# taz.de -- AfD-Bürgerdialog in Goslar: Rechtsextreme zerlegen sich vor Publikum
> Der zerrüttete AfD-Kreisvorstand in Goslar in Niedersachsen stritt sich
> beim Bürgerdialog auf offener Bühne. Ist der Landesverband am Ende?
(IMG) Bild: „Ihr habt angefangen!“: Streit vor den Augen des Publikums, das man eigentlich für die AfD gewinnen wollte
Bremen taz | Maximilian Krah kam erst gar nicht. Eigentlich hatte der
Kreisverband in Goslar den [1][AfD-Bundestagsabgeordneten aus Sachsen] zu
einem Bürgerdialog eingeladen, vor dem Saal wurde gegen den rechtsextremen
Politiker demonstriert. Aber Krah und sein Co-Redner Mike Moncsek hatten
kurzfristig abgesagt: Offensichtlich waren sie zuvor gewarnt worden, dass
man diesem zerstrittenen Kreisverband besser fernbleiben sollte.
Auch wenn die Redner fehlten: Den Besucher*innen des Bürgerdialogs
wurde eine ordentliche Show geliefert. Denn dass die Verhältnisse dort
tatsächlich zerrüttet sind, wurde bei dem Event, das bei Youtube zu sehen
ist, deutlich. AfD-Kreisverbandsvorsitzender Main Müller hatte die Hälfte
seines zehnköpfigen Vorstands gar nicht erst in den Saal gelassen.
Diesen Schritt machte der AfD-Bundestagsabgeordnete Micha Fehre, zugleich
Mitglied des Landesvorstands der [2][AfD Niedersachsen], sogleich als
undemokratisch öffentlich – und lud Müllers Gegner ein, ihre Vorwürfe gegen
den Kreisverbandsvorsitzenden offen auf der Bühne auszubreiten, als Teil
einer „transparenten Streitkultur“.
Was folgte, war ein wüstes Geplänkel aus Geschrei, Vorwürfen und
Beleidigungen, irgendwo zwischen „Du lügst“ und „Ihr habt angefangen“.
„Halt du die Fresse“, ging der niedersächsische Landtagsabgeordnete Omid
Najafi an einer Stelle Müller an, der dann mit „Wollen wir rausgehen?“
konterte. „Drohst du mir?“, schrie Najafi, und: „Er droht mir!“
## Publikum zeigte sich fassungslos
An Brisanz gewann der Streit, weil Youtuber „Weichreite“, bürgerlich
Sebastian Weber und selbst AfD-Mitglied, den ganzen Konflikt [3][für seinen
Channel filmte.] Das wurde irgendwann durchaus bemerkt – doch statt sich in
Schadensbegrenzung zu üben, stachelte die öffentliche Aufzeichnung die
Streitenden an. „Nimm das alles auf“, forderte Müller den Streamer auf;
„Habt ihr das gehört?“, fragte Gegner Najafi mit Blick in die Kamera. Und,
um das Bild zu vervollständigen, rief ein Vorstandsmitglied noch in
Richtung Publikum, „jede Vorstandssitzung“ laufe in diesem Stil ab.
Das Publikum gab sich fassungslos. „Ich bin das erste Mal bei einer
AfD-Veranstaltung“, so ein Zuschauer, „Wie wollen Sie Leute gewinnen, wenn
sie sich selber nicht einig sind?“ Andere forderten die Vorstandsmitglieder
auf, ihren Streit, „wie Erwachsene am Küchentisch“ zu klären.
Worum es inhaltlich ging, das blieb trotz „transparenter Streitkultur“ für
Außenstehende völlig offen. Von gefälschten „E-Mails und Audio-Dokumenten“
sprach Müller, mit denen man versuche, Druck auf ihn auszuüben. Er selbst
habe „alle Beweise“ bei sich zu Hause. Seine Gegner dagegen behaupteten,
„über 1.000 Seiten“ gegen Müller gesammelt zu haben.
Einzig ein kurzer Verweis auf „Fotos mit [4][Björn Höcke]“ gibt einen
Hinweis auf die inhaltliche Substanz des Streits. Wer mehr wissen will,
muss die regionale Presse verfolgen: Die Goslarsche Zeitung berichtet seit
Längerem über Streit in der AfD. Im Juli hatte Vorstand Müller, der als
konservativ-bürgerlich gilt, ohne Absprache Höcke zu sich nach Hause
eingeladen und Fotos vom Treffen in einer AfD-internen WhatsApp-Gruppe
gepostet.
## Landesvorstand distanzierte sich von Höcke
Von dort aus leitete jemand das Bild an die Presse weiter. Der
niedersächsische Landesvorstand distanzierte sich vom Höcke-Besuch; die
anderen 30 niedersächsischen Kreisverbände beschlossen einstimmig, Müller
vom Verbandstag auszuschließen. Er gehöre zu den „schärfsten Kritikern“
Höckes, habe von ihm aber im persönlichen Gespräch wissen wollen, wo er
stehe, so Müller.
Auch wenn damit viele Fragen offen bleiben – warum sollte Höcke für ein
solches Gespräch nach Goslar reisen wollen? – scheint es nicht der
eigentliche oder zumindest nicht der einzige Streitpunkt zu sein. Die
Hälfte des Vorstands hat sich in einem Brandbrief an die Parteimitglieder
gegen den eigenen Vorsitzenden ausgesprochen und den Landesvorstand
eingeschaltet, um ein Schiedsgericht über den Vorsitz entscheiden zu
lassen.
Entscheidender als eine Ausrichtung für oder gegen Höcke sind offenbar
Stilfragen: der Führungsstil Müllers, so schreibt ein Redakteur der
Goslarschen Zeitung, werde „als ruppig empfunden“.
Der Konflikt strahlt auf Landesebene aus – auch, weil deren Vorstand einen
Vertreter zur Veranstaltung geschickt hat. Der Landesvorsitzende Ansgar
Schledde wisse bestimmt nichts von der öffentlichen Denunziation gegen ihn,
so Müller: „Ein Mann, ein Wort.“ Andere Redner behaupteten dagegen,
Schledde habe persönlich dafür gesorgt, dass Krah von der Veranstaltung
ausgeladen werde.
Aus dem AfD-Kreisvorstand gibt es bis Redaktionsschluss keine Erklärung für
die Gründe des Streits. Der Landesvorstand „missbilligt das Verhalten aller
an dem Streit auf offener Bühne Beteiligten“; alle hätten sich mittlerweile
intern entschuldigt, Parteiordnungsmaßnahmen würden aber trotzdem noch
geprüft.
„Nur eine Partei, die sich selber im Weg steht, kann die AfD noch stoppen“,
warnte Bundestagsabgeordneter Fehre bei der Versammlung. „Ich bin sicher,
dass das hier zur Spaltung des Landesverbandes Niedersachsen führt“,
prognostizierte Müller selbst.
29 Sep 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Ermittlung-gegen-AfD-Abgeordneten/!6113345
(DIR) [2] /AfD-Landesparteitag-in-Niedersachsen/!6003142
(DIR) [3] https://www.youtube.com/watch?v=0g84PJj98bw
(DIR) [4] /AfD-in-Thueringen/!6088155
## AUTOREN
(DIR) Lotta Drügemöller
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