# taz.de -- Umweltfragen in Syrien: Der tägliche Kampf ums Überleben
       
       > Klimafragen werden behandelt als wären Sie ein Luxus am Rande. Vor Kugeln
       > aber kann man fliehen und überleben, doch wie entkommt man der Hitze?
       
 (IMG) Bild: Blick auf das Mittelmeer
       
       Es war kurz vor zwei Uhr nachmittags, als ich eine Nachrichtensendung sah,
       in der Autofahrer vor wiederholten Reifenexplosionen aufgrund der extremen
       Hitze gewarnt wurden. Ich hatte mich gerade fertig gemacht, um zu einem
       Interview mit Bauern zu fahren, die von dem Austrocknen des Flusses Orontes
       im Westen der Provinz Hama betroffen sind. Trotz der Warnung machte ich
       mich auf den Weg und eilte zum Auto. Das Thermometer zeigte 42 Grad im
       Schatten.
       
       Am Straßenrand, zwischen den Unterkünften des Flüchtlingscamps al-Kamouna,
       in dem meine Familie und ich seit Jahren leben, türmten sich Müllberge, die
       von Menschen und Kindern verstreut worden waren, die den Müll nach Plastik
       durchsuchten, um es zu verkaufen. Der Gestank drang durch die geschlossenen
       Autofenster und zwang mich, mir die Nase zuzuhalten und in der drückenden
       Hitze den Atem anzuhalten. An einigen Stellen stiegen Flammen und Rauch aus
       kleinen Metallbehältern auf, in denen jemand beschlossen hatte, den Müll zu
       verbrennen.
       
       Auf der Hauptstraße zwischen Idlib und Bab al-Hawa rasten Militärlastwagen
       vorbei. Der Himmel war von einer rostfarbenen Rauch- und Staubschicht
       verhüllt. Alles hier erinnert daran, dass der Krieg noch immer präsent ist.
       Ich fuhr weiter und beobachtete Reisende, die sich an Mauern drängten, um
       Schatten zu finden, während sie auf ihren Bus warteten.
       
       Schließlich kam ich in der Al-Ghab-Ebene im Nordwesten von Syrien an, wo
       ich eine Frau in den Fünfzigern traf, bekannt als Umm Ali. Sie bemühte
       sich, Wasser aus einem Hausbrunnen zu schöpfen, den Familien zur
       Bewässerung kleiner Felder und Bäume in ihren Hinterhöfen nutzen. Aber die
       Pumpe brachte nur ein paar Tropfen hervor. „Von Jahr zu Jahr“, sagte Umm
       Ali, „haben wir weniger Wasser, früher wuchsen auf unseren Feldern Weizen
       und Gerste, aber dieses Jahr sind sie zu rissiger Erde geworden. Jetzt
       wächst hier schon lange nichts mehr. Der Boden ist durstiger als wir.“ Der
       Krieg hatte ihr das Zuhause genommen, die Klimakrise den Rest.
       
       ## Ein kleiner Ventilator gegen Hitzenschlag
       
       In den Flüchtlingslagern im Norden von Idlib sprach ich mit einem jungen
       Mann, der aus dem Dorf al-Mosra in Dschabal al-Sawija vertrieben worden
       war. Er erzählte mir, dass die Sommerhitze ihre Zelte in Öfen verwandelte.
       Einige Kinder erlitten einen Hitzeschlag, und das einzige Kühlgerät war ein
       kleiner Ventilator mit einer solarbetriebenen Batterie. Er fragte: „Im
       Krieg kann man vor Kugeln fliehen und vielleicht überleben. Aber wie um
       Himmels willen entkommt man der Hitze?“
       
       Mehrmals versuchte ich, nachts meinen Laptop zu öffnen, um meinen
       Klimabericht zu schreiben, wurde jedoch immer wieder durch aktuelle
       Nachrichten unterbrochen: Militäralarm, Razzien gegen Drogenschmuggler,
       Unruhen in Suweida, Szenen von Krieg, Vertreibung, Hassreden wurden endlos
       wiederholt. Der Krieg, dachte ich, ist noch präsent, aber die Klimafragen
       werden behandelt, als wären sie ein Luxus am Rande. Aber da draußen ist die
       Klimakrise keine Theorie oder Statistik – sie ist eine tägliche Erfahrung.
       Der Krieg hat unsere Häuser zerstört, jetzt ist es wiederkehrender
       Starkregen, der unsere Zelte fortspült.
       
       Manchmal fühle ich mich machtlos angesichts dessen, was ich bei meiner
       Arbeit als Journalistin sehe: Der Bauer, der auf sein ausgedörrtes Feld
       starrt. Die Frau, die stundenlang auf der Suche nach Trinkwasser ist. Das
       Kind, das versucht, in einem stickigen Zelt zu schlafen. Jede Szene zeigt
       den täglichen Kampf ums Überleben.
       
       Ich versuche, dagegen anzuschreiben. Immer wieder. So auch jetzt, während
       ich diesen Artikel schreibe. Alle sollen wissen, was ich weiß: dass das
       Klima mit seinen langsamen, aber unerbittlichen Auswirkungen unser Leben
       verändert – vielleicht nachhaltiger als Kanonen. Wenn wir jetzt nicht
       darüber berichten und zu einem Wandel im Bewusstsein beitragen, werden wir
       feststellen, dass sich die Narben des Kriegs vervielfachen, weil wir die
       Augen vor einem Feind verschlossen haben, der nicht weniger gefährlich ist
       als jede Waffe.
       
       Sawsan Al-Hussein, Journalistin aus Idlib in Syrien
       
       15 Nov 2025
       
       ## AUTOREN
       
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