# taz.de -- Kampf um Gleichberechtigung: Als die Isländerinnen ihr Land lahmlegten
> 1975 legten 90 Prozent der isländischen Frauen die Arbeit für einen Tag
> nieder. Damit setzten sie ein feministisches Zeichen, das bis heute
> wirkt.
(IMG) Bild: Auch Vigdís Finnbogadóttir, Islands spätere Präsidententin und erste Frau im Amt, war 1975 am Generalstreik beteiligt
Es klingt wie ein Gedankenexperiment: Was würde passieren, [1][wenn alle
Frauen für einen Tag streiken]? Wenn sie weder Lohn- noch Carearbeit
verrichteten? Vor 50 Jahren machten die Isländerinnen genau das: Am 24.
Oktober 1975 legten 90 Prozent der Frauen ihre Arbeit nieder und
demonstrierten den Männern, wie es ohne sie laufen würde – nämlich gar
nicht.
An dem Tag, an dem sich die Isländerinnen kollektiv freinahmen, fiel das
Telefonsystem aus, Fischfabriken standen still, Zeitungen erschienen nicht,
Flüge wurden gestrichen und die meisten Schulen und Geschäfte blieben
geschlossen. Manche Väter waren erstmals in ihrem Leben mit Kinderbetreuung
oder Kochen konfrontiert.
Die Frauen hingegen – ob Hausfrauen, Arbeiterinnen, Sekretärinnen oder
Lehrerinnen – versammelten sich zum Protest. Allein in Reykjavík
demonstrierten 25.000 Isländerinnen, so viele Menschen wie nie zuvor im
Land und mehr als ein Zehntel der isländischen Gesamtbevölkerung im Jahr
1975.
Auf ihren Schildern, so zeigen es Aufnahmen, prangte das Venussymbol mit
der zum Kampf gestreckten Faust und die Forderung für „Gleichberechtigung
am Arbeitsplatz“. In Island waren damals, 60 Jahre, nachdem das Land als
eines der ersten ihr Wahlrechts einführten, Frauen kaum im Parlament
vertreten. Auch verdienten sie wesentlich weniger.
## Die Idee der Roten Socken
Doch [2][nicht nur in der Hauptstadt] wurde protestiert. Die Nachricht vom
„freien Tag“ hatte sich [3][im ganzen Land verbreitet]. Organisiert hatte
den „freien Tag der Frauen“ ein Komitee aus Mitgliedern von fünf
Frauenorganisationen, Anlass gab das von den Vereinten Nationen ausgerufene
internationale Jahr der Frauen. Der isländische Ableger der Roten Socken –
eine internationale revolutionär-feministische Gruppe – schlug bereits
Jahre zuvor vor: Was, wenn alle Frauen für einen Tag streiken?
Nur mit dem Begriff „Streik“ war ihre Idee anfangs nicht anschlussfähig.
Für einige klang das zu radikal links und andere fürchteten Konsequenzen
von ihrem Arbeitgeber. Erst als man sich darauf einigte, den Protest als
„freien Tag“ zu stilisieren – auf Isländisch: Kvinnafridagruinn –, vereinte
das die Frauen unabhängig ihrer politischen Überzeugungen.
Der Protest zeigte Effekt. Ein Jahr später verabschiedete das Parlament ein
Gesetz, das gleiche Rechte für Männer und Frauen festhielt, und 1980 errang
Vigdís Finnbogadóttir als erste Frau das Amt eines Staatsoperhaupts. Heute
hat Island laut der Studie des World Economy Forums den weltweit geringsten
[4][Gender Pay Gap] – also den Unterschied zwischen Gehältern von Männern
und Frauen. Aktuell beträgt dieser 7,3 Prozent.
Damit ist auch auf der fortschrittlichen Insel im Nordatlantik noch keine
Parität erreicht. Doch bis heute bleibt der „freie Tag der Frauen“ Vorbild
für den feministischen Kampf, wie etwa 2016 der [5][„Black
Monday“] gegen Abtreibungsverbote in Polen.
8 Dec 2025
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(DIR) [3] https://timarit.is/page/4964218?iabr=on#page/n5/mode/2up/search/Kvennafr%C3%ADdagurinn
(DIR) [4] /Frauenarmut-und-Gender-Pay-Gap/!6066820
(DIR) [5] https://www.bbc.com/news/world-europe-37540139
## AUTOREN
(DIR) Clara Dünkler
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