# taz.de -- Schutz der Ozeane: Meer drin
       
       > Minister Carsten Schneider hat kaum umweltpolitische Erfahrung, doch soll
       > die Meere retten. Die UN-Ozeankonferenz hat er überstanden, und jetzt?
       
 (IMG) Bild: Da lachen ja die Möwen: Auf dem Papier schützt Deutschland Meeresgebiete. Aber auch nur dort
       
       Die neue Bundesregierung war erst wenige Stunden im Amt, da strich sie
       gleich den Posten des Meeresschutzbeauftragten im Umweltministerium. Konnte
       das etwas anderes sein als ein Signal dafür, dass Kanzler Friedrich Merz
       (CDU) und seinem Kabinett die Meere völlig egal sind?
       
       Entsprechend skeptisch hatten die Umwelt- und Klimaszene auf Deutschlands
       Auftritt auf der [1][Ozeankonferenz der Vereinten Nationen] geblickt, die
       gerade in Nizza zu Ende gegangen ist. Das liegt nicht nur daran, dass dem
       neuen Bundesumweltminister Carsten Schneider kein offizieller
       Meeresbeauftragter mehr zur Seite steht – sondern auch an dem SPD-Politiker
       selbst. [2][Schneider hat schließlich so gut wie keine Erfahrung in der
       Umweltpolitik]. Bis vor Kurzem war er Ostbeauftragter der Ampelregierung,
       Umweltressortchef wurde er vor allem durch Machtkämpfe bei den
       Sozialdemokraten. Und so einer soll nun auf internationaler Bühne dafür
       sorgen, dass die Meere gesunde Lebensräume bleiben?
       
       „Wir teilen uns denselben Ozean“, sagte Schneider in seiner Rede in Nizza.
       „Es geht uns alle an, wenn dieser Ozean bedroht ist. Klimakrise,
       Verschmutzung und Übernutzung haben verheerende Folgen für die Vielfalt des
       Lebens im Meer.“ Die deutschen Meeresschutzgebiete will er verbessern, für
       den Tiefseebergbau fordert er ein internationales Moratorium, er wirbt für
       ein internationales Plastik-Abkommen.
       
       Interessant dabei: „Insbesondere wird es darauf ankommen, den gesamten
       Lebenszyklus von Plastik abzudecken“, so Schneider. „Die Maßnahmen müssen
       bereits am Beginn der Wertschöpfungskette ansetzen.“ Übersetzt heißt das:
       Es geht nicht nur darum, Plastik besser zu entsorgen und recyclen, damit
       der Müll nicht ins Meer gelangt – sondern es darf gar nicht erst so viel
       Kunststoff geben. Die Plastikproduktion zu reduzieren ist eine Forderung
       der Umweltverbände. Doch es gibt eine starke Lobby dagegen, [3][zu der auch
       die weltgrößten Ölkonzerne gehören]. Das meiste Plastik wird schließlich
       auf Basis von Erdöl hergestellt.
       
       ## Erster Eindruck: vorsichtig positiv
       
       In der Ökoszene ist ein gewisses Aufatmen zu vernehmen. „Carsten Schneider
       und die deutsche Delegation waren hier sehr präsent, mein erster Eindruck
       ist vorsichtig positiv“, sagt Bettina Taylor, Meeresexpertin beim
       Umweltverband BUND, die auch an der Konferenz in Nizza teilgenommen hat.
       „Er unterstützt die Bestrebungen, die die alte Regierung auf den Weg
       gebracht hat. Steffi Lemke ist eine starke Meeresschützerin gewesen.“ Als
       Umweltministerin der Ampelregierung hatte die Grünen-Politikerin den
       Meeresschutz zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht. Spricht man mit
       Expert*innen in NGOs, Behörden oder Wissenschaft, gibt es zwar auch zum
       Meeresschutz noch Kritik an der Ampelregierung. Doch über Lemke fallen
       immer wieder warme Worte.
       
       „Das Hochseeabkommen BBNJ ist auch dank ihres Einsatzes zustande gekommen“,
       führt Greenpeace-Ozeanexpertin Franziska Saalmann als Beispiel an. Das vor
       zwei Jahren beschlossene Abkommen soll es unter anderem ermöglichen, dass
       Schutzgebiete auf den internationalen Gewässern entstehen, über die kein
       einzelnes Land entscheiden darf. In Kraft ist es noch nicht. Dafür müssen
       es erst 60 Länder ratifizieren, also in ein Gesetz gießen. Das ist noch
       nicht passiert, auch in Deutschland nicht. Lemke hat es wegen des Bruchs
       der Ampel nicht mehr geschafft. „Die Umsetzung ist ihr Vermächtnis an
       Schneider“, sagt Saalmann. Die deutsche Ratifizierung müsse noch in diesem
       Jahr erfolgen.
       
       Auch beim besseren Schutz von Nord- und Ostsee seien unter Lemke zwar
       Verbesserungen erreicht worden, doch fänden immer noch zu viele
       zerstörerische Nutzungen wie [4][Grundschleppnetzfischerei] statt –
       selbst in Schutzgebieten. Grundschleppnetze schleifen über den
       Meeresgrund und zerstören empfindliche Lebensräume wie Seegraswiesen oder
       Muschelbänke. Durch das Aufwühlen des Bodens wird zudem Treibhausgas
       freigesetzt.
       
       Die unter Lemke angestrebte „Nationale Meeresstrategie“ hätte ein Bündel
       wichtiger Maßnahmen werden sollen, konnte aber während ihrer Amtszeit nicht
       mehr abgeschlossen werden. Das müsse nun die neue Regierung erledigen, sagt
       Saalmann.
       
       ## Deutsche Defizite
       
       „Wir haben aber noch viele Defizite in Deutschland, und der
       Koalitionsvertrag ist beim Meeresschutz nicht sehr ambitioniert“, meint
       Bettina Taylor vom BUND. Wie Saalmann sieht sie großen Nachholbedarf bei
       den deutschen Meeresschutzgebieten. Bis 2030 sollen weltweit, also auch in
       Deutschland, [5][30 Prozent der Meeresflächen unter Schutz stehen]. „Auf
       dem Papier haben wir die internationalen Vorgaben sogar schon
       übererfüllt, theoretisch stehen 45 Prozent der deutschen Meeresgebiete
       unter Schutz. Davon ist aber ganz viel faktisch nicht geschützt“,
       kritisiert Taylor. Denn: Fischerei, lautes Schifffahren, Kabel verlegen,
       Windräder bauen – das ist in vielen deutschen Meeresschutzgebieten weiter
       erlaubt. Damit ist der Schutzstatus kaum wirksam.
       
       „Grundschleppnetzfischerei muss aus Schutzgebieten ganz verschwinden, wobei
       das eine so invasive Methode des Fischens ist, dass sie auch grundsätzlich
       verboten gehört“, so Taylor. „Wir müssen verstehen, dass die Meere ein
       riesiges Ökosystem sind. Wenn wir kleine Teile schützen, aber ringsum alles
       zerstören, dann bringt das auch nichts. Wir müssen das ganze Meer
       nachhaltig managen und einige Teile extra schützen.“ Bis 2030, so will es
       die Europäische Union, müssen immerhin 10 Prozent der deutschen
       Schutzgebiete „streng“ sein, also tatsächlich die Nutzung weitgehend
       verbieten. Das umzusetzen, wird jetzt Aufgabe von Carsten Schneider. Nur
       für einen kleinen Streifen entlang der Küsten sind die Bundesländer
       zuständig. Die 200 Seemeilen breite Zone dahinter liegt in der Hand des
       Bunds.
       
       Auch auf Greenpeace-Expertin Saalmann hat Schneider in Nizza insgesamt
       einen guten ersten Eindruck gemacht: „Am Thema Meeresschutz gibt er als
       Taucher ein intrinsisches Interesse an“, sagt sie. Saalmann hat Schneider
       zudem als gesprächsbereit erlebt. „Er hat sich mit den NGOs getroffen,
       zugehört und vielversprechende Statements zum Tiefseebergbau, dem
       Hochseeabkommen und dem noch auszuhandelnden Plastik-Abkommen abgegeben.“
       Am Ende komme es aber darauf an, welche Taten den Worten folgen.
       
       14 Jun 2025
       
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