# taz.de -- Antifa-Sprecher über Rechte in Lüneburg: „Typisch für die Szene ist, dass man einheiratet“
       
       > Extrem rechte Strukturen werden nicht nur in Ostdeutschland stärker. Olaf
       > Meyer vom Bündnis gegen Rechts beobachtet das auch in der Region
       > Lüneburg.
       
 (IMG) Bild: Kreuz ohne Haken: Protest gegen völkische Siedler im ländlichen Niedersachsen
       
       taz: Herr Meyer, hat Lüneburg ein Naziproblem? 
       
       Meyer: Ich würde sagen: Nein. Zumindest, wenn wir über die extreme Rechte
       jenseits der AfD sprechen. Die ist hier marginalisiert und hat kaum
       organisatorische Strukturen. Aber es gibt auch hier extreme Rechte, die in
       der AfD sind, und es gibt Leute, die die Partei wählen.
       
       taz: In Lüneburg kam die AfD bei der Bundestagswahl auf elf Prozent. Im
       Umland auf etwas zwischen 14 und 20 Prozent – also unter oder im
       Bundesdurchschnitt. 
       
       Meyer: Ja, aber die Zustimmung zur AfD nimmt auch hier zu wie überall. Dazu
       kommt, dass wir in den letzten zwölf Monaten in [1][Lüneburg und der
       Region] vermehrt Aktionen von extrem rechten Kleinststrukturen beobachten.
       Das geht von Stickern und Schmierereien bis zum Aufmarsch extrem rechter
       Jugendlicher, die den CSD in Winsen (Luhe) stören wollten. Das alles bettet
       sich ein in einen gesamtgesellschaftlichen [2][Rechtsruck], den wir nicht
       nur hier und nicht nur in Deutschland haben.
       
       taz: In der ländlichen Region um Lüneburg und Uelzen wohnen schon seit über
       100 Jahren besonders viele völkische Siedler:innen. Was haben die für
       ein Verhältnis zur AfD? 
       
       Meyer: Da gibt es personelle Überschneidungen. Vor ein paar Wochen haben
       wir bei einer AfD-Veranstaltung in Dahlenburg zwei Personen gesehen, die
       wir aus völkischen Sippenverbänden kennen. Sie waren als Besucher da. So
       was haben wir über die Jahre immer wieder beobachtet. Dann gibt es in der
       Region Uelzen einen Rechtsanwalt, den wir den Völkischen zurechnen und der
       für die AfD im Kreistag saß. Und es gibt den AfD-Landtagsabgeordneten Peer
       Lilienthal, der verheiratet ist mit einem Mitglied der Familie Meyer-Sande,
       eine der größten völkischen Sippen in der Region. Übrigens auch eine
       typische Verbindung in dieser Szene, [3][dass man nicht Mitglied einer
       Partei oder Gruppe wird, sondern einheiratet].
       
       taz: Klingt nicht gerade nach Abstand. 
       
       Meyer: Nee, vor allem nicht ideologisch. Da gibt es große Überschneidungen.
       In den Anfängen der AfD unter Bernd Lucke konnten die völkischen Siedler
       mit der Partei noch gar nicht so viel anfangen. Aber seit die Neuen Rechten
       wie Björn Höcke oder Götz Kubitschek mehr ideologischen Einfluss genommen
       haben, ist die Partei den Völkischen inhaltlich näher gerückt. Das betrifft
       Vorstellungen von Familie, Queerfeindlichkeit und Homophobie. Ein Beispiel
       ist das AfD-Wahlplakat „Deutsche machen wir selbst“. Das ist genau das
       Konzept der Völkischen, genau diesen Rassismus teilen die.
       
       taz: Wie geht es der Antifa in Lüneburg und Umgebung? 
       
       Meyer: Wir merken deutlich, dass seit der Correctiv-Recherche 2024 ein Ruck
       durch die Gesellschaft gegangen ist. Veranstaltungen zum Thema extreme
       Rechte werden viel besser besucht. Vor der Bundestagswahl waren am Stand
       der AfD in Lüneburg mehr Menschen, um zu protestieren als sich zu
       informieren. Es gibt dort mehrere Antifa-Gruppen, eine Jugend-Antifa und
       das „Netzwerk gegen rechts“. [4][Lüneburg hat aber auch eine lange
       Geschichte von antifaschistischem Engagement].
       
       taz: Und auf dem Land? 
       
       Meyer: In Uelzen, Bienenbüttel und anderen kleinen Orten gab es seit der
       Correctiv-Recherche Anfang 2024 große Demos gegen rechts. Dann engagiert
       sich das Netzwerk „Beherzt“ in der ganzen Region gegen völkische Siedler
       mit Infoveranstaltungen und den „Kreuzen ohne Haken“, die sie vor Häusern
       aufstellen als Zeichen für die offene Gesellschaft.
       
       taz: Also gibt es nicht nur einen Rechtsruck, sondern auch mehr
       antifaschistische Aktivitäten? 
       
       Meyer: Wir als antifaschistisch Aktive sind im letzten Jahr alle zusammen
       stärker geworden, auch wenn wir unterschiedliche Spektren abbilden und
       unterschiedliche Aktionen machen. Nichtsdestotrotz nimmt die
       gesellschaftliche Verschiebung nach rechts über die letzten Jahre noch mal
       zu. Das sieht man nicht nur an der AfD, sondern auch an den Forderungen der
       CDU. Am Ende ist es weniger wichtig, ob einzelne rechte Gruppen größer oder
       kleiner werden, sondern es geht darum, wie die Gesellschaft zu ihren
       Inhalten steht. Trotzdem ist es wichtig, die lokalen, extrem rechten
       Akteur:innen und Strukturen zu kennen.
       
       12 Mar 2025
       
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