# taz.de -- NS-Raubkunst-Skandal in Bayern: Verheimlicht und verschleppt
       
       > Die Bayerische Staatsgemäldesammlung in München sitzt auf NS-Raubkunst.
       > Zum Nachteil von Erben gibt sie ihr Wissen über die Kunstwerke nicht
       > weiter.
       
 (IMG) Bild: Sechs Werte von Max Beckmann werden wohl von der Bayerischen Gemäldesammlung verheimlicht
       
       Rote Listen dienen normalerweise dazu, auf vom Aussterben bedrohte
       Tierarten hinzuweisen, auf den Brachvogel etwa oder die Moorente. Auf der
       roten Liste der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen stehen keine Vögel oder
       Reptilien, sondern Kunstwerke.
       
       Aus Sicht der Museumsleitung sind auch sie bedroht – allerdings von den
       rechtmäßigen Besitzern. Die knapp 200 dort aufgeführten Gemälde und
       Skulpturen sind laut der Liste nämlich als NS-Raubgut einzuordnen. Und das
       müsste aus den Sammlungen des Freistaats den Familien der meist jüdischen
       Opfer zurückerstattet werden, so die internationale Vereinbarung der
       „Washingtoner Prinzipien“, die Deutschland unterzeichnet hat.
       
       Die 900-seitige Liste jedoch, so der Vorwurf der Süddeutschen Zeitung, die
       das Konvolut zugespielt bekam, tut genau das Gegenteil. In ihr haben
       Provenienzexperten zwar aufgeschlüsselt, warum die entsprechenden Werke als
       NS-Raubgut qualifiziert werden müssten.
       
       ## Raffzahn Hermann Göring
       
       Sie haben nach den ursprünglichen Besitzern geforscht, etwa nach dem
       jüdischen Kunsthändler Alfred Flechtheim, und sind auf Namen wie den
       Reichsluftfahrtminister Hermann Göring gestoßen, der sich Kunstwerke unter
       den Nagel gerissen hat. Eigentlich vorbildlich, so sollte man meinen.
       
       Doch die Liste blieb geheime Verschlusssache der Bayerischen
       Staatsgemäldesammlungen. Potenzielle Erben wurden gar nicht oder nur dann
       über Raubkunst-Tatbestände informiert, wenn es sich gar nicht mehr
       vermeiden ließ. Das allerdings passt ins Bild der Rückgabepolitik Bayerns,
       die in Fachkreisen kritisiert wird, alte Eigentumsansprüche zu leugnen und
       das Rückgabeprozedere so lange zu verschleppen, bis Gras über die Sache
       gewachsen ist.
       
       Nur, so der Vorwurf, widerspricht dieses Verhalten diametral den
       Verpflichtungen Deutschlands aus den Washingtoner Prinzipien von 1998. Dort
       heißt es unter anderem: „Die Vorkriegseigentümer und ihre Erben sollten
       ermutigt werden, ihre Ansprüche auf Kunstwerke, die durch die
       Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückgegeben
       wurden, anzumelden.“ Das allerdings ist schlecht möglich, wenn man sie über
       ihr Erbe bewusst im Dunkeln belässt.
       
       ## 200 Werke plus weitere 800 Verdachtsfälle
       
       Die 200 aufgeführten Raubkunstwerke sind nicht alles. Dazu kommen laut
       Süddeutscher Zeitung etwa 800 Werke, die als „orange“ gekennzeichnet sind,
       was für raubkunstverdächtig steht. Zudem scheinen die Erkenntnisse nicht
       ganz neu zu sein. Die Liste existiert offenbar bereits seit 2020. Es
       handelt sich nicht um zweitklassige Werke, die in Museumsmagazinen
       dahindämmern. Zur aufgeführten Raubkunst zählen offenbar unter anderem
       sechs Gemälde von Max Beckmann sowie Kunst von Picasso bis Paul Klee.
       
       „Bayern verheimlicht jüdischen Erben seit Jahren seine Erkenntnisse zur
       Raubkunst, die sich im Besitz des Landes befindet“, so lautet der Vorwurf
       von Rechtsanwalt Markus Stötzel, dessen Kanzlei Betroffene vertritt.
       Flechtheim-Erbe Michael Hulton ließ erklären, Bayern habe sie „jahrelang
       belogen und versucht, das historische Unrecht zu vertuschen, um seine
       Kunstwerke behalten zu können“.
       
       In einer Stellungnahme weisen die Staatsgemäldesammlungen die Vorwürfe
       vehement zurück. Die angesprochene Datenbank sei unautorisiert
       weitergegeben worden. Die Inhalte entsprächen nicht dem aktuellen
       Forschungsstand und seien veraltet, die Liste sei ein „reines
       Arbeitsmittel“. Alle finalen Forschungsergebnisse seien seit 2022 auf der
       [1][Website Sammlung online] veröffentlicht. Sucht man in dieser Liste
       allerdings nach Gemälden von Beckstein und Klee, bei denen Erben von
       Verfolgten Ansprüche angemeldet haben, finden man keinerlei Hinweis auf
       eine Raubkunst durch die Nazis. Eine Pressesprecherin erklärte dies damit,
       es handele sich um noch offene Fälle. Bei anderen Gemälden ist ein Hinweis
       vorhanden.
       
       Der bayerische Kunstminister Markus Blume (CSU) distanzierte sich in seiner
       Stellungnahme indirekt von der Leitung der Staatsgemäldesammlung. Er
       erwarte von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, „dass sie sich
       unverzüglich und lückenlos mit den Vorwürfen auseinandersetzen“. Dazu habe
       er eine umfassende Stellungnahme angefordert. Man werde alles tun, um
       beschädigtes Vertrauen wiederherzustellen, erklärte Blume.
       
       Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) erklärte, die Recherchen seien
       „sehr beunruhigend“. Es lägen Indizien vor, „dass es im
       Verantwortungsbereich der Bayerischen Staatsregierung knapp 200 Kunstwerke
       geben könnte, die Raubgut sind. Es wäre ein Skandal, wenn hier Erkenntnisse
       über NS-Raubkunst bewusst zurückgehalten wurden und werden.“ Roth verlangte
       eine umfassende Aufklärung durch die Staatsgemäldesammlungen und die
       bayerische Staatsregierung.
       
       20 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.sammlung.pinakothek.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Hillenbrand
       
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