# taz.de -- Koalitionskrach wegen Wehrdienst: Hier spricht die Jugend
       
       > Was sagen eigentlich die Menschen zur aktuellen Wehrpflichtdebatte, die
       > es wirklich betrifft? Wir haben bei sechs von ihnen nachgefragt.
       
 (IMG) Bild: Diese Jacken könnten junge Soldat*innen tragen – aber will überhaupt wer zur Bundeswehr?
       
       ## „Das erinnert mich an die Hunger-Games-Filme“
       
       Anfang des Jahres habe ich Post von der Bundeswehr bekommen – und kurz
       einen Schreck: eine Seite in Camouflage, auf der anderen mein Name. Es war
       nur Werbung, eine Einladung zu Info-Veranstaltungen und Messen. Ich weiß,
       dass mich die Wehrpflicht-Pläne bisher nicht betreffen. Trotzdem hat mich
       der Brief beschäftigt. Ich habe nämlich Pläne nach dem Abi: Ich will nach
       Kanada, auf einer Ranch arbeiten und mich um Tiere kümmern. Wenn ich zur
       Bundeswehr müsste, würde das alles über den Haufen werfen.
       
       Ich gehe in die 11. Klasse, gerade bereiten wir uns aufs Abi vor. Weil so
       viel los ist in der Welt und ich verstehen will, was passiert, habe ich
       Politik als Leistungsfach gewählt. Sonst tanze ich, lese Thriller oder
       mache Karate.
       
       „Ein Jahr bei der Bundeswehr gibt Perspektive“, sagen manche. Ein
       geregelter Tag, klare Strukturen, Leute, die einem sagen, was zu tun ist.
       Auf Instagram sehe ich manchmal Videos, meist aus den USA: Da schreien
       Ausbilder morgens die Neuen mit lauter Musik aus dem Bett. Ich weiß nicht,
       wie das in Deutschland abläuft, wie streng hier die Hierarchien sind. Aber
       ich sehe mich nicht in Uniform über den Boden kriechen oder Waffen
       auseinanderbauen. Einfach Befehlen folgen – das liegt mir nicht. Schon in
       der Schule nervt es mich, wenn jemand sagt: „Mach das jetzt einfach.“ Warum
       sollte das beim Bund anders sein?
       
       Mein Vater war beim Militärdienst, mein Opa auch. Von meinem Vater habe ich
       Karate gelernt; er erzählt, dass er bei der Bundeswehr viel Kampfsport
       machen konnte. Auch mein Opa fand den Wehrdienst nicht schlecht – aber er
       hat von starken Hierarchien erzählt, zwischen Sportlichen und
       Unsportlichen, Stärkeren und Schwächeren.
       
       Letztes Schuljahr haben drei Mitschüler eine Präsentation zum Wehrdienst
       gehalten. Wir haben danach diskutiert, aber eher über Gleichberechtigung.
       Ich hoffe, der Staat zwingt niemanden. Aber wenn Männer einberufen werden,
       dann sollte das wohl auch für Frauen gelten. Ich habe allerdings schon
       Geschichten gehört, in denen Frauen beim Militär Dinge passiert sind, die
       nicht passieren sollten. Frauen sind dort in der Minderheit. Es müsste also
       besser darauf geachtet werden, dass sie nicht unterdrückt werden. Gegen
       eine Pflicht waren bisher alle. Wenn ich einberufen würde, wäre ich wohl
       ziemlich wütend und würde schauen, ob ich das umgehen kann.
       
       Ich verstehe, dass die Bundeswehr Werbung macht. Aber es geht um unser
       Leben, und alle sollten selbst entscheiden dürfen, was sie daraus machen.
       Ein Losverfahren finde ich ziemlich schräg – dieses Bangen, ob man gezogen
       wird. Das erinnert mich an die Hunger-Games-Filme. Der Werbebrief von der
       Bundeswehr – mit der Camouflage-Seite – ist mir übrigens noch mal begegnet:
       Eine Freundin hatte so einen an die Kühlschranktür in ihrer Küche geheftet.
       Meinen Brief hatte ich da schon aussortiert.Melina, 16, Hohen Neuendorf
       
       ## „Das ist das Höchste, was man geben kann“
       
       Ich finde den Wehrdienst prinzipiell richtig – besonders jetzt, wo sich
       Konflikte weltweit zuspitzen. Selbst wenn es keine Pflicht geben sollte,
       kann ich mir gut vorstellen, bei der Bundeswehr Dienst zu leisten.
       
       Ich gehe in die 11. Klasse des Wagenburg-Gymnasiums in Stuttgart und
       interessiere mich sehr für Politik. Ich lese oft die FAZ auf dem Handy und
       höre den Podcast „Machtwechsel“ mit Dagmar Rosenfeld und Robin Alexander.
       Seit einem Jahr bin ich bei der [1][Jungen Union].
       
       Über den Wehrdienst habe ich mir deshalb schon länger Gedanken gemacht.
       Soldaten sind für mich Menschen, die besonders viel für die Gesellschaft
       geben. Sie schwören, unsere Werte im Notfall bis zur letzten Konsequenz zu
       verteidigen. Das ist das Höchste, was man geben kann. Wir jungen Menschen
       genießen viele Vorteile: gute Ausbildung, Freiheiten. Daher finde ich, man
       sollte der Gesellschaft auch etwas zurückgeben. Wenn es nötig ist, sollte
       man sein Heimatland auch mit der Waffe verteidigen können.
       
       Gleichzeitig finde ich: Zuerst sollten Freiwillige genommen werden. Um den
       Dienst attraktiv zu machen, halte ich finanzielle Anreize für sinnvoll, zum
       Beispiel dass die Bundeswehr bei jungen Leuten den Führerschein übernimmt.
       Viele können sich den sonst schlicht nicht leisten.
       
       Wenn sich zu wenige melden, wäre ein Losverfahren für mich das fairste
       System: Jeder hat dieselbe Chance, und nicht immer dieselben Gruppen würden
       betroffen sein. Außerdem glaube ich, dass so eine soziale Durchmischung
       entsteht – wichtig, weil man immer wieder hört, dass Rechtsextreme zur
       Bundeswehr gehen; das wäre gefährlich.
       
       Ich verstehe aber auch, dass eine Einberufung ein großer Eingriff ist, vor
       allem wenn Leute schon feste Pläne haben. Ich selbst möchte später Rechts-
       oder Wirtschaftswissenschaften studieren, denke aber, dass man ein Studium
       aufschieben kann. Es gibt auch ethische Fragen: Manche Menschen können sich
       nicht vorstellen, auf andere zu schießen. Dafür sollte es Möglichkeiten
       geben, den Dienst zu verweigern oder alternative zivile Dienste zu leisten.
       
       Ob ich persönlich bereit wäre, auf Menschen zu schießen, habe ich noch
       nicht ausführlich durchdacht. Im Moment sehe ich das aber nicht als
       unüberwindbares Hindernis. Zumal ich hoffe, nie in einen Kriegseinsatz
       gehen zu müssen.
       
       Christoph, 15, Stuttgart 
       
       ## „Friedrich Merz finde ich blöd“
       
       Meine Schwester ist bei der Bundeswehr, also nicht als Soldatin, aber sie
       macht da eine Ausbildung zur Verwaltungsfachkraft. Sie wollte das immer,
       zur Bundeswehr gehen. Beim ersten Mal ist sie durch den Eignungstest
       durchgefallen, aber beim zweiten Mal hat es geklappt. Jetzt ist sie in
       Hamburg. Ich glaube, dass es ihr da schon gefällt.
       
       Ich selbst würde [2][auf keinen Fall zur Bundeswehr] gehen. Ich bin gerade
       in der 12. Klasse und mache nächstes Jahr mein Fachabi in Verwaltung und
       Wirtschaft. Danach für Deutschland kämpfen? Ich weiß nicht, ob ich dazu
       bereit wäre. Friedrich Merz finde ich blöd. Und in Deutschland gibt es
       viele Dinge, die ich nicht verstehe oder sogar falsch finde. Dass Waffen an
       Israel geliefert werden, anstatt den Staat Palästina anzuerkennen, zum
       Beispiel. Ich bin propalästinensisch. Dass beim Bürgergeld so gespart
       werden soll – auch eine schlechte Entscheidung. Es gibt nun mal Leute, die
       es brauchen. Mit der Politik von Merz werden die Reichen immer reicher und
       die Armen immer ärmer.
       
       Ich finde es falsch, wenn die Wehrpflicht wieder eingeführt wird. So was
       sollte einfach nicht verpflichtend sein, sondern freiwillig. Sonst gehen da
       ganz viele Leute hin, die gar nicht geeignet sind für den Dienst an der
       Waffe. Dass nur Männer von der Wehrpflicht betroffen sein sollen, finde ich
       irgendwie gut, irgendwie schlecht. Klar, die sind stärker als Frauen. Aber
       Frauen haben ja auch Kraft.
       
       Alina, 18, Berlin 
       
       ## „Ich fände es gut, meine Familie und Freunde verteidigen zu können“
       
       Nach dem Abitur will ich einen freiwilligen Wehrdienst leisten, zur
       Bundeswehr gehen, so wie Freunde von mir auch schon. Dass die sechs Monate
       Basisausbildung echt hart sind und ich dafür viel ackern muss, weiß ich
       also. Um die Zeit durchzustehen, muss einer dem anderen helfen – so sieht
       das jedenfalls in den Mini-Serien der Bundeswehr aus, die ich auf Youtube
       angeschaut habe. Ich stelle mir vor, dass dort alle ein gemeinsames Ziel
       haben und einander motivieren. Auch wenn ich noch herausfinden muss, wie es
       dort wirklich ist: Das macht für mich den Reiz aus.
       
       Ich besuche eine 12. Klasse in Neustrelitz, einer Stadt an der
       Mecklenburgischen Seenplatte. Im Sozialkundeunterricht sprechen wir über
       die weltpolitische Lage. Schlimmstenfalls tritt der Nato-Bündnisfall ein
       und die Bundeswehr muss kämpfen. Ich fände es gut, dann meine Familie und
       meine Freunde verteidigen zu können. Und mein Land. Aber so weit weg von zu
       Hause zu sein und kämpfen zu müssen – die Vorstellung macht mir auch
       Sorgen. Meine Familie hat deshalb gemischte Gefühle zu meiner Entscheidung.
       Wenn sich die weltpolitische Lage weiter zuspitzt, weiß ich nicht, wie ich
       entscheide.
       
       Zwei Freunde von mir haben Anfang Oktober ihre Grundausbildung begonnen und
       sich für eine Feldwebel-Laufbahn verpflichtet, für 15 Jahre. Die sind
       sicher stolz auf das, was sie machen. Aber mir wäre das Risiko zu groß.
       Denn wer sich für längere Zeit verpflichtet, wird oft im Ausland
       eingesetzt. Ich habe von Veteranen gehört, die mit einer Posttraumatischen
       Belastungsstörung heimkommen oder mit anderen psychischen Erkrankungen. Das
       ist schon gefährlich: Du kommst nach 15 Jahren aus der Bundeswehr raus und
       bist berufsunfähig, weil du einen psychischen Schaden davonträgst. Dann
       stehst du mit leeren Händen da.
       
       Wenn [3][demnächst eine Pflicht kommt], dann bitte für alle jungen
       Menschen. Das auszulosen finde ich ungerecht, weil es nicht alle gleich
       behandelt. Deshalb sollte es auch keinen Unterschied machen, ob ich ein
       Mann bin, eine Frau oder divers. Ich bin für ein Pflichtjahr für alle:
       Menschen sollten wählen können, ob sie zur Bundeswehr gehen oder in einen
       Zivildienst. Das würde vielleicht den Zusammenhalt in unserer jungen
       Generation stärken. Wir brauchen doch auch mehr Leute in sozialen Berufen.
       Und so könnten alle jungen Menschen in diesem Land etwas zurückgeben.
       
       Toni, 17, Neustrelitz 
       
       ## „Für beide Geschlechter gleich diskutieren“
       
       Ich weiß jetzt, was ich nach der Schule machen will. Seit Jahren betreue
       ich Hunde und seit über einem Jahr auch einen einjährigen Jungen. Das macht
       mir unheimlich viel Spaß. Jetzt ist mir klar geworden: Ich will in den
       pädagogischen Bereich. Ich kann mir entweder gut vorstellen, in einer
       Jugendwohngruppe zu arbeiten, oder ich werde Heilerziehungspflegerin.
       Dieses Jahr mache ich meinen Realschulabschluss.
       
       Aber Wehrdienst leisten? Ich denke nicht, dass ich das jemals machen würde,
       weil das nicht zu mir passt. Ich hätte immer Angst: Was, wenn wirklich
       Krieg ausbricht? Dabei kann ich verstehen, dass Menschen für den Notfall
       gebraucht werden. Aber man geht eben ein hohes Risiko ein und ist lange
       Zeit getrennt von Familie und Freunden. Meiner Meinung nach sollte der
       Wehrdienst keine Pflicht sein. Jeder und jede sollte das Recht haben, frei
       zu entscheiden. Eine Pflicht wäre ein zu großer Eingriff in die Freiheit
       der Menschen.
       
       Ich kann mir aber vorstellen, dass sich mehr Freiwillige melden würden,
       wenn man den Dienst attraktiver macht, zum Beispiel mit noch mehr Gehalt.
       Solange es nicht übermäßig ist, sehe ich darin kein Problem. Momentan wird
       ja zum Beispiel auch diskutiert, wie man soziale Berufe attraktiver machen
       könnte. Vielleicht würden sich dann auch ein paar mehr Frauen für den
       Wehrdienst melden.
       
       Insgesamt denke ich, dass solche Themen für beide Geschlechter gleich
       diskutiert werden sollten. Das würde viele Probleme in unserer Gesellschaft
       lösen. Emily, 16, Uhingen
       
       ## „Man kann nicht allein entscheiden, jemand anderes bestimmt über einen“
       
       Die [4][Wehrpflicht] wieder einzuführen, finde ich eine echt blöde Idee.
       Die Idee mit dem Losverfahren ist auch nicht so richtig super. Und dass nur
       Männer verpflichtet werden: komisch.
       
       Ich würde auf jeden Fall verweigern und Zivildienst machen. Das ist ja kein
       Leben, wenn man Soldat ist. Man kann nicht allein entscheiden, jemand
       anderes bestimmt über einen. Und man bekommt zwar ’ne Wohnung gestellt,
       aber ja nur zusammen mit den anderen Soldaten. Oft muss man sich ’n Zimmer
       teilen. Mit Privatsphäre ist da nicht viel.
       
       Von meinen Freunden weiß ich, dass sie auch nicht zum Bund gehen würden,
       aus den gleichen Gründen wie ich. Wir haben dieses Jahr die Schule fertig
       gemacht, Mittlerer Schulabschluss. Bald möchte ich eine Ausbildung
       anfangen. Welche, weiß ich noch nicht. Jetzt erst mal Führerschein.
       
       Manche von meinen Verwandten wohnen in Polen. Da gab es auch lange eine
       Wehrpflicht, so wie früher in Deutschland. Bei ein paar Familienmitgliedern
       von mir wurde dann schon mal nachgefragt, wo sie eigentlich bleiben. Mein
       Onkel ist sogenannter „passiver Reservist“ und bekommt jedes Jahr einen
       Brief. Er geht auch zu diesen Reservistentreffen.
       
       Die polnische Regierung will jetzt, dass alle Männer so eine Art
       Mini-Grundausbildung machen. Und schon jetzt gibt es Militär-Sommercamps
       für junge Männer. Bisher ist das nicht verpflichtend, aber wer weiß, wie es
       weitergeht?
       
       So wie die Debatte in Deutschland gerade geführt wird, kommt mir schon die
       Sorge, dass die Wehrpflicht hier wieder eingeführt wird, und dann nicht mit
       der Möglichkeit, zu verweigern. Meine Eltern finden das auch keine schöne
       Vorstellung, aber sie sagen, ich soll nicht panisch sein. Das werde schon
       nicht passieren.
       
       Daniel, 18, Berlin
       
       18 Oct 2025
       
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