# taz.de -- Funktionär über Zustand der Hamas: „Solange es Besatzung gibt, wird es Widerstand geben“
       
       > Die arabische Liga wendet sich in einer Erklärung gegen die Hamas. Ein
       > Sprecher der Terrororganisation sieht keinen Grund, darauf einzugehen.
       
 (IMG) Bild: Mindestens 59.000 Menschen sind in Gaza seit dem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 gestorben. Hier Hamas-Kämpfer in Gaza, 2023
       
       Die Hamas ist für den [1][Terrorangriff vom 7. Oktober 2023] auf Israel
       verantwortlich und wird von EU, Großbritannien, USA und anderen als
       Terrororganisation geführt. Sie selbst bezeichnet sich als
       Widerstandsbewegung gegen die israelische Besatzung. Viele Versuche, einen
       Gesprächspartner bei der Hamas zu finden, scheitern. Doch dann stimmt ein
       Funktionär zu: Walid Kilani, Hamas-Sprecher im Libanon. Er hält sich dort
       in einem palästinensischen Flüchtlingslager auf. Ein Treffen vor Ort lehnte
       er ab: Das sei zu gefährlich. Er sei ein mögliches Ziel israelischer
       Drohnen. Schließlich kommt es zu einem Telefonat. 
       
       taz: Die arabischen Staaten, darunter Saudi-Arabien, Katar und Ägypten,
       haben am Dienstag während einer UN-Versammlung in New York die Hamas in
       einer Erklärung dazu aufgefordert, die Kontrolle über Gaza abzugeben und
       die Waffen niederzulegen. Was sagen Sie dazu? 
       
       Walid Kilani: Die arabischen Länder sollten ein Ende der Besatzung fordern,
       nicht ein Ende des palästinensischen Volkes und seines Widerstands.
       
       taz: Deutschland unterstützt Israel politisch und militärisch. Wie sehen
       Sie die Rolle der deutschen Regierung in Gaza? 
       
       Walid Kilani: Viele europäische Länder solidarisierten sich anfangs mit
       Israel. Aktuell ändert sich die Haltung einiger Staaten – die [2][deutsche
       Regierung steht weiterhin fest an Israels Seite] und unterstützt den
       Genozid. Das schockiert uns. Gleichzeitig sehen wir, dass Deutsche dagegen
       protestieren. Dafür haben wir Respekt.
       
       taz: Deutschland hat aufgrund der Shoah eine besondere Verantwortung
       gegenüber Israel. 
       
       Walid Kilani: Israel begeht Kriegsverbrechen und erhält weiterhin Waffen.
       Deutschland sollte das einstellen und sich den Positionen anderer
       europäischer Länder anschließen. Gerade nach den aktuellen Ereignissen in
       Gaza, wo wahllos Menschen bei Essensausgaben getötet werden.
       
       taz: Ihr Kollege Ali Baraka sagte vor einem Jahr: Israels Premier Benjamin
       Netanjahu wolle den Krieg verlängern, um an der Macht zu bleiben; die Hamas
       wolle ein Ende des Krieges. Warum agiert sie dann nicht so? 
       
       Walid Kilani: Netanjahu will, dass der Krieg weitergeht. Sonst endet seine
       politische Macht und er wird vor Gericht gestellt werden. Wir wollen ein
       Ende aber nur unter der Bedingung eines vollständigen Waffenstillstands und
       humanitärer Hilfe. Und wir wollen die palästinensischen Geiseln zurück, die
       teilweise seit 40 Jahren in Gefangenschaft sind.
       
       taz: Sie meinen [3][die palästinensischen Häftlinge in israelischen
       Gefängnissen]. Warum lassen Sie aber nicht die israelischen Geiseln frei? 
       
       Walid Kilani: Es geht nicht nur um die Geiseln. Es ist ein umfassendes
       Abkommen, das einen Waffenstillstand, den Rückzug der Israelis aus Gaza,
       die Einbringung von humanitärer Hilfe und Wiederaufbau beinhaltet. Dann
       wird Hamas auch die Geiseln freilassen.
       
       taz: Israel verlangt, dass Hamas die Waffen niederlegt und ihre Führer ins
       Exil schickt. Das wäre doch ein Weg, um weiteres Leid zu verhindern. 
       
       Walid Kilani: Solange es Besatzung gibt, wird es Widerstand geben. Dieser
       Widerstand wird sogar durch eine UN-Resolution geschützt. Das Ziel ist es,
       unser Land zu befreien. Warum verwehrt man uns unsere Rechte und unser
       Land? Warum dürfen wir nicht zurückkehren? Sie selbst sagen, Sie kommen aus
       Deutschland. Wir wurden geboren, ohne Palästina je gesehen zu haben. Es
       gibt Millionen, die weit von zuhause entfernt leben. Ist das fair?
       
       Die UN-Generalversammlung erkennt das Recht auf Selbstbestimmung und
       Widerstand gegen Besatzung an, zum Beispiel in der Resolution 37/43 von
       1982, nicht jedoch Gewalt gegen Zivilisten, die nach internationalem Recht
       verboten bleibt. 
       
       taz: Gaza liegt nun in Trümmern. Trägt die Hamas, die Israel angegriffen
       hat, dafür nicht auch Verantwortung? 
       
       Walid Kilani: Der israelische Angriff richtet sich nicht nur gegen die
       Hamas, sondern gegen alle Menschen. Kein Leben wird verschont, Hunger
       gezielt als Waffe eingesetzt. Sie werden in Zelten verbrannt, etliche
       Journalisten getötet. Auch medizinisches Personal wurde umgebracht.
       Netanjahu ist ein Kriegsverbrecher und wird vom Internationalen
       Strafgerichtshof gesucht.
       
       taz: Seit dem 7. Oktober wurden mindestens 59.000 Palästinenser im
       Gazastreifen getötet. Hat die Hamas mit solchen massiven Angriffen
       gerechnet? 
       
       Walid Kilani: Unabhängig vom 7. Oktober gilt – solange es eine Besatzung
       gibt, wird es Widerstand geben. Israelische Politiker bezeichnen
       Palästinenser als Tiere und vertreiben uns aus Palästina. Warum also wird
       der Widerstand für das verantwortlich gemacht, was dort passiert?
       
       taz: Das beantwortet nicht die Frage, ob Hamas die Bombardierungen durch
       Israel einkalkuliert hat. 
       
       Walid Kilani: Der Konflikt hat nicht am 7. Oktober begonnen. Er dauert 77
       Jahren an, seit 1948. Unser Feind hat schon tausende Palästinenser lange
       zuvor getötet. Sie müssen das Recht auf ihr Land bekommen und in Würde in
       einem souveränen Staat leben. Nur so kann es Frieden geben.
       
       taz: Im Gazastreifen gab es jüngst einige Proteste gegen die Hamas.
       Medienberichte zeigen, dass die Hamas diese niedergeschlagen und
       Demonstrierende getötet hat. 
       
       Walid Kilani: Warum sollten sie das tun? Die Medien, die mit den Israelis
       stehen, wollen Hamas als Mörder darstellen. Aber das Problem liegt nicht
       bei Hamas, sondern bei der israelischen Besatzung. Sie verursacht dieses
       Leid, warum reden wir nicht darüber?
       
       taz: Sie behaupten also, [4][trotz aller Medienberichte], das sei nicht
       passiert? 
       
       Walid Kilani: Nein.
       
       Auch Berichte internationaler Organisationen belegen gewaltsame Übergriffe
       auf Protestierende: Sie sollen bedroht und geschlagen worden sein. Auch
       soll mindestens ein Mensch nach Angaben Angehöriger zu Tode gefoltert
       worden sein. 
       
       taz: Sie fordern einen Staat Palästina in den Grenzen von 1948. Bedeutet
       das nicht die Auslöschung Israels? 
       
       Walid Kilani: Das Land muss zurückgegeben werden, die Israelis unsere
       Häuser verlassen. Die Rechten in Israel wollen auch in Gaza Siedlungen
       bauen. Wie sollen wir mit denen Frieden schließen, die uns vertreiben?
       [5][Heute gibt es hunderte Siedlungen im Westjordanland]. Dort werden
       Palästinenser getötet, ihre Häuser verbrannt.
       
       taz: Wohin sollen die Israelis gehen, die dort leben? 
       
       Walid Kilani: [6][Zum Beispiel nach Russland oder Europa]. Es ist das Land
       der Palästinenser, wir wurden vertrieben. Nicht wir müssen eine Lösung für
       sie suchen, sondern internationale Staaten. So wie sie damals Israelis
       hierhergebracht haben, sollen sie jetzt einen anderen Ort finden.
       
       taz: Israel wirft der Hamas vor, nicht nur Israel, sondern alle Juden
       vernichten zu wollen – also einen explizit antisemitischen Krieg zu führen. 
       
       Walid Kilani: Unser Feind sind nicht die Juden, sondern die Zionisten. Wenn
       die Zionisten wirklich gehen würden, hätten wir kein Problem mit den Juden.
       
       taz: Was nichts anderes hieße, als dass Israel nicht länger existieren
       würde. Der Premier Benjamin Netanjahu sagte jüngst: „Es wird keine Hamas
       mehr geben, wenn wir die Organisation vollständig eliminiert haben.“
       Fürchten Sie, dass ihm das am Ende gelingen könnte? 
       
       Walid Kilani: Er hat das schon vor 635 Tagen gesagt – und bis heute hat er
       es nicht erreicht. Er hat nicht den „totalen Sieg“ errungen. Sie wollten
       den Widerstand zerstören – und haben es nicht geschafft. Sie wollten, dass
       die Palästinenser die Hoffnung verlieren – das ist nicht passiert. Auch
       [7][die Hungersnot] hat den Widerstand nicht zur Kapitulation gezwungen.
       Netanjahu hat in allen Zielen versagt. Er hat keinen Sieg errungen und ist
       immer wieder daran gescheitert, seine behaupteten Ziele zu erreichen.
       
       taz: Wie stark ist die Hamas dieser Tage noch? 
       
       Walid Kilani: Militärisch ist der Feind weitaus stärker. Selbst wenn wir
       nur mit Kugeln kämpfen müssen, wird der Widerstand bestehen und an seinen
       Rechten festhalten. Wir werden nicht kapitulieren.
       
       taz: Das klingt optimistisch. Etliche Anführer wurden getötet und die
       Organisation geschwächt. 
       
       Walid Kilani: Unser Widerstand beruht nicht auf einer einzelnen Person. Wir
       arbeiten hierarchisch und in getrennten Gruppen. Ja, wir haben viele
       unserer ranghöchsten Generäle verloren – aber das hat uns nicht geschwächt.
       Unsere Struktur ist so: Selbst wenn ein Anführer getötet wird, stehen
       mehrere bereit, um dieselben Ziele weiterzuverfolgen: die Befreiung unseres
       Landes.
       
       30 Jul 2025
       
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