# taz.de -- Budapester Bürgermeister: Karácsony droht Gefängnis
       
       > Weil er die von Órban verbotene Pride Parade zuließ, muss Budapests
       > Bürgermeister nun mit Konsequenzen rechnen. Das könnte seiner Popularität
       > helfen.
       
 (IMG) Bild: Opfer oder Märtyrer? Budapests Bürgermeister Gergely Karacsony soll vor Gericht
       
       Wien taz | Irgendwann wurde es Gergely Karácsony zu viel. „Die Bekämpfung
       von Kakerlaken ist keine Sache der Stadtregierung“, antwortete der
       Budapester Bürgermeister einem konkurrierenden Politiker, der von
       Ungeziefer in einem Krankenhaus berichtete. Der Austausch schaffte es
       dieser Tage in zahlreiche ungarische Medien. Die Kakerlaken sind
       symptomatisch für das marode Gesundheitssystem und generell für den
       Abwärtstrend, in dem sich Ungarn seit Jahren befindet. Dafür zeichnet vor
       allem einer verantwortlich: Viktor Orbán, der seit 2010 durchregiert und
       mehr um den eigenen Vorteil als um die vielen Probleme bemüht ist.
       
       Als oppositioneller Hauptstadt-Bürgermeister sind die Möglichkeiten
       begrenzt, geht doch fast alle Macht von der Zentralregierung aus. Dennoch
       wirft sich Karácsony mit aller Kraft gegen Orbán. Als die ungarische
       Regierung die Teilnahme an der [1][Budapest Pride] zur Straftat erklärte,
       machte Karácsony diese schlichtweg zu einer städtischen Veranstaltung und
       umging damit das Versammlungsverbot. Mehr als 200.000 Menschen gingen
       daraufhin trotz drohender Geldstrafen auf die Straße. Karácsony pokerte
       hoch – mit Erfolg. Nun droht ihm wegen der Aktion allerdings ein Jahr
       Gefängnis.
       
       Dabei wurde der Mann nicht unbedingt als Revolutionär geboren. Karácsony
       wuchs als Sohn zweier Gartenbauingenieure im Osten Ungarns auf. Er
       studierte Soziologie an der Budapester Eötvös-Loránd-Universität und
       arbeitete zunächst als Meinungsforscher. Von 2002 bis 2008, als die
       Sozialdemokraten regierten, beriet er die ungarische Staatskanzlei.
       Parallel lehrte er an der Corvinus-Universität über Wahlverhalten und
       politische Meinungsforschung.
       
       Erst 2009 trat Karácsony der neu gegründeten grünen Partei LMP bei, die
       sich auch dem Kampf gegen Korruption verschrieb. Er leitete deren Wahlkampf
       2010 und zog als Abgeordneter ins Parlament ein. 2013 kam es zum Bruch: Die
       LMP weigerte sich, Kooperationen mit anderen Oppositionsparteien
       einzugehen. Karácsony und sieben weitere Abgeordnete verließen die Fraktion
       und gründeten die Partei Párbeszéd Magyarországért („Dialog für Ungarn“) –
       ein Name, der Programm werden sollte.
       
       ## Klimaschutz als Priorität
       
       Bald danach kandidierte Karácsony erfolglos für einen Parlamentssitz,
       gewann aber überraschend das Bürgermeisteramt im Budapester Bezirk Zugló.
       Fünf Jahre später wagte er den großen Sprung und setzte sich gegen sechs
       Mitbewerber als neuer Anführer der geeinten Opposition durch. Mit dem
       Slogan „Budapest gehört allen!“ besiegte er im Oktober 2019 denkbar knapp
       mit 50,86 Prozent den bisherigen Fidesz-Amtsinhaber.
       
       Als neuer Oberbürgermeister erklärte Karácsony den Klimaschutz zur
       Priorität, versprach Transparenz und betonte, es dürfe „keine Bürger
       zweiter Klasse“ geben. 2020 ließ Karácsony erstmals die Regenbogenflagge
       auf dem Budapester Rathaus hissen.
       
       Zwar gab die Polizei nun bekannt, keine Ermittlungen gegen Pride-Teilnehmer
       aufzunehmen: mit der Begründung, dass die Organisatoren die Bürger
       hinsichtlich der Rechtslage verunsichert hätten. Wegen der „Organisation
       einer verbotenen Versammlung“ droht jedoch Karácsony nun ein Verfahren.
       
       „Das würde meiner politischen Popularität sehr helfen, auch wenn mich meine
       Familie vermissen würde“, scherzt er. Die Causa wird zeigen, wie weit
       Orbán geht, um Oppositionelle unschädlich zu machen. Auf die Justiz kann
       er dabei weitgehend zählen, er hat sie sich längst untertan gemacht.
       
       8 Jul 2025
       
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