# taz.de -- Ungerechte Verhältnisse: Ein repariertes Aufstiegsversprechen wird es nicht richten
       
       > Die Fortschrittsverheißung der Sozialdemokratie sitzt tief im Gemüt. Aber
       > von rechts macht sich eine gesellschaftliche „Ich zuerst“-Mentalität
       > breit.
       
 (IMG) Bild: Die Verhältnisse sind ungerecht, und Eltern wissen, dass es ihren Kindern nicht besser gehen wird
       
       Da war es wieder, das gebrochene Aufstiegsversprechen. Und das Wissen, dass
       es unseren Kindern nicht besser gehen wird. Aus dem sozialökonomischen
       Thesentopf sind das die beliebtesten Erklärungen dafür, warum so viele
       Leute so voller schlechter Gefühle stecken, dass sie sich nicht anders zu
       helfen wissen, als rechtsextrem zu wählen.
       
       So auch diese Woche bei einer Diskussionsrunde in einem Saal voller
       engagierter Nachwuchs-SozialdemokratInnen. Ein ganz junger, gemäßigt
       gepiercter Mann aus Sachsen-Anhalt rief: „Die Menschen wissen, dass es
       ihren Kindern nicht besser gehen wird! Sie sind enttäuscht, dass das
       Aufstiegsversprechen der Bundesrepublik sich nicht erfüllt!“ In seinen
       Worten, aber auch im zustimmenden Raunen im Raum hallten die [1][Studien
       der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung] und [2][vieler
       Wirtschaftsforschungsinstitute] nach, die mit dieser Botschaft schon
       erschienen sind, die aber vermutlich kaum jemand hier gelesen hatte.
       
       Das ist ja das Besondere an der Sozialdemokratie: Ihre
       [3][Fortschrittsverheißung] sitzt tief im Gemüt, sie ist eher kulturell
       eingepflanzt als angelesen und sie ist längst davon abgekoppelt, ob Leute
       sich selbst für sozialdemokratisch halten oder die entsprechende Partei
       wählen. Zitiert werden das gebrochene Aufstiegsversprechen und das
       Dass-es-den-Kindern-nicht-besser-gehen-wird so auch [4][quer durchs
       politische Spektrum], nur eben mit unterschiedlichen Arbeitsaufträgen
       versehen („mehr Umverteilung“ vs. „mehr Wettbewerb“).
       
       Doch frage ich mich, ob das überhaupt hinhaut. Der erwähnte Mann aus
       Sachsen-Anhalt erzählte lebhaft, wie er von rechtsradikalisierten
       Mitbürgern angeschrien wird, dass „Ausländer alles, Deutsche nichts!“
       bekämen. Fürchten die wirklich, ihre Kinder würden keinen Job finden? Und
       da die AfD sogar noch mehr als bisher gedacht von Männern im mittleren
       Erwerbsalter gewählt wird, wie die [5][frische repräsentative Statistik]
       der Bundeswahlleiterin zeigt: Haben nicht gerade die vom Boom im Osten seit
       den nuller Jahren besonders profitiert?
       
       ## Klima, Inflation, die nächste Generation
       
       Dieselben Schreier mögen ja in einer wissenschaftlichen Erhebung ankreuzen,
       dass sie fürchten, ihren Kindern werde es schlechter gehen – vielleicht
       aber nur, weil sie diese originelle Antwortmöglichkeit noch nie gehört
       haben, sie aber spontan plausibel finden. Vielleicht ahnen sie sogar, dass
       ihre Kinder es tatsächlich deshalb schwerer haben könnten, weil sie ihr
       ganzes Leben gegen den Klimawandel und seine ökonomischen und biologischen
       Folgen ankämpfen werden. Aber im Internet wird gesagt, daran seien die
       Grünen schuld, und deshalb müssten die Ausländer raus, und das sagt die CDU
       ja irgendwie auch.
       
       Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Die Inflation hat die Klein- und
       Mittelverdiener seit vier Jahren voll erwischt. Das ist nicht bloß ein
       Gefühl, dass speziell Nahrungsmittel viel teurer geworden sind. Die
       Reallöhne – Inflation rausgerechnet – sind gerade einmal auf dem
       Vor-Corona-Niveau von 2019 angekommen, wie der Experte vom Institut für
       Weltwirtschaft [6][in der FAZ mit einem verzückten „sogar“ ausführt]. Was
       ihn nur dann so freuen kann, wenn er die wesentlich vorteilhaftere
       Vermögensstatistik kurz aus dem Auge verloren hat.
       
       Die Verhältnisse, soll das heißen, sind in der Tat zum Schreien ungerecht.
       Und ich verstehe, wenn SozialdemokratInnen ihren [7][historischen Auftrag]
       mit dem Kampf gegen rechts anreichern oder sogar erneuern wollen:
       Aufstiegsversprechen – nur mit uns und bitte hier entlang! Ich fürchte
       bloß, das ist nicht die Gerechtigkeit, um die es den Rechtsradikalisierten
       geht. Die wollen eine „Ich zuerst!“-Gerechtigkeit. Und das hat die
       gesamtgesellschaftliche Linke inklusive Sozialdemokratie nicht im Angebot.
       
       5 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.fes.de/publikationen/?db=digbib&pull_1=CRO&sortierung=jab&t_allegro=x&text_1=Aufstieg&t_allegro=Suchen
 (DIR) [2] https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-12/mittelschicht-aufstieg-bildung-einkommen/komplettansicht
 (DIR) [3] /SPD-Parteitag/!6094332
 (DIR) [4] https://www.welt.de/politik/deutschland/article183853252/Datenreport-2018-Aufstiegsversprechen-fuer-Kinder-in-Deutschland-bleibt-hohl.html
 (DIR) [5] https://www.bundeswahlleiterin.de/info/presse/mitteilungen/bundestagswahl-2025/30_25_ergebnisse-rws.html
 (DIR) [6] https://www.faz.net/aktuell/finanzen/steigende-preise-ist-das-jammern-der-deutschen-gerechtfertigt-110562367.html
 (DIR) [7] https://www.blaetter.de/ausgabe/2015/april/versprochen-gebrochen
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Winkelmann
       
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