# taz.de -- Öko in der Opposition: Was ein harmloser Sommersatz über die Grünen verrät
       
       > „Schulklos sind so wichtig wie die Weltlage“? Das stimmt nicht, fasst
       > aber die Orientierungslosigkeit der grünen Partei zusammen.
       
 (IMG) Bild: Schultoiletten sind wichtig, aber nicht so wichtig wie die Weltlage
       
       Früher passierte angeblich immer so viel, wie in eine Zeitung passt. Seit
       es das Internet gibt, ist das eigentlich widerlegt. Doch dann kommt der
       Sommer, der parlamentarische Betrieb ruht, der Kanzler verabschiedet sich
       in den Urlaub. Und dann passiert manchmal sogar weniger, als Platz hätte.
       
       Zum Glück gibt es Sommerreisen. Politiker laden ein, um das Gleiche zu
       erzählen wie sonst, nur nicht vor der blauen Wand in der
       Bundespressekonferenz, sondern vor blauem Himmel in der Provinz.
       Journalisten sind dann froh, weil sie nicht nur Politikersätze
       aufschreiben, sondern etwa den lustigen Sonnenhut des Politikers erwähnen
       können und den Versuch, außerhalb Berlins mit den sogenannten echten
       Menschen in Kontakt zu kommen.
       
       Auch die Grünen gehen in diesen Tagen auf Reisen, in ihrem Fall ist es ein
       Selbstfindungstrip in der Midlife-Crisis. Baerbock und Habeck sind weg, die
       Ministerämter und Kameras auch. Nun suchen sie, eingequetscht zwischen
       einer halbstarken Linken und den nach rechts gerutschten Regierungsparteien
       CDU und SPD, [1][nach einer neuen Rolle in der Opposition].
       
       Hätte es noch einen Satz gebraucht, der die aktuelle Orientierungslosigkeit
       der Grünen zusammenfasst, lieferte die Partei ihn nun selbst. Man folge dem
       Motto „Schulklos und Dorfbusse sind genauso wichtig wie die Weltlage“ – so
       heißt es in einer Pressemitteilung der Bundestagsfraktion zu den
       Sommerreisen.
       
       ## Man will wieder mehr Sozialpolitik wagen
       
       Zu diesem Satz lässt sich allerhand sagen, vor allem das: Er ist falsch.
       Die Weltlage ist wichtiger als Schulklos und Dorfbusse. Mein Sohn, der
       täglich eine Grundschule samt Schulklo besucht, bestätigt das. Wenn der
       Satz aber faktisch falsch ist, muss er eine andere Bedeutung haben. Er ist
       offenbar appellativ gemeint. Also: Der Zustand der Schulklos und der
       Fahrplan des Dorfbusses sollten uns so wichtig sein wie die Weltlage.
       
       Mit dieser Bedeutung aber wird der Satz defensiv, fast entschuldigend. Er
       nimmt eine oft geäußerte Kritik an den Grünen auf und gibt ihr ungewollt
       recht: Die Partei sei abgehoben, sie habe sich zu sehr um die Weltlage
       gekümmert, um die Nato und die Ukraine, und zu wenig um die Alltagsprobleme
       der Leute.
       
       Dabei ist nicht klar, ob die Behauptung stimmt. Genauso plausibel wäre es,
       vom Gegenteil auszugehen: dass viele Menschen die Grünen wegen ihrer
       Politik zur Weltlage gewählt haben. Weil sie die Ukraine nicht vor den Bus
       werfen wollen, anders als mancher Mitbewerber. Und auch die WählerInnen,
       die sich von den Grünen abgewandt haben, haben das womöglich nicht wegen
       vergessener Schulklos gemacht, sondern weil sie die Politik der Grünen
       falsch finden, wenn es um Krieg und Frieden und Aufrüstung geht. Dann aber
       wäre das Problem der Grünen nicht, dass sie in der Regierung irgendwelche
       Schulklos vergessen hätten, sondern dass ihre potenziellen WählerInnen in
       Fragen der Weltlage gespalten sind.
       
       Führt man sich den Satz ein drittes Mal vor Augen, klingt er auch noch
       paternalistisch. Als wären BürgerInnen erst bereit, sich mit der Weltlage
       zu beschäftigen, wenn sie ihre Schulklos bekommen hätten. Dabei müssten die
       Grünen in der Opposition doch beantworten, wie Schulklos und Weltlage
       zusammenhängen. Der Zustand der Toiletten war (nicht nur metaphorisch)
       beschissen, schon lange bevor die Weltlage sich dramatisiert hat.
       
       Deshalb steckt auch im letzten Satzteil ein Problem: „genauso wichtig wie“.
       Das ist die momentane Unentschiedenheit, nicht nur der Grünen. Man will
       wieder mehr Sozialpolitik wagen. Nur, Schulklos und die Weltlage, beide
       kosten Geld. Auf Dauer kann man nicht immer neue Kredite aufnehmen, um
       niemandem wehzutun. [2][Man muss umverteilen]. Aber das wollen die Grünen
       nicht laut sagen. All das steckt in diesem kleinen, harmlosen Sommersatz.
       
       18 Jul 2025
       
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