# taz.de -- „Westfield Hamburg-Überseequartier“: Junge Frauen mit eckigen Tüten
       
       > In bester Hamburger Hafenrand-Lage hat ein globaler Konzern einen
       > Stadtteil im Stadtteil errichten lassen, der keiner ist.
       
 (IMG) Bild: Im neuen Einkaufsparadies
       
       Hamburg taz | Jetzt wird’s interessant: Um kurz vor halb zehn Uhr abends
       kommen Skater. Ein halbes Dutzend, alles Jungs, auf dem Überseeboulevard
       unters entfernt an etwas Pflanzliches erinnernde, von Säulen gestützte
       Dach. Zwischen Starbucks und H&M hindurch rollen sie hinein in das, was
       Hamburgs neuester Stolz sein muss: das „Westfield Hamburg-Überseequartier“.
       
       „13 nationale und internationale Architektenteams haben zwischen
       Speicherstadt und Elbe ein spektakuläres Quartier geschaffen, das sich
       dennoch nahtlos in Hamburgs jahrhundertealte Tradition als Hafenstadt
       einfügt“: [1][So was schreibt man der Einfachheit halber selbst] und
       klingt, als wäre wiederholt worden, was die ganze Hafencity mal darstellen
       sollte. Ein Beispiel für eine Stadtplanung, die vergangene Fehler
       vermeidet, sich aber auch den Luxus erlaubt, keine Stadt für alle sein zu
       müssen. Andere sehen hier einfach nur ein neues Einkaufszentrum – [2][das
       dann auch noch allerlei Probleme mit sich bringt].
       
       Bleiben wir bei Starbucks und H&M: Es sollten eigentlich so ganz andere
       Marken hier zu finden sein, hieß es, solche, die teils in Europa kaum
       bekannt oder präsent seien. Scheint nicht geklappt zu haben, unter den
       derzeit etwas über 100 Geschäften finden sich viele bestens bekannte.
       Immerhin, über die Hälfte der nun hier vertretenen „Marken und Konzepte“,
       [3][so zitierte dieser Tage der Norddeutsche Rundfunk] die Hausherren,
       seien bisher nicht in der Hamburger Innenstadt vertreten, ein Drittel sogar
       neu in der Stadt insgesamt.
       
       Kein bloßes Zahlengeklimper: Der versprochene andere Mix rührt ja direkt an
       der Sorge, dass das neue Angebot Einkaufswillige abziehen wird von den
       traditionellen Einkaufsstraßen in der benachbarten City. Oder wird
       umgekehrt ein Mehr an Menschen gerade auch dem dortigen Einzelhandel
       zugutekommen? Nach rund einer Woche lässt sich das noch nicht sagen.
       Vorerst spielen alle Beteiligten ihre eingeübten Rollen weiter, die einen
       performen Optimismus, darunter auch der Erste Bürgermeister [4][bei der
       Westfield-Eröffnung], die anderen geben sich besorgter.
       
       ## Begehrter Hamburger Grund
       
       Fürs Einüben der Rollen war reichlich Zeit: Die Fertigstellung hat sich
       mehrfach verzögert und mindestens aufs Doppelte verteuert: um die 2,3
       Milliarden Euro. Dass mit Unibail-Rodamco ein einzelner Player die Tranche
       begehrten Hamburger Grunds „entwickeln“ durfte, dekretierte 2014 ein
       Bürgermeister namens Olaf Scholz: Es durfte nicht noch so eine Hängepartie
       geben wie, am anderen Ende der Hafencity, die Elbphilharmonie. Vorher waren
       andere Investoren abgesprungen.
       
       [5][Auch eine Facette dieser Erfolgsgeschichte]: Sechs Menschen, Arbeiter
       aus Osteuropa, kamen bei den Arbeiten ums Leben. Entschädigungen wurden
       keine gezahlt, Schuld oder auch bloß moralische Verantwortung nicht
       anerkannt: Es waren ja Sub- oder Sub-Sub-Unternehmer, die da etwas falsch
       gemacht haben.
       
       An einem sonnigen Mittag im April herrscht Betrieb im neuen Quartier, das
       so recht eben doch keins ist: Viele Eltern, kleine Kinder wuseln umher. Und
       es scheinen heute vor allem junge Frauen Bekleidung in großen eckigen Tüten
       durch die Gänge zu bewegen. Auf mehrere Ebenen verteilen sich die Shops
       unter Straßenniveau, dann kommen noch Parkdecks.
       
       Dass die erwarteten bis zu 16 Millionen Besucher:innen jährlich halt
       auch mit dem Auto kommen könnten, [6][das trieb vor Jahren schon einige
       Anwohner:innen um]. Die Luftschadstoffwerte in der Hafencity waren
       jedenfalls lange vorher regelmäßig schlechter als vielerorts in der Stadt.
       Immerhin wurde rechtzeitig eine stark frequentierte Buslinie bis zum
       Westfield verlängert, und U-Bahn-Anschluss hat es auch.
       
       Nicht nur in den sumpfigen Grund wuchert die kleine Einkaufsstadt, auch in
       die Höhe: Ebene +1, da reihen sich Bars und Street-Food-Küchen, viele bunte
       Lampions und überhaupt Asien-Anspielung. Bei „The Baby Goat“ ist ein
       Container verbaut worden (oder wenigstens so getan als ob): nicht dass noch
       irgendwer vergisst, dass man gerade in einer Hafenstadt sein Bier oder
       seinen (ehrlich gesagt, überraschend günstigen) doppelten Espresso nimmt.
       
       ## Gustav Klimt, digital geremixt
       
       Am „Platz des 10. Längengrads“ überschneiden sich Neu-in-Hamburg- und
       Mehr-als-Shopping-Ansprüche: Mit dem „Port des Lumières“ beherbergt das
       Westfield „das erste dauerhafte Ausstellungszentrum für immersive Kunst in
       Hamburg“, was nun ein recht spezifisches Alleinstellungsmerkmal ist.
       Überwältigt eintauchen lässt sich in digital geremixten Gustav Klimt und
       Friedensreich Hundertwasser, ein paar von Egon Schieles wohl minderjährigen
       Prostituierten-Gestalten in über-über-lebensgroß gibt es auch.
       
       Nachhaltiger mag das Geschäftsmodell gleich nebenan sein: Die
       „Service-Residenz Vilvif“ führt immer mittwochmittags „Gesellschaftsflächen
       und exemplarische Wohneinheiten“ vor, aber ganz unverbindlich.
       
       Die Handvoll Skater sind nicht lange zu hören in der lauen Frühsommernacht.
       Ob die Security eine unbekannte Hausordnung durchgesetzt hat, ob die Skater
       in den geheim gehaltenen Eingeweiden dieser
       1970er-Jahre-Hollywood-Dystopien evozierenden Nicht-Stadt verschluckt
       wurden – oder ob sie schlicht ihr Ziel erreicht haben?
       
       22 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.westfield.com/de/germany/hamburg/about-us
 (DIR) [2] /Klotzen-mit-Kloetzen/!5421638
 (DIR) [3] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Grosser-Andrang-in-neuem-Westfield-Einkaufszentrum,westfield144.html
 (DIR) [4] https://www.stores-shops.de/neueroeffnungen/ueberseequartier-mix-use-als-erfolgskonzept-der-zukunft/
 (DIR) [5] /Neues-Einkaufszentrum-in-Hamburg/!6081101
 (DIR) [6] /Umstrittenes-Einkaufszentrum/!5516188
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alexander Diehl
       
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