# taz.de -- Demokratienetzwerk in Sachsen: Stadtrat in Wurzen will keine Zivilgesellschaft
       
       > Das Netzwerk für Demokratische Kultur in Wurzen gibt es seit 25 Jahren.
       > Doch im Stadtrat blockieren unter anderem CDU und AfD die Finanzierung.
       
 (IMG) Bild: Die Idylle trügt – die Rechten wollen das Netzwerk für Demokratische Kultur nicht mehr fördern
       
       Dresden taz | Drei Tage nach seinem 25. Jubiläum am 6. September bescherte
       der Stadtrat von [1][Wurzen] bei Leipzig dem [2][Netzwerk für Demokratische
       Kultur (NKD)] ein makabres Geschenk. Mit klarer Mehrheit von AfD, CDU und
       „Bürger für Wurzen“ verschärften die Stadträte am Dienstagabend einen
       Beschluss vom April, der die Finanzierung des NDK bedroht. Nur zwei Linke
       und der parteilose Bürgermeister Marcel Buchta stimmten für eine
       Kompromissvorlage der Stadtverwaltung. Acht Stadträte fehlten.
       
       [3][Im April] hatte dieselbe Mehrheit die städtische Förderung des NDK –
       den sogenannten Sitzgemeindeanteil von 12.900 Euro – blockiert. Dieser
       Beitrag ist wiederum Voraussetzung für die Kulturraumförderung von etwa
       70.000 Euro. Das ist etwa die Hälfte des jährlichen Finanzierungsbedarfs.
       Private Spender wollten daraufhin einspringen und hatten bereits Geld in
       Höhe des Stadtanteils gesammelt. Aber auch diese Übernahme verhinderte nun
       der Stadtrat. Die Verwaltungsvorlage hatte die Annahme der Spende
       empfohlen, wenn der Stadtrat im Gegenzug beim Veranstaltungsprogramm
       mitreden dürfe.
       
       Das Klima im Stadtrat erinnert an das Umfeld, in dem das NDK gegründet
       wurde. Ende der 1990er-Jahre strebten NPD und rechte Netzwerke in
       Mittelsachsen eine „national befreite Zone“ an, in der sie die kulturelle
       Vorherrschaft beanspruchten. Die Stadtspitze und viele Bürger schauten weg,
       wie das NDK auf seiner Website beschreibt. Eine Handvoll Jugendlicher –
       Punks und Mitglieder der Jungen Gemeinde – widersetzten sich und gründeten
       das NDK in einem Hinterhaus als Zufluchtsort für nichtrechte Jugendliche.
       
       Mit Beharrlichkeit und Einsatz wurde daraus eine Erfolgsgeschichte. Im
       provisorischen Quartier an der Bahnhofstraße überstand das NDK einen
       Bombenanschlag. Dank der Amadeu-Antonio-Stiftung und eines Berichts im
       „Stern“ kamen 80.000 Euro Spenden zusammen. Damit kaufte das NDK 2001 ein
       Grundstück in bester Lage neben dem Wurzener Dom: das alte Domherrenhaus,
       das in der DDR als Schule für behinderte Kinder diente und nach der Wende
       leer stand. Die Stadt erkannte das NDK als Projektträger an. Weitere
       Spenden und tausende Stunden freiwilliger Arbeit ermöglichten 2006 die
       Eröffnung. Bis heute wird das Gebäude, vor allem die oberen Etagen,
       ausgebaut.
       
       ## Beim NDK bleibt man gelassen
       
       Die erneute Attacke aus dem Stadtrat seit dem Frühjahr nahm man im NDK und
       in Unterstützerkreisen gelassen. „Wir sind Aktivist*innen und
       Idealisten, wir lassen nicht sofort den Stift fallen“, erklärte
       Geschäftsführerin Martina Glass. „Es war immer knapp, aber wir haben es in
       jedem Jahr geschafft, diesmal nicht.“ AfD-Stadtrat Lars Vogel hätte in der
       Sitzung am 15. April besonders gegen das NDK gehetzt und kaum Widerspruch
       geerntet. Die CDU sei gespalten, frühere Fürsprecher säßen nicht mehr dort,
       schätzt Martina Glass ein. SPD und Linke stellen nur je zwei Stadträte.
       
       Über das Totschlagargument, das NDK sei linksextremistisch, kann man im
       Haus neben dem Wurzener Dom nur lachen. Es hält sich hartnäckig. „Die
       Erzählung vom Linksextremismus ist völlig albern“, spottet Linken-Stadtrat
       und Kreisvorsitzender Jens Kretschmer. „Wir sind die Linken, weil wir über
       die rechte Szene berichten“, stimmt ihm Martina Glass zu.
       
       Linksextrem zeigt sich der NDK wahrlich nicht, höchstens, wie es so heißt,
       „bunt“. Ein Beispiel: das Jubiläumsfest am vergangenen Wochenende auf dem
       Domplatz. Es bot einen kabarettistischen Rückblick auf das „Nett-Werk“,
       einen russisch-ukrainischen Frauenchor und ein honduranisches Musiktrio.
       Der Leipziger Universitätschor steuerte deutsche Leitkultur bei – doch die
       Pseudo-Patrioten im Stadtrat blieben fern.
       
       Mit seinen Angeboten ergänzt das NDK den städtischen Kulturbetrieb, der
       ebenfalls unter Kürzungen leidet. Ob das NDK 2026 noch existiert, ist
       ungewiss. Geschäftsführerin Martina Glass zeigt sich unbeeindruckt: Man
       schaut mit der gleichen Unerschütterlichkeit in die Zukunft wie die
       vergangenen 25 Jahre.
       
       11 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Rassismus-in-Sachsen/!5520152
 (DIR) [2] https://www.ndk-wurzen.de/
 (DIR) [3] https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wo-demokratiearbeit-keine-tradition-mehr-ist-in-wurzen-macht-der-stadtrat-afd-kritikerinnen-mundtot-135669/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
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