# taz.de -- 100 Jahre alte Slogans: Willkommen in der Nostalgierepublik Deutschland
       
       > Egal ob Kretschmann-Grüne oder Junge Grüne, ob Union oder Klimabewegung:
       > Alle sehnen sich nach der Vergangenheit.
       
 (IMG) Bild: Revival: Versuch der Neuen Generation die Auslieferung der Zeitungen zu verhindern, indem sie die Zugänge blockieren
       
       Es gibt zwei Dinge, die Deutsche aller politischen Himmelsrichtungen
       lieben, auf die sich alle irgendwie einigen können. Erstens: Früher! Denn
       früher war nicht alles gut, aber besser. Zweitens: Recht haben, denn Recht
       haben ist schön. Und wie lassen sich die beiden Volkshobbys miteinander
       verbinden? In zwei beliebten Gesellschaftsspielen.
       
       Bei „Anno Domini“ müssen die Spieler Karteikarten mit historischen
       Ereignissen in die richtige Reihenfolge bringen – und sich dann von ihren
       Mitspielern belehren lassen, wie es eigentlich ist. Seit ein paar Jahren
       gibt es das Spiel auch in einer musikalischen Variante. Bei „Hitster“
       müssen die Spieler etwa erraten, aus welchem Jahr das Lied „Blue (Da Ba
       Dee)“ stammt und ob „Californication“ von den Red Hot Chili Peppers davor
       oder danach erschien (richtige Antworten: 1998, danach).
       
       Willkommen in der Nostalgierepublik Deutschland. Nicht nur beim Spielen,
       auch in der Politik schaut man lieber zurück als in die düstere Zukunft.
       Egal ob Kretschmann-Grüne oder Junge Grüne, ob Union oder Klimabewegung,
       alle sehnen sich nach der Vergangenheit.
       
       Spielen wir das Nostalgie-Spiel mal mit einigen aktuellen Aufregern. Aus
       welchem Jahr stammt das folgende Ereignis: In der Nacht vom 2. Juni
       versucht eine Gruppe AktivistInnen, die Druckerei des Springer-Verlags zu
       blockieren, um die Auslieferung der Bild zu verhindern. 1968? Nein, 2025.
       Die „Neue Generation“, Nachfolgerin der Letzten, klebt nun auch
       metaphorisch am Boulevard.
       
       ## Aktionsformen für Boomer
       
       Man muss Bild und Welt nicht verteidigen, um die Aktionsform etwas
       angestaubt zu finden. Gegen ein Medienhaus protestieren, in dem man eine
       Druckerei blockiert? [1][Schon mal was vom Internet gehört]? Die
       Klimabewegung ist in keinem guten Zustand. Sie findet den Zugriff auf eine
       Gesellschaft nicht mehr, die in der Klimakrise resigniert, und sucht ihr
       Heil nun offenbar in Aktionsformen für Boomer.
       
       Ähnlich rückwärtsgewandt kommen manche Grüne daher, in der noch nicht
       ausgestandenen ACAB-Affäre. Keine Beteiligte bekleckert sich da mit Ruhm.
       Da ist auf der einen Seite die Vorsitzende Jette Nietzard, die mit einem
       100 Jahre alten Slogan provoziert. Und da sind andererseits Parteifreunde,
       die offenbar glauben, das wichtigste politische Projekt der Grünen sei es,
       [2][nochmal einen konservativen Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg zu
       stellen], und dabei nicht gestört werden wollen.
       
       Die Grünen wurden bei der Bundestagswahl nur noch von jedem zehnten
       Erstwähler gewählt, die Jugend läuft der Partei davon. Doch auch bei den
       Älteren haben die Grünen mit dem Habeck-Kurs die Wahlen verloren. Weiter so
       kann nicht die richtige Antwort sein. Trotzdem scheinen manche Grüne auch
       in der Opposition die staatstragendste aller Parteien sein zu wollen. Mal
       sehen, ob das so bleibt, wenn die Linkspartei sie in weiteren Umfragen
       überholt.
       
       ## Auch Dobrindt dreht die Zeit zurück
       
       Nostalgiekönig der Woche ist aber Bundesinnenminister Alexander Dobrindt
       von der CSU. Im Wahlkampf hatte die Union behauptet, es sei möglich, die
       Zeit zurückdrehen, in eine Welt vor Schengen, in ein Land mit
       Grenzkontrollen und weniger Ausländern. Nun will Dobrindt, das Versprechen
       umzusetzen. Die Nostalgie ist so groß, dass tausende Überstunden für
       Polizisten egal sind, und keine Rolle spielt, dass die Aktion weitgehend
       wirkungslos ist, weil Geflüchtete über die grüne Grenze einreisen können.
       
       [3][Dobrindt weiß, dass er mit seinem Bruch des Asylrechts am EU-Recht
       scheitern wird]. Es wäre nicht das erste Mal für einen CSU-Minister, die
       PKW-Maut endete ähnlich. Aber die Nostalgie ist stärker.
       
       Vielleicht sollten sich Dobrindt, Nietzard, Özdemir und die Neue Generation
       mal zum Spieleabend treffen. Es wäre für alle bestimmt ein großes
       Vergnügen.
       
       7 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [3] /Asylpolitik-Grundsaetzliche-Einzelfallentscheidung/!6088483
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kersten Augustin
       
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