# taz.de -- Doku über NRW-Thrashmetalband Kreator: Veganer, die Innereien essen
       
       > „Kreator – Hate & Hope“, ein Dokfilm über die Thrashmetaller Kreator aus
       > Essen, porträtiert die Stars hinter ihrer finsteren Inszenierungswelt.
       
 (IMG) Bild: Ein Metalhead mit Fahrradhelm: Mille Petrozza fährt zur Schicht mit Kreator
       
       Es kursieren viele Klischees und Vorstellungsbilder über Metal, manche
       davon sind begründet, manche unbegründet. In den letzten ein, zwei
       Jahrzehnten hat sich zum Beispiel die Wahrnehmung verbreitet, dass
       Metalfans und -Künstler:Innen ein überdurchschnittlich gutgewillter,
       vielleicht knurriger, aber doch herzenswarmer Menschenschlag sein sollen.
       
       Was wiederum im krassen Gegensatz zum martialischen Gestus, den
       Inszenierungsstrategien und auch zu der noch in den 1980ern und 1990ern
       vorherrschenden Annahme steht, betont böse Musik könnte weite Teile der
       Jugend zu Satanisten mutieren lassen. Ein weiteres Diktum: Die Metal-Szene
       wird von überdurchschnittlich leidenschaftlichen Fans getragen, die für
       ihre Grille keine Kosten und Mühen scheuen.
       
       Beides wird vom Dokumentarfilm „Kreator – Hate & Hope“ aufs
       Allerdringlichste bestätigt. Seine Regisseurin Cordula Kablitz-Post hat
       die Ruhrpott-Band und da in der Hauptsache den Kreator-Sänger und
       Gitarristen Mille Petrozza über ein Jahr mit der Kamera begleitet.
       
       ## Auffe Arbeit in die Zeche Carl
       
       So sehen wir etwa einen Raum des Veranstaltungsorts der „Zeche Carl“ in
       Essen, in dem Kreator seit Bandgründung im Jahr 1982, damals zunächst noch
       unter dem Namen Tyrant, (und bis heute) proben. Der Zeitstrahl des Films
       zeigt zurück in die Gründungszeit und verläuft dann einmal quer durch die
       Bandgeschichte, [1][um die Musiker vor allem unterwegs auf Tournee] rund um
       die Welt zu begleiten. Es geht vom Wacken Open Air in Schleswig-Holstein
       über Auftritte in Tokio, Osaka, Bangalore und Los Angeles und wieder zurück
       zum „Klash of the Ruhrpott“-Megakonzert nach Gelsenkirchen.
       
       Ebendort haben im Sommer 2024 vier der großen hiesigen Thrash-Metal-Bands
       gespielt: Tankard, Destruction, Sodom und eben Kreator. Und letztere
       Formation ist dann auch die einzige der Genannten, die bis heute
       international präsent bleibt und entsprechend Menschen aus aller Welt
       anzieht.
       
       Der „Klash of the Ruhrpott“ musste übrigens wegen Unwetter abgebrochen
       werden, und das Leid in den Gesichtern der Fans, die für den Abend
       teilweise über tausende Kilometer angereist waren, ist herzerweichend. Man
       sieht in „Hate & Hope“ sehr schön, wie die Metal-Szene funktioniert.
       Weltweit gelten die gleichen Insignien und Codes, eine Community, vereint
       im streng strukturierten Krach.
       
       ## Der Protagonist als guter Mensch
       
       Der Film ist aber nicht nur eine Hommage an eine besonders lustige und
       berührende Ecke der Popkultur, sondern auch ein Porträt der
       Integrationsfigur, Kreator-Sänger und Songschreiber Mille Petrozza. Hier
       bewahrheitet sich dann die Vermutung, [2][dass drastische Künstler nicht
       zwangsläufig grenzüberschreitende oder anderweitig extreme oder unangenehme
       Menschen sein müssen].
       
       In den Songtexten ihrer Frühphase und auch bis heute wurden von Kreator
       immer wieder Sodom und Gomorrha beschworen. In einem der ewigen Klassiker,
       „Flag of Hate“, immer noch gerne live gespielt, keift Mille Petrozza alles,
       was Ohren hat, in Grund und Boden: „I’ll eat your intestines – no matter if
       you pray or please / I’ll bring you down to your knees / Tonight you’re
       gonna meet your fate / You’ll try to run but it’s too late“.
       
       Im Kontrast dazu sieht man vor der Kamera einen in sich ruhenden, sich ohne
       Weiteres vegan ernährenden Menschen. Zur Gewaltlyrik kam sehr bald in der
       Bandgeschichte dann auch ein für die deutsche Metalszene ungewohnt
       unmissverständlicher antifaschistischer Einschlag hinzu. [3][In einer Szene
       trägt Mille ein Band-T-Shirt von Tocotronic („Jugend ohne Gott gegen
       Faschismus“),] und es geht einem ein weiteres Mal das Herz auf.
       
       ## Buddhistisch gelassen
       
       Die Diskrepanz zwischen so etwas wie „My greed for blood is growing more
       and more / My aggressions became too extreme to be kept under control“ und
       dem nahbaren Auftreten und Erscheinen der Sympathen in „Hate & Hopes“
       jedenfalls ist immer wieder sehr bezaubernd, und man ist am Ende des Films
       geneigt, wieder an längst ad acta gelegte Ideen von Katharsis zu glauben:
       Was man auf der Bühne und im Studio, also in der Kunst, symbolisch
       ausagiert, muss im Leben dann keine Rolle mehr spielen, als Impuls oder
       Fantasie. Und die vier von Kreator wirken wie ein einziger Ausbund
       buddhistischer Gelassenheit.
       
       Die Musik tut ihr Übriges: Der hyperaggressive Hochgeschwindkeitsmetal mit
       Punkeinschlag, den die Band bis heute, nach ein paar Suchbewegungen in den
       neunziger und nuller Jahren wieder spielt, ballert ungemein und formt
       walzenartige Musik. Und dieser Sound ist inzwischen – auch das deutet der
       Film an –, [4][zum kanonischen Kulturgut der Ruhrregion nach Schließung der
       Bergwerke geworden].
       
       Kreator ist einer der wenigen deutschen international präsenten
       popkulturellen Exportschlager. Was auch deswegen schön ist, weil die Musik
       von Kreator nicht tümelt, sondern im Rahmen einer schon in den achtziger
       Jahren über Mailorder und Brieffreundschaften international vernetzten
       Szene entstanden ist.
       
       ## Lärm, immer anders
       
       „Hate & Hope“ hat als Dokfilm keine These und liefert auch keine
       Metaerzählung, die er der Band überstülpt. Dabei werden Menschen einfach
       mit der Kamera beobachtet, wie sie mit ihren Händen Kunstvolles erschaffen,
       nämlich mitreißenden Krach („Es ist nicht einfach immer nur derselbe Lärm.
       Es ist immer anderer Lärm“, bekundet der Kollege Scott Ian von der US-Band
       Anthrax im Interview anerkennend), und über die Arbeit, ihre Kunst
       sprechen.
       
       Eine Erzählung über Pop in der Klassengesellschaft gelingt Regisseurin
       Cordula Kablitz-Post implizit dann aber doch. Für Menschen, die als Söhne
       von Gastarbeitern in einer sich im steten ökonomischen Sinkflug befindenden
       Region aufgewachsen sind, ist eigentlich weltweiter Erfolg nicht
       vorgesehen.
       
       Das ist eine weitere Ebene, auf der „Hate & Hope“ ganz ausgezeichnet
       funktioniert: Mit den denkbar schlimmsten Texten und der für Genre-ungeübte
       Ohren fürchterlichsten Musik aus einer sogenannten abgehängten Region
       ausbrechen und mit der Sache nicht wenig Geld verdienen, die man liebt und
       die man unheimlich gut kann. Die beste Rache von Kreator ist ihr gutes
       Leben.
       
       3 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benjamin Moldenhauer
       
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