# taz.de -- Umgang mit Klimaflucht: Der blinde Fleck des Flüchtlingsrechts
       
       > Menschen, die vor der Klimakrise fliehen, werden bald die wohl größte
       > Gruppe Vertriebener sein. Die EU hat darauf keine Antwort. Das muss sich
       > ändern.
       
 (IMG) Bild: Geflüchtet vor anhaltender Dürre und Armut: Klimaflüchtlinge aus Somalia in einem Camp an der Grenze zu Kenia
       
       Der Klimawandel ist zu einem der bestimmenden Themen des 21. Jahrhunderts
       geworden. Seine Auswirkungen reichen schon heute weit über die
       Umweltzerstörung hinaus. Gemeinschaften werden entwurzelt, Lebensgrundlagen
       gehen verloren und ganze Regionen werden aufgrund von Wüstenbildung,
       extremen Wetterereignissen, Dürren, steigendem Meeresspiegel und
       zunehmender Versalzung unbewohnbar.
       
       Das geltende Recht aber ist auf diese Herausforderung unzureichend
       vorbereitet. Das Flüchtlingsrecht konzentriert sich weitgehend auf
       Verfolgung. Menschen, die durch Umweltkrisen vertrieben werden, genießen
       deshalb keinen angemessenen Schutz. Nationale, regionale und internationale
       Institutionen müssen sich verändern, um der Realität der durch den
       Klimawandel verursachten zunehmenden Migration Rechnung zu tragen.
       
       Die Europäische Union hat durch ihr Gemeinsames Europäisches Asylsystem
       (GEAS) Fortschritte bei der Vereinheitlichung der Asylverfahren erzielt.
       Doch sie muss sich noch mit klimabedingter Vertreibung als Asylgrund
       befassen.
       
       [1][Ein progressiver Ansatz dazu würde Umweltvertreibung als legitimen
       Grund für Schutzmaßnahmen anerkennen.] Dies würde eine erhebliche Lücke im
       System schließen und das Engagement für Menschenrechte, Klimagerechtigkeit
       sowie globale Rechenschaftspflicht und Solidarität stärken.
       
       ## Klimaschutzklausel im Aufenthaltsgesetz
       
       Deutschland ist als wichtiger EU-Mitgliedstaat und anerkannter Vorreiter im
       humanitären Bereich gut positioniert, um fortschrittliche Maßnahmen dazu
       umzusetzen. Eine Möglichkeit wäre eine Klimaschutzklausel im
       Aufenthaltsgesetz.
       
       Diese könnte ein Aufenthaltsrecht für Personen schaffen, die aufgrund von
       Umweltgefahren vertrieben wurden. Das würde die bestehenden humanitären
       Schutzmaßnahmen ergänzen und gleichzeitig im Einklang mit dem Artikel 16a
       des Grundgesetzes stehen, der sich auf politische Verfolgung konzentriert.
       
       Zudem könnte Deutschland gezielte humanitäre Aufnahmeprogramme für Menschen
       aus Regionen starten, die stark von Umweltzerstörung betroffen sind.
       Infrage kämen etwa [2][niedrig gelegene Pazifikinseln], dürregefährdete
       Gebiete in Subsahara-Afrika oder hochwassergefährdete Regionen in Süd- und
       Südostasien. In Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen könnten
       diese Programme Aufnahme, Unterbringung und Unterstützungsleistungen
       bieten.
       
       Integrationsmaßnahmen sind für den Erfolg solcher Konzepte von
       entscheidender Bedeutung. Die Erfahrungen mit der Integration syrischer
       Flüchtlinge in Deutschland zeigen, dass der [3][Zugang zu Sprachkursen,
       Berufsausbildung und Beschäftigungsmöglichkeiten] die wirtschaftliche
       Situation verbessert und soziale Spannungen abbaut. Für
       Klimamigrant:innen müssten demnach Programme entwickelt werde, die
       frühzeitig ansetzen und in strukturierter Weise die soziale und
       wirtschaftliche Integration fördern.
       
       ## Fairer Schutz für alle
       
       Investitionen in gemeindebasierte Initiativen können dabei die Beziehungen
       zwischen der Bevölkerung des Aufnahmelandes und den Neuankömmlingen
       verbessern. Eine effektive Integration kommt sowohl den Migranten als auch
       den Aufnahmegesellschaften zugute.
       
       Sie stärkt die allgemeine Akzeptanz der Aufnahme, verringert das Risiko
       öffentlicher Gegenreaktionen und trägt so dazu bei, die politische
       Unterstützung für eine fortschrittliche Migrationspolitik
       aufrechtzuerhalten.
       
       Nicht zuletzt muss ein progressiver Ansatz auf Gerechtigkeit und
       Verhältnismäßigkeit achten. Klimabedingte Vertreibung ist ein dringendes
       humanitäres Problem, sollte jedoch den Schutz von Menschen, die vor
       Konflikten, Verfolgung oder anderen Formen der Gewalt fliehen, nicht
       untergraben.
       
       Die Politik muss ein Gleichgewicht zwischen der Anerkennung von
       Klimamigrant:innen und umfassenderen humanitären Verpflichtungen
       finden. Sie muss sicherstellen, dass der Schutz fair auf alle gefährdeten
       Bevölkerungsgruppen verteilt wird und dringende Fälle entsprechend ihrer
       Priorität behandelt werden.
       
       ## Deutschland und die EU könnten Führungsrolle übernehmen
       
       Eine spezifische Konvention oder ein Protokoll würden klare Richtlinien
       festlegen und die Zusammenarbeit der Staaten auf globaler Ebene fördern.
       Diese Ideale würden innerhalb der EU durch humanitäre Visa und eine
       klimaspezifische Schutzkategorie umgesetzt.
       
       Gesetzesänderungen und gezielte Aufnahmeinitiativen in Deutschland würden
       echten Schutz bieten und die Integration erleichtern. Das würde
       sicherstellen, dass Klimamigrant:innen Respekt erfahren und die
       Möglichkeit haben, einen Beitrag zu ihren Aufnahmegemeinschaften zu
       leisten.
       
       Die EU und Deutschland können eine Führungsrolle in der globalen
       Migrationssteuerung übernehmen, indem sie eine auf Rechten basierende, auf
       Klimagerechtigkeit ausgerichtete Strategie verfolgen, die den sozialen
       Zusammenhalt und die internationale Zusammenarbeit verbessert und
       gleichzeitig langfristige Lösungen für eine sich entwickelnde humanitäre
       Krise bietet.
       
       Ein Projekt der [4][taz Panter Stiftung].
       
       11 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [4] /taz-panter-stiftung/die-taz-panter-stiftung/!v=e4eb8635-98d1-4a5d-b035-a82efb835967/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ananya Azad
       
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