# taz.de -- Köfteessen mit Freunden: Die Möchtegern-Politiker
       
       > Meine Freunde wollen zwecks Rettung der Welt in die Politik gehen. Ich
       > würde mich anschließen. Vorher muss ich nur abspülen und mein Bier
       > austrinken.
       
 (IMG) Bild: Wegen solcher Lackaffen will unser Kolumnist in die Politik: Erdogan und Trump im Oval Office
       
       Unser Nachbar Ahmet und seine Frau Fadimanim haben meine Frau Eminanim und
       mich zum Abendessen eingeladen, um die aktuelle politische Situation zu
       analysieren. Denn in der Türkei passieren unglaubliche Dinge, wie zum
       Beispiel, dass täglich in verschiedenen Städten die gewählten
       [1][Bürgermeister der Opposition ins Gefängnis gesteckt werden], ja, sogar,
       bevor sie gewählt wurden, damit sie nicht gewählt werden können.
       
       Zugegeben, mich lockten eher die Köftes und die gefüllten Paprikas, die
       Frau Fadimanim so herrlich zubereiten kann. Unser gemeinsamer Freund Nedim
       – auch glühender Liebhaber gut gebratener Köftes – und seine Gattin
       Hümeyranim sind ebenfalls anwesend.
       
       Nach dem Essen bittet uns Ahmet auf seinem berühmt-berüchtigten
       ’West-Östlichen-Sofa’ Platz zu nehmen. Schade, dass das Sofa nicht sprechen
       kann. Sonst hätte es berichten können, wie wir jahrelang unsere
       Diskussionen am Abend mit Köfte und dem Abendland angefangen und morgens
       mit Baklava und dem Morgenland aufgehört haben. Heute jedoch überraschen
       mich Ahmet und Nedim mit einer spektakulären Idee: Beide wollen in die
       Politik gehen und sogar kandidieren! Ahmet hat sich die türkische Politik
       vorgenommen und Nedim die deutsche.
       
       „Und, wo willst du kandieren, Osman? Oder willst du deine Meinung weiterhin
       dem Fernseher ins Gesicht brüllen?“, machen die beiden sich über mich
       lustig.
       
       „Leute, warum soll ich mich denn mit der mickrigen Politik in Deutschland
       oder in der Türkei rumärgern? Die USA bestimmen ohnehin was in diesen
       beiden Ländern geschieht. Deshalb würde ich gerne das Übel direkt an der
       Wurzel packen und mein politisches Debüt in Washington geben. Aber meine
       mangelhaften Englischkenntnisse erlauben es mir leider nicht“, tue ich sehr
       souverän.
       
       „Osman, ein Jahr Englischkurs bei der Volkshochschule und dann kann der
       [2][Trampel] einpacken“, lacht meine Frau Eminanim. Ich glaube, meine Frau
       will mich loswerden und am liebsten über den großen Teich schicken. Nach
       dem vierten Bier erkläre ich Ahmet, dass in der Türkei die oppositionellen
       Politiker [3][einer nach dem anderen im Knast landen] und er zieht sich auf
       der Stelle frustriert aus der türkischen Politik zurück, bevor er überhaupt
       losgelegt hat.
       
       „Ich möchte schon in die Politik, aber nicht ins Gefängnis“, brummt er.
       „Dann kandidiere doch in Deutschland, wie ich“, meint Nedim. Und um zu
       demonstrieren, wie gut er sich vorbereitet hat, fängt er an, die deutsche
       Politik seit Bismarck zu analysieren. Dabei weiß er nicht mal, dass der
       ehemalige Bundeskanzler [4][Schröder] nach seiner Abwahl zum Feind
       übergelaufen ist.
       
       „Wie? Arbeitet Schröder wirklich für Putin?“, wundert er sich bis über
       beide Ohren. Genau an dem Punkt, an dem ich nach zwei Tellern Köfte und
       fünf Flaschen Bier den politischen Diskurs gewonnen, die beiden
       Möchtegern-Politiker platt gewalzt und in die Bedeutungslosigkeit verwiesen
       habe, ruft meine Frau Eminanim: „Osman, komm bitte in die Küche. Heute bist
       du mit dem Geschirrspülen dran. Die Welt kannst du beim nächsten Köfteessen
       retten!“
       
       5 Oct 2025
       
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