# taz.de -- Urteil im Budapest-Komplex​: Gericht verurteilt Hanna S. zu fünf Jahren Haft
       
       > Auch Nazis schlägt man nicht, sagt das Oberlandesgericht München. Hanna
       > S., die eben dies getan haben soll, muss daher im Gefängnis bleiben.
       
 (IMG) Bild: Polizeiaufgebot vor der JVA Stadelheim, wo der Prozess vor dem Oberlandesgericht München gegen Hanna S. stattfindet
       
       Stadelheim München taz | Es ist 13.30 Uhr, als Philipp Stoll das Urteil
       gegen Hanna S. verkündet. Der Termin war bereits eine halbe Stunde früher
       angesetzt gewesen, aber man hat noch gewartet, bis der Zuschauerraum voll
       war. Vor allem Unterstützer der Angeklagten haben dort – wie an all den
       vorangegangenen Prozesstagen – Platz genommen. Hanna S. ist ein paar
       Minuten zuvor in den Gerichtssaal der Justizvollzugsanstalt München geführt
       worden. Ganz in Schwarz gekleidet folgt die 30-Jährige den Worten des
       Vorsitzenden Richters ohne sichtbare Gefühlsregung.
       
       Mit dem Urteil gegen Hanna S. ist am Freitag der erste Schuldspruch im
       sogenannten Budapest-Komplex gefallen. Das Oberlandesgericht München
       verurteilte die mutmaßliche Nürnberger Linksextremistin wegen gefährlicher
       Körperverletzung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu
       einer [1][Freiheitsstrafe von fünf Jahren]. Hanna S. und ihren Komplizen
       wird vorgeworfen, am „Tag der Ehre“, einem Aufmarsch von Neonazis in
       Budapest, im Februar 2023 Personen, die sie für Rechtsextremisten hielten,
       verprügelt zu haben. In anderen Städten in Deutschland und Ungarn stehen
       weitere Angeklagte wegen derselben Taten vor Gericht.
       
       Hanna S. habe sich damit über das staatliche Gewaltmonopol erhoben, hielt
       ihr Richter Stoll in der Urteilsbegründung vor, und habe so „ihre eigene
       Überzeugung mit Füßen getreten“. Gewalt, so Stoll, sei niemals ein
       legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung. Einen
       Rechtsextremisten krankenhausreif zu prügeln, weil er rechtsextrem sei, sei
       deshalb nicht weniger schlimm, als einen x-beliebigen anderen zu
       verprügeln.
       
       ## „Hetzerischer Überbau in Politik und Medien“
       
       Dutzende Unterstützerinnen und Unterstützer von Hanna S. hatten sich schon
       zwei Stunden zuvor vor der JVA versammelt, vor dem „Justizbunker“, wie sie
       den dortigen Gerichtssaal bezeichnen. Gleich unterhalb eines der Wachtürme
       hatten sie sich positioniert, hielten kurze Reden. Und Schilder in die
       Höhe, auf denen „Free Hanna“ steht, „Wir sind alle Antifa“ oder „Wir
       brauchen Hanna zurück!!!“. Ihre Wut auf die Behörden, die
       „Repressionsorgane“, wie sie sie nannten, ist groß. Den Glauben in eine
       unabhängige Justiz habe man ohnehin schon verloren, sagten die
       Sprecherinnen und Sprecher, aber dieser Prozess stelle noch einiges in
       Schatten: Dilettantisch, unverschämt, absurd – das sind die Bezeichnungen,
       mit denen das Verfahren belegt wurde.
       
       Der Rechtsruck finde nicht nur auf der Straße und in den Parlamenten,
       sondern auch in den Gerichtssälen statt, schimpfte etwa ein Vertreter der
       Antifaschistischen Aktion Süd. Das Verfahren bezeichneten die Rednerinnen
       und Redner als Schauprozess, in dem die linke Szene diffamiert und als
       gewaltbereit hingestellt werden solle, wohingegen Neonazis als wehrlose
       Opfer dargestellt würden. Das Ganze werde noch durch einen „hetzerischen
       Überbau in Politik und Medien“ unterstützt. „Friede den Hütten, Krieg den
       Palästen“, rief einer der Redner. Die Menge skandierte: „You are not
       alone!“
       
       Das mit dem Gewaltmonopol des Staates sahen bei der Kundgebung offenkundig
       nicht alle so wie das Gericht. „Dank an die, die Nazis schlagen“, riefen
       einige am Ende, als man sich vor der Gefängnismauer für ein [2][„Grußwort“
       an Maja T]. aufstellte, eine ebenfalls in dem Tatkomplex festgenommene und
       rechtswidrig an Ungarn ausgelieferte Person. Auch in Budapest ist [3][an
       diesem Freitag ein Verhandlungstag.]
       
       ## Ist UWP15 Hanna S.?
       
       In seiner Urteilsverkündung nimmt sich Stoll denn auch Zeit, auf die
       Vorwürfe einzugehen. Die Erzählungen von einem politischen Prozess und
       Repressionsbehörden bezeichnet er seinerseits als
       „Verschwörungsgeschichte“. Niemand rede dem Gericht rein, man sei in allen
       Entscheidungen völlig unabhängig gewesen.
       
       Es sei ganz einfach, sagt Stoll: Andere Menschen schlägt man nicht. Selbst
       wenn man annähme, der Staat täte zu wenig gegen Rechtsextremismus, würde es
       die „Menschenjagd“ in Budapest nicht im Ansatz rechtfertigen. Konkret waren
       es fünf Überfälle, die das Gericht den linken Aktivisten vorwarf. Bei zwei
       von ihnen sahen sie es als erwiesen an, dass Hanna S. sich beteiligt hatte.
       So soll sie sich auf den Arm eines Opfers gekniet haben, um es daran zu
       hindern, sich gegen Schläge und Tritte von Mitangreifern zu wehren.
       
       Die Verteidiger von Hanna S. hatten vergangene Woche einen Freispruch für
       ihre Mandantin gefordert, weil ihr die Beteiligung an den Überfällen nicht
       habe nachgewiesen werden können. Für das Gericht steht jedoch außer Frage,
       dass eine als UWP15 bezeichnete Frau auf Videoaufnahmen von den Taten Hanna
       S. ist. UWP steht für „unbekannte weibliche Person“.
       
       ## Keine Reue, kein Geständnis
       
       Das Gericht folgt im Wesentlichen der Einschätzung der
       Generalbundesanwaltschaft – außer in einem gewichtigen Punkt: Versuchten
       Mord vermag man in den Taten nicht zu sehen. Deshalb bleibt das OLG in der
       Strafzumessung auch deutlich unter den von der Anklage geforderten neun
       Jahren Freiheitsstrafe.
       
       Die Angegriffenen seien zwar, beispielsweise mit Teleskopschlagstöcken,
       stark malträtiert worden, es habe auch zahlreiche Platzwunden, Prellungen,
       Narben und gebrochene Rippen gegeben. Aber zu keiner Zeit hätten die
       Angreifer den Tod ihrer Opfer in Kauf genommen.
       
       Hanna S. ist nicht vorbestraft, ansonsten habe man aber keine nennenswerten
       mildernden Umstände berücksichtigen können, erklärt Stoll: keine Reue, kein
       Geständnis, keine Schadenswiedergutmachung, keinen Beitrag zur Aufklärung
       der Taten. Hätte man solche Faktoren berücksichtigen können, hätte man sich
       bei der Strafzumessung gleich in einem ganz anderen Rahmen befunden.
       
       Hanna S. kann gegen das Urteil Revision einlegen.
       
       26 Sep 2025
       
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