# taz.de -- AfD verlegt Geschäftsstelle aufs Land: Flucht ins ehemalige NS-Musterdorf
       
       > Die niedersächsische AfD hat ihre Zentrale mitten aufs Land in die
       > Gemeinde Dötlingen verlegt. Sie hofft, dort den Protesten entkommen zu
       > können.
       
 (IMG) Bild: Aufs Land zu flüchten hilft nicht unbedingt: Protest gegen einen AfD-Parteitag in Brettorf 2022
       
       Hamburg taz | Der AfD-Landesverband Niedersachsen hat seine neue
       Geschäftsstelle in einem ehemaligen Nazi-Musterdorf eingerichtet – mitten
       auf dem Land, 130 Kilometer entfernt von der Landeshauptstadt Hannover.
       „Wir haben in Brettorf die Möglichkeit, Veranstaltungen und Parteitage
       abzuhalten, was uns Planungssicherheit verschafft“, schreibt Frank Horns,
       der Pressesprecher des Landesverbandes.
       
       Die neue Geschäftsstelle des Landesverbandes dürfte den Mitgliedern bekannt
       sein. Im Schützenhaus in der Gemeinde Dötlingen, Ortsteil Brettorf,
       [1][tagte die AfD Niedersachsen schon öfter.]
       
       Die neue Adresse ist nicht gerade repräsentativ. Der Seiteneingang, über
       dem ein Schild „Schützenhof Brettorf“ hängt, wirkt solide. Das einstöckige
       Hauptgebäude aus roten Klinkern mit weißen Fenstern strahlt wenig Glanz
       aus. Der Eingang aus dem Jahr 1908 wirkt abgenutzt, die Buchstaben des
       Gasthofschildes sind abgeblättert. Alles wirkt unscheinbar, wenig
       einladend. Immerhin gibt es einen großen Parkplatz.
       
       Der Saal mit Bühne ist mit dem rustikalen Schick des Landgasthofs
       eingerichtet. Aus Sicht der AfD dürfte das Bodenständigkeit und Identität
       widerspiegeln. In den Räumen hat die AfD schon ihr „1. Sturmfest“
       abgehalten. Der Titel spielt auf das Niedersachsenlied an: „Wir sind die
       Niedersachsen / sturmfest und erdverwachsen“, intoniert nicht zuletzt von
       Heino. Das Lied von 1926 ist wegen seines Heroismus mit Blutmetaphern nicht
       jedermanns Sache.
       
       Die Gemeinde Dötlingen gestalteten die Nationalsozialisten ab 1936 zu einem
       ihrer Musterdörfer. Der Titel „Reichsmusterdorf“ wurde verliehen, wenn ein
       Dorf die „Volksgemeinschaft“ und ländliche Lebensweise vorlebte. Vor
       Kriegsende mordete die NS-Organisation „Werwolf“ im Dorf. Noch steht das
       Haus der Hitlerjugend mitten im Ort.
       
       Eine Landesgeschäftsstelle auf dem Land hat zwar den Nachteil, dass die
       Landtagsabgeordneten und deren Mitarbeitende oder Leute von der Fangemeinde
       nicht mal eben bei der Partei vorbeischauen können. Dafür ermöglicht es der
       Schützenhof mit seinem Saal, Parteiveranstaltungen ungestört von
       [2][Protesten] ausrichten zu können. Zivilgesellschaftliche Interventionen
       hatten immer wieder dazu geführt, dass Vermieter bereits geschlossene
       Verträge für AfD-Veranstaltungen auflösten.
       
       Die AfD dürfte auch darauf setzen, dass sie in Dötlingen ungestört von
       [3][antifaschistischem Widerstand] agieren und sich etablieren kann. Diese
       Annahme könnte jedoch eine Fehleinschätzung sein. Bremen ist nur 40
       Kilometer entfernt, was es dem regionalen Protest erleichtert,
       Unterstützung von auswärts zu organisieren. Bereits 1981 demonstrierten
       Menschen gegen eine NPD-Veranstaltung in Dötlingen-Brettorf.
       Fachjournalisten dokumentierten dort 2023 ein Seminar der „Jungen
       Nationalisten“. 2024 gab es eine Blockade gegen die AfD.
       
       ## Breites Bündnis gegen Rechts
       
       So funktioniert das auch anderswo: Seit Jahrzehnten begleitet ein breites
       Bündnis in Eschede immer wieder [4][Aktionen der rechtsextremen Szene] auf
       dem „Heimathof“ am Rande der Gemeinde. Von einem ruhigen Hinterland für die
       Szene kann auch in dieser niedersächsischen Region nicht die Rede sein.
       
       Was die Wahl Dötlingens angeht, kommen auch strategische Überlegungen
       hinzu. Pressesprecher Horns findet, dass „der Ort zudem relativ zentral in
       Niedersachsen“ liege. Die AfD verspricht sich Wahlerfolge im Nordwesten
       Niedersachsens. Sie will sich auch im Oldenburger Land, Ostfriesland,
       Ammerland oder dem Emsland festsetzen. „Wir erobern die Städte vom Land
       aus“ hatte bereits ein Motto früherer Rechtsextremisten gelautet. Im
       September 2026 sind Kommunalwahlen.
       
       Der Landesverfassungsschutz (LVS) beobachtet die AfD seit 2022 als
       „Verdachtsobjekt“. Das schreckte Interessierte nicht ab. 2024 hatte die AfD
       Niedersachsen nach Auskunft Horns 800 Mitglieder. Mit elf Prozent zog der
       lange zerstrittene Landesverband 2022 gestärkt in den Landtag ein und
       erwarb 17 Mandate. Bei Umfragen liegt die Partei seit Ende 2024 fest bei 16
       Prozent.
       
       16 Oct 2025
       
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