# taz.de -- Mit der Seawatch im Mittelmeer (1): Im Hafen mit der „Sea-Watch 5“
       
       > Seit zehn Jahren rettet Seawatch Geflüchtete auf dem Mittelmeer. Unser
       > Autor begleitet die Crew ihres größten Schiffes auf einem Einsatz.
       
 (IMG) Bild: Zuhause für die nächsten Wochen: Die „Sea-Watch 5“ kann bis zu 500 Personen aufnehmen
       
       Taranto taz | Als ich am Montagabend von Bari aus mit dem Zug im
       süditalienischen Taranto ankomme, steht die Sonne bereits tief über dem
       glatten Mittelmeer. Die rostigen Kräne des Industriehafens leuchten im
       Abendrot und hinter einem glitzernden Schutthaufen erscheint auf blauem
       Stahl der Name „Sea-Watch 5“.
       
       Die nächsten zwei bis drei Wochen werde ich die Crew des
       Seenotrettungsschiffs mit Platz für bis zum 500 Menschen bei ihrem Einsatz
       begleiten. [1][Seawatch e.v., eine spendenfinanzierte NGO,] hatte dieses
       Jahr ihr zehntes Jubiläum. Ein Grund zum Feiern ist das wohl nur bedingt –
       abhängig vom Blickwinkel.
       
       Taranato ist eine staubige Hafenstadt mit klapprigen Fabrikhallen und
       Fassaden in Sandtönen. Früher gab es mal viel Industrie. Jemand aus der
       Crew erzählt mir später, dass hier jeder dritte bei der Marine arbeitet.
       Den Liegeplatz hinter dem Scherbenhauen bekommt Seawatch abgesehen von
       Gebühren für die Müllabfuhr gratis. Das zertrümmerte Sicherheitsglas
       blockiert den Pier so sehr, dass Frachtschiffe dort nicht be- und abladen
       könnten.
       
       Zusammen mit Matilda von der Logistik steige ich aus dem Kleinwagen, mit
       dem sie mich von Bahnhof abgeholt hat. Sie führt mich auf dem Schiff herum,
       zeigt mir meine Kabine, ich schüttle viele Hände und dann gibt es
       Abendessen: Gegrillte Aubergine mit Tomatensoße, dazu Blumenkohl und ein
       dicker Brei, etwas zwischen Hirse und Polenta.
       
       Auf dem Hauptdeck trinke ich noch mit Alberto, dem italienischen
       Fotojournalisten, der ebenfalls den Einsatz begleitet, ein alkoholfreies
       Bier. Dann lege ich mich in meine Koje und schlafe innerhalb von Minuten
       ein.
       
       Die nächsten Tage auf dem 58 Meter langen Seenotrettungsschiff sind eng
       getaktet. Von morgens bis abends wird geübt, wie man Rettungswesten
       anzieht, eine Herzmassage durchführt, die Kombüse putzt oder das Schiff
       verlässt, wenn es brennt. Um dieses Training kommt auch ein mitreisender
       Journalist herum. Die „Sea-Watch 5“ wird den Hafen nicht verlassen, bis die
       dreißigköpfige Crew, bestehend aus Freiwilligen und festen Mitgliedern,
       bereit für den bevorstehenden Einsatz ist.
       
       Viele an Bord engagieren sich seit vielen Jahren für flüchtende Menschen.
       Einige fahren zum ersten Mal mit raus aufs Mittelmeer, andere begleiten die
       NGO beinahe seit sie gegründet wurde. Obwohl Seawatch ein deutscher Verein
       ist, fahren Menschen aus der ganzen Welt mit. Einen Überhang an Deutschen
       gibt es wohl, doch die Schiffssprache ist Englisch.
       
       Als es bei der allmorgendlichen Runde der Vorfall auf der „Ocean Viking“
       zur Sprache kommt, bei dem im August das Rettungsschiff der NGO SOS
       Méditerrannée [2][von der lybischen Küstenwache beschossen wurde], geht ein
       Hauch der Anspannung durch die Messe. Ein Crewmitglied sagt mir, in seiner
       süddeutschen Heimat erzähle er lieber nicht, für welche Organisation er
       arbeitet. Er sage immer nur, er arbeite auf einem Boot.
       
       Am dritten Tag redet A.P., der dritte Offizier, merklich schneller als bei
       vorherigen Trainings. Heute geht es darum, wie man im Notfall ein Schiff
       mit 300 Personen an Bord evakuiert, die Rettungsinseln zu Wasser lässt und
       gleichzeitig potenzielle Feuer löscht. Doch die Eile ist nicht nur dem
       Thema geschuldet, denn es ist keine Zeit mehr zu verlieren. Bis es am
       Montag losgeht Richtung [3][lybischer Küste], gibt es noch viel zu tun.
       
       19 Sep 2025
       
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