# taz.de -- Umgang mit AfD im ÖRR: Quoten über alles?
       
       > Niemand im öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss der AfD eine Bühne
       > bieten. Wann werden sich die Kolleg:innen endlich ihrer Verantwortung
       > bewusst?
       
 (IMG) Bild: Hätte er hier unbedingt sitzen müssen? Studio für das ARD-Sommerinterview 2024 mit Tino Chrupalla (AfD)
       
       Seit dem 2. Mai stuft das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die AfD als
       [1][„gesichert rechtsextremistisch“] ein. Der Spiegel konnte [2][die 1.108
       Seiten Bericht auswerten]. Der Verfassungsschutz sieht vor allem den
       „ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff“, der in der AfD vorherrsche, als
       problematisch an. Er sei nicht mit [3][Artikel 1 Absatz 1 des
       Grundgesetzes], also der Menschenwürde, vereinbar. In einem laufenden
       Rechtsstreit hat das BfV allerdings inzwischen eine sogenannte
       Stillhaltezusage [4][abgegeben]. Das bedeutet: Bis zu einer
       Gerichtsentscheidung im Eilverfahren wird die AfD öffentlich nicht mehr als
       „gesichert rechtsextremistisch“ bezeichnet. Und doch ist die alte Debatte
       aktuell: Wie sollen Medien es mit der AfD halten?
       
       In den politischen Leitformaten wie „Caren Miosga“, „Markus Lanz“ oder
       „Hart aber fair“ der öffentlich-rechtlichen Sender (ÖRR) sind
       AfD-Vertreter:innen regelmäßig präsent. AfD-Chefin Alice Weidel wurde von
       Caren Miosga im Februar gefragt, welches Deutschland sie will, [5][und
       bekam dabei Raum, zum Auschwitzgedenken die Augen zu verdrehen.] Noch am
       Tag der Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz war der
       Bundesvorsitzende der AfD, [6][Tino Chrupalla, zu Gast im „Brennpunkt“], um
       zu erläutern, wie es zu der Einschätzung gekommen sei. Spoiler: Er ist kein
       Fan.
       
       Die AfD ist so stark wie nie und verbreitet ihre Positionen auf allen
       Plattformen. Umso wichtiger wäre es, ihr nicht auch noch zusätzliche Bühnen
       zu bieten. Denn die mediale Strategie der Partei ist immer: Überwältigung
       und Ablenkung. Eindrücklich zu sehen bei Markus Lanz am 5. Februar 2025:
       Auf die Frage, ob er sich von Höckes rechtsextremen Aussagen distanzieren
       wolle, wich Chrupalla aus – und verwies darauf, dass Lanz sich ja auch
       nicht von Jan Böhmermann distanziert habe.
       
       Der eigentliche Punkt geht verloren, auch durch Chrupallas ständiges
       Unterbrechen. Allein das ist fatal. Gleichzeitig bringt die AfD in vielen
       Formaten ihre Narrative unter: Migration als Feindbild, Verachtung von
       etablierten Medien, Kritik an staatlichen Institutionen als einer
       vermeintlichen politischen Elite.
       
       Weidel nutzte im Wahlkampf den rassistischen Kampfbegriff „Remigration“,
       der danach Talkshows und Zeitungsseiten prägte. Wo andere differenzieren,
       schürt die Partei Ressentiments. Wer einlädt, muss wissen, wie man einer
       solchen Diskursverschiebung begegnet. Zu oft geht das schief, es mangelt an
       direkten Faktenchecks, guter Moderation und Einordnung.
       
       Ein Ausschluss aus Talkshows wäre da ein guter Start. Denn [7][die
       politischen Meinungsformate der ARD und ZDF erreichen bei zwar rückläufigen
       Einschaltquoten täglich immer noch ein Millionenpublikum] und werden auch
       im Nachgang im medialen Diskurs breit diskutiert; und es geht um Formate,
       die sich besonders zur Selbstinszenierung eignen. Doch wie sollte ein
       Ausschluss aussehen? Einige argumentieren, man könne die AfD nicht
       ausladen, da der Medienstaatsvertrag, der Rechte und Pflichten der
       Rundfunk-, Digitale-Dienste- und Telemedienanbieter in Deutschland regelt,
       eine ausgewogene und „angemessene“ Darstellung aller Parteien vorschreibe.
       
       Was allerdings „angemessen“ bedeutet, ist Auslegungssache. Eine prominente
       Stimme gegen die Einladung der AfD ist WDR-Moderator und
       Rechtswissenschaftler Georg Restle. Gemeinsam mit [8][Andreas
       Fischer-Lescano] zeigte er schon 2021 im Verfassungsblog: Ein rechtlicher
       Anspruch der AfD auf Sendezeit existiert nicht. Zwar müsse über alle
       Parteien gemäß ihrer Größe berichtet werden, allerdings obliegt es den
       Redaktionen zu entscheiden, wie sie das tun.
       
       ## Grundlage für Kurswechsel
       
       Oft heißt es auch, die AfD sei bei der letzten Bundestagswahl [9][von gut
       10 Millionen Menschen gewählt worden,] man könne sie also nicht ignorieren.
       Doch [10][laut Medienstaatsvertrag] soll der ÖRR „die demokratischen,
       sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft“ erfüllen. Einer
       Partei, die die Demokratie gefährdet, eine Bühne zu geben, ist damit schwer
       vereinbar. Auch Restle sieht sich durch die Einschätzung des
       Verfassungsschutzes bestätigt und schreibt: „Eine ‚Gleichbehandlung‘ von
       Rechtsextremisten verstößt gegen den Programmauftrag.“ [11][Auch wenn
       Medien Behördenurteilen und -veröffentlichungen nicht blind folgen sollten,
       bietet die Verfassungsschutzeinstufung eine tragfähige Grundlage für einen
       Kurswechsel.]
       
       Redaktionen können also entscheiden, die AfD nicht mehr einzuladen. Diese
       Entscheidung sollten ARD und ZDF unabhängig treffen – nicht unter
       politischem Druck, sondern aus ihrer demokratischen Verantwortung heraus.
       Ausschlaggebend können journalistische Kriterien sein: Relevanz, Sachbezug,
       Gesprächsfähigkeit.
       
       Die AfD sollte nicht aus der Berichterstattung verschwinden. In
       Nachrichten, Dossiers oder Reportagen kann sie analysiert und bei Bedarf
       auch befragt werden. Dort bestimmen Redaktionen die Regeln –
       Kontrollverlust ist weniger wahrscheinlich. Gleichzeitig böte eine eigene
       Themensetzung die Chance, wieder stärker gegen die AfD auf Social Media zu
       bestehen und sie dort herauszufordern, wo sie schwach ist. Wie wäre es zum
       Beispiel, wieder mehr über hohe Mieten, fehlende Kitaplätze und den
       Pflegenotstand zu sprechen?
       
       Bislang äußern sich die Sender nur vage zu möglichen Konsequenzen aus der
       Einstufung. [12][Laut einer Correctiv-Anfrage] prüft das ZDF, „in welchem
       Rahmen Vertreter:innen der AfD zu Wort kommen“. Die ARD teilte der taz
       mit, in ihrer „politischen Berichterstattung an geeigneter Stelle darauf
       hinzuweisen, dass es sich bei der AfD um eine Partei handelt, die als
       gesichert rechtsextremistisch eingestuft ist“. Zugleich betont sie ihre
       Pflicht zur Abbildung einer demokratisch gewählten Partei – wobei die
       Partei abbilden ja gerade eben nicht bedeuten müsste, sie in Talkshows
       einzuladen. Ob sich der Umgang nach der Einschätzung des BfV tatsächlich
       ändert, werde noch geprüft, so die ARD weiter.
       
       Das klingt nach Stillstand und nach Mutlosigkeit, nach Angst, bei einer
       solchen Entscheidung Kritik ausgesetzt zu sein: von der AfD, die wie immer
       eine Opferrolle einnehmen wird, aber auch von anderen Stellen, die dem ÖRR
       eine Parteinahme vorwerfen werden. Wer mit Blick auf Quote oder
       Staatsauftrag behauptet, nichts ändern zu können, verkennt: Die AfD
       profitiert längst vom Status quo. Jeder Auftritt verstärkt das Bild, sie
       sei eine Partei wie jede andere. Und wer den demokratischen Diskurs
       schützen und sich eben keiner Parteinahme schuldig machen will, muss das
       ernst nehmen.
       
       Talkshows sind keine Pflichtveranstaltungen. Sie sind Teil politischer
       Öffentlichkeit – gestaltet von Redaktionen, von konkreten Personen, die
       Verantwortung tragen. Deshalb: Es reicht beim nächsten Mal vielleicht, die
       Statements der Weidels und Chrupallas vor der Sendung aufzuzeichnen und
       jeder Frage voranzustellen: Was sagen Sie als Mitglied einer „gesichert
       rechtsextremistischen“ Partei zu …?
       
       10 May 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Verfassungsschutz/!6085512
 (DIR) [2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-gutachten-des-verfassungsschutzes-das-steht-drin-a-47a24040-5bdb-405d-9906-f7c23c6bcb4d
 (DIR) [3] https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte/75-jahre-grundgesetz/artikel-1-gg-2267756
 (DIR) [4] /Hochstufung-der-Afd-vorlaeufig-ausgesetzt/!6086868
 (DIR) [5] https://www.ardmediathek.de/video/caren-miosga/was-fuer-ein-deutschland-wollen-sie-frau-weidel/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2NhcmVuLW1pb3NnYS8yMDI1LTAyLTAyXzIxLTQ1LU1FWg
 (DIR) [6] https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1462646.html
 (DIR) [7] https://www.progressives-zentrum.org/wp-content/uploads/2023/02/Studie_Die-Talkshow-Gesellschaft-1.pdf
 (DIR) [8] /Debatte-ueber-ein-AfD-Verbot/!6051384
 (DIR) [9] /Diskussion-um-AfD-Verbot/!6083505
 (DIR) [10] https://www.die-medienanstalten.de/fileadmin/user_upload/Rechtsgrundlagen/Gesetze_Staatsvertraege/Medienstaatsvertrag_MStV.pdf
 (DIR) [11] https://bsky.app/profile/georgrestle.bsky.social/post/3lo6gzu5oac2q
 (DIR) [12] https://correctiv.org/aktuelles/debatte-um-afd-verbot/2025/05/07/afd-als-gesichert-rechtsextrem-eingestuft-wie-reagieren-deutschlands-fernsehsender/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ann-Kathrin Leclere
       
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