf Bil’in Mitte der 2000er-Jahre sowie Bemühungen,
       palästinensische Farmer:innen während der Olivenernte vor Siedlergewalt
       zu schützen.“
       
       In seinem Statement räumte Partok auch Fehler ein: „Laundrette hat während
       des Genozids nicht mehrere Veranstaltungen in Israel ausgerichtet. Wir
       organisierten ein einziges Fundraisingevent im April 2024. Die Absicht
       dahinter war, Widerstand innerhalb des Landes zu unterstützen. Im
       Nachhinein bedauern wir diese Veranstaltung, da sie einen größeren
       negativen Einfluss auf die globale Community hatte, indem sie den Boykott
       brach, als sie lokal Widerstand unterstützte.“
       
       Zu den Spendenempfänger:innen stellte er klar: „In der Vergangenheit
       haben wir sowohl israelische propalästinensische Organisationen als auch
       palästinensisch geführte NGOs unterstützt. Seit der Eskalation des Genozids
       wurden alle unsere Beiträge ausschließlich auf Hilfsmaßnahmen in Gaza
       ausgerichtet.“
       
       ## Absage von Festivals
       
       Es ist nicht das erste Mal, dass zum Boykott israelischer DJs aufgerufen
       wird. Auch der Auftritt von Roi Perez bei einem Festival in London im
       September wurde nach Protesten abgesagt. Zudem kam es zu einer
       Protestaktion während des Boiler-Room-Auftritts von E.LINA, bei der
       Kunstblut auf die DJ-Booth geworfen wurde. Die Aktion gilt als Protest
       gegen den Großinvestor KKR. Die Investmentfirma ist Eigentümerin von Boiler
       Room, Anteilseigner bei Springer und ihr wird vorgeworfen, aktiv
       Kriegshandlungen in Palästina zu unterstützen. Gleichzeitig [4][bekannte
       sich Boiler Room zu den BDS-Leitlinien].
       
       Neue Gruppen [5][wie Ravers for Palestine,] deren Organisator:innen
       anonym bleiben, koordinieren den Boykott vor allem über soziale Medien. Sie
       kündigen an, diesen bis zur vollständigen Befreiung des historischen
       Palästina fortzusetzen, also bis zur Abschaffung Israels. Online rufen sie
       dazu auf, alle Clubs und DJs zu boykottieren, die in irgendeiner Form
       Beziehungen zu Israel unterhalten, und sie fordern internationale Venues
       und Festivals dazu auf, eine klare Position zu dem aus ihrer Sicht
       stattfindenden Genozid in Gaza einzunehmen. Partok hat diese Forderungen
       öffentlich erfüllt. Er unterstützt den kulturellen Boykott, verurteilt die
       Besatzung und distanziert sich vollständig vom Staat Israel. Dennoch wird
       er zum Ziel der Kampagnen.
       
       Der israelische Journalist [6][Nissan Shor zog in der Ha’aretz] eine
       historische Parallele. Er erinnert an Nikolai Bukharin, Herausgeber der
       Prawda, enger Stalin-Verbündeter, der trotzdem Opfer von dessen Säuberungen
       wurde: „Roi Perez und Avichai Partok verstehen nicht, dass selbst die
       vollständige Auslöschung des Staates Gruppen wie Ravers for Palestine nicht
       zufriedenstellen würde.“
       
       Auf eine Anfrage der taz hat Partok sich nicht geäußert.
       
       Beobachter:innen ziehen weitere historische Parallelen und
       argumentieren, dass selbst revolutionäre Bewegungen der Vergangenheit
       irgendwann ihre eigenen Mitglieder verfolgten. Auch heute geraten offenbar
       selbst jene ins Kreuzfeuer, die sich am deutlichsten gegen den Status quo
       stellen.
       
       Tatsächlich scheint es bei den Boykottaufrufen weniger um politische
       Aussagen zu gehen als um Herkunft und Identität. Selbst Künstler:innen, die
       sich klar gegen das israelische Regime stellen, werden für ihre
       Nationalität verantwortlich gemacht. Israelisch-Sein reicht als
       Verdachtsmoment. In israelischen Medien wurde Partoks Haltung
       unterschiedlich bewertet. Liberale Stimmen beschrieben ihn als Symbol einer
       Generation, die versuche, im Exil politisch integer zu bleiben, während
       rechte Kommentator:innen ihm Naivität und Selbsthass vorwarfen.
       
       Es werde ein Klima der Angst aufrechterhalten, während echte
       Ungerechtigkeit und Unterdrückung ungeprüft weitergingen, kommentierte
       Partok auf Instagram
       
       Für die internationale Partyszene bleibt damit eine unbequeme Frage: Wenn
       selbst die totale Ablehnung des Staates Israel, jahrzehntelanger Aktivismus
       und radikale Selbstkritik nicht genügen, geht es dann überhaupt noch um
       politische Haltungen? Oder haben wir es hier längst mit antisemitischem
       Furor zu tun?
       
       27 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.instagram.com/p/DP34Oz4jKSL/?igsh=MXkwMGVheG9udWxoMw%3D%3D
 (DIR) [2] https://www.instagram.com/p/DQcil_QDl7_/?igsh=MTRxcWp1d2p0enpzZw%3D%3D
 (DIR) [3] https://www.instagram.com/p/DQePd0yjJ7p/?igsh=MTFhOG1sYmdzcjlkZA%3D%3D
 (DIR) [4] /Ravers-fuer-Palestine-gegen-Boiler-Room/!6079714
 (DIR) [5] https://www.instagram.com/raversforpalestine/?hl=de
 (DIR) [6] https://www.haaretz.com/life/2025-11-10/ty-article-magazine/.premium/two-israeli-djs-in-berlin-renounced-their-israeliness-it-didnt-stop-the-boycott-calls/0000019a-693e-d66b-adba-fb3e696f0000
       
       ## AUTOREN
       
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