# taz.de -- Werkschau für A K Dolven: Sie spannt den Muskel an und schießt
       
       > Zupackend und zart sind die Werke der norwegischen Künstlerin A K Dolven.
       > Das Nationalmuseum in Oslo richtet ihr eine tolle Werkschau aus.
       
 (IMG) Bild: Kurz vor dem Abschuss: Szene aus A K Dolvens 16mm-Stummfilm „amazon“ von 2005
       
       Seit Jahrzehnten sprengen die Arbeiten von A K Dolven die Räume von
       Kunstinstitutionen bei Ausstellungen. Ihre Film- und Videowerke, ihre
       abstrakte Malerei, die expressiven Hand- oder Fußabdrücke, ihre Zeichnungen
       oder Soundworks sind fordernd oder zart, zupackend oder meditativ,
       innerlich oder nach außen gewandt. Oft sind sie all dies zusammen. Sie
       nutzen Marmor und Stahl, Licht und Schatten, Klang und Schnee.
       
       Die Werke der Künstlerin sind Teil der norwegischen Natur, in der sie
       entstanden sind, oder sie drängen in die Stadträume weltweit. A K Dolven,
       Jahrgang 1953, kommt aus Oslo, war viele Jahre in der aufbrechenden
       Kunstszene Berlins der Wendezeit verankert, danach im kulturell produktiven
       Vor-Brexit-London, heute arbeitet sie wieder in Oslo und auf den Lofoten.
       
       Die Besucher:innen ihrer großartigen Überblickschau „amazon“ [1][im
       Nationalmuseum] in der norwegischen Hauptstadt sollten von der Festung
       Akershus her darauf zugehen. Denn so lässt sich am eigenen Leib erfahren,
       wie die Künstlerin mit ihrer Kunst selbstbewusst leicht und ohne
       aktivistischen Gestus in die politischen und philosophischen Diskurse
       unserer Zeit eingreift.
       
       In „Untuned Bell“ (2010–2020) geschieht dies im Dialog mit der
       Überwältigungsarchitektur, die den kleinen Osloer Jachthafen dominiert: der
       Festung, dem gigantischen Rathaus und dem gastgebenden Nationalmuseum
       selbst. Das befindet sich in einem breitbeinigen Bau, vor wenigen Jahren
       nach Plänen des deutschen Architekten Klaus Schuwerk, Kleihues + Schuwerk
       Architekten, fertiggestellt, dessen fast fensterlose Schieferfassade recht
       abweisend wirkt.
       
       ## Jeder darf die Glocke läuten
       
       Vor diesem Dreieck städtebaulicher Selbstdarstellung demonstriert A K
       Dolvens große, elegante Soundskulptur, dass ein künstlerisches Statement im
       öffentlichen Raum dem Publikum zugewandt sein kann. Zwischen zwei
       Stahlpfeilern an einem Stahlseil hängt in 20 Metern Höhe eine große,
       schwere Glocke, die zum Klingen gebracht wird durch das entschiedene
       Niederpressen eines „Cry Baby“-Fußpedals, eines Readymades aus der
       Rockgeschichte.
       
       Die Assoziation der englischen Redewendung „putting your foot down“ (etwa:
       „den eigenen Standpunkt behaupten“) ist durchaus erwünscht. Denn jede:r
       Passant:in ist eingeladen, das Pedal zu bedienen und durch diesen
       performativen Akt nicht nur spielerisch den normierten Alltagstrott zu
       unterbrechen, sondern mit dem Glockensound auch ein demokratisches
       Störgeräusch in die Stadtratssitzungen zu senden. Die Wirkungsweise dieser
       Arbeit ist charakteristisch für Dolvens Gesamtwerk. So wie die
       Entstehungsgeschichte [2][von „Untuned Bell“ charakteristisch] ist für
       ihren Arbeitsprozess.
       
       Die Künstlerin entdeckte die aus musikalischen Gründen ausgemusterte Glocke
       als Altmetall und sah in ihrer Herabstufung eine metaphorische Relevanz,
       deren künstlerische Möglichkeiten sie in einem Notizbuch untersuchte.
       
       Seit 1988 führt A K Dolven solche Notebooks, in denen sie forschend,
       zeichnend und schreibend ein Themenfeld, ein Erlebnis, ein Phänomen oder
       einen Gedanken umkreist, und so sind diese Bücher auch Denkräume und
       eigenständigen Kunstwerke. Es ist faszinierend, die Notizen in der
       Ausstellung zu betrachten und ihre Echos in den gezeigten Werken
       aufzuspüren.
       
       Mal sind aus ihnen tonnenschwere Arbeiten hervorgegangen, mal fast
       abstrakte, flüchtige Videoarbeiten, deren Sinn das Erleben der Zeit ist,
       etwa „januar“ (1997), worin sich mal die eine, mal die andere weibliche
       Brust aus einer nebelfarbenen Flüssigkeit hebt und senkt. Oder „THE doors“
       (1996); hier folgt der Blick gebannt einem Luftzug, der mit zwei
       Schwingtüren spielt.
       
       ## Atemberaubendes Erlebnis
       
       In diesen Werkkorpus gehört auch Dolvens Auseinandersetzung mit ikonischen
       Frauenfiguren wie etwa „amazon“ (2005). In diesem Film schnellt das Auge
       der Betrachterin 90 Sekunden lang im rasanten Wechsel von Close-up und
       Halbtotaler zwischen Finger, Hand, Schulter und Arm der Bogenschützin hin
       und her und schießt schließlich mit dem Pfeil von der gespannten Sehne weg.
       Es ist ein atemberaubendes Erlebnis von Kraft, Mut, Geschwindigkeit und
       Rhythmus, dem ein stumm bleibendes Stück von [3][Dmitri Schostakowitsch
       z]ugrunde liegt.
       
       Ansonsten ist der Parcours durch diese Ausstellung mit den Klängen von
       Dolvens Soundarbeiten unterlegt, und er betont die Erfindungsgabe ihrer
       inspirierenden Kunst. In ihr begegnet man einer reichhaltigen Welt, die
       sich lange denkend und zuhörend betrachten lässt.
       
       4 Aug 2025
       
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