# taz.de -- Dekoloniale Doku über koloniale Filme: Afrika bekommt seine Bilder zurück
       
       > 1913/14 filmte Hans Schomburgk in der damaligen deutschen Kolonie Togo.
       > Ein heutiger Kollege brachte die Bilder zurück (und machte daraus einen
       > Film).
       
 (IMG) Bild: Auch ein Brückenschlag: An den Resten der Telefunken-Großfunkstation in Kamina wird die abendliche Vorführung vorbereitet
       
       Im Zentrum steht die Rückgabe: Geht es um einen heutigen, fairen Umgang mit
       dem [1][kolonialen Erbe], dann spielt für die einst Kolonisierten die
       [2][Restitution] eine entscheidende Rolle. Also die Frage, ob sie geraubte
       Artefakte zurückbekommen von den früheren Kolonialmächten. Auch der
       deutsche Filmemacher Jürgen Ellinghaus gibt auch etwas zurück, zumindest
       symbolisch: [3][Filmbilder], gedreht 1913/14 in der damaligen deutschen
       Kolonie „Togoland“, die dort aber größtenteils nie irgendein Einheimischer
       zu sehen bekam, führte er mit einem mobilen Kino im heutigen Togo vor. Und,
       klar, daraus wurde wiederum ein Film.
       
       Gedreht hat das historische Material Hans Schomburgk, geboren 1880 in
       Hamburg. In die Kolonie reiste er, um dort Abenteuerfilme zu inszenieren.
       Die liefen dann in den deutschen Kinos, gelten heute aber als verschollen.
       Was aber in Archiven erhalten ist, sind dokumentarische Aufnahmen, die eher
       Nebenprodukte von Schomburgks Arbeit waren, entstanden auf einer Reise
       durch das Land. Die vollzog Ellinghaus nach, er folgte derselben
       Reiseroute, um die Filme dort, wo sie gedreht wurden, zum ersten Mal zu
       zeigen – nach über 100 Jahren.
       
       Dieser Ansatz erwies sich als sehr fruchtbar: Vielen heutigen
       Togoer*innen ist nicht bewusst, wie brutal und unmenschlich die
       Deutschen die Menschen in ihren Kolonien ausbeuteten. Ja, stattdessen hat
       Deutschland in Togo einen erstaunlich guten Ruf: Am deutschen
       Volkstrauertag gedenkt man deutscher „Gefallener“ aus kolonialen Zeiten,
       und an einer Hauswand fand Ellinghaus das gemalte Porträt des letzten
       deutschen Gouverneurs in Togo, Adolf Friedrich von Mecklenburg. Der
       zeichnete sich dadurch aus, dass er Zwangsarbeit und Prügelstrafe brutal
       durchsetzte, aber auch der deutschen Wissenschaft mehr [4][als 1.000
       menschliche Schädel aus Ostafrika mitbrachte].
       
       Nach dem Ersten Weltkrieg war Togo Jahrzehnte lang französische Kolonie,
       was der Grund dafür sein dürfte, dass sich das eher versöhnliche Bild einer
       einstigen deutschen „Musterkolonie“ gehalten hat. Ellinghaus fand eine
       Straße, benannt nach dem bayerischen Politiker Franz Josef Strauss – die
       allerdings nach ein paar Hundert Metern plötzlich zur „Joseph Strauss
       Avenue“ wurde.
       
       ## Vorfahren in Ketten
       
       Die stummen SchwarzWeiß-Aufnahmen zeigt Ellinghaus meist nachts unter
       freiem Himmel auf einer kleinen, schnell aufgebauten Leinwand. Bei den
       Vorführungen sind die Menschen schockiert darüber, ansehen zu müssen, wie
       Vorfahren in Ketten gelegt und zur Zwangsarbeit gezwungen werden. Einige
       rufen „Sklaverei!“, worauf ein älterer Mann einwendet, dass es damals keine
       Sklaverei im Land gegeben habe. Womit er allenfalls in einem
       formal-rechtlichen Sinne recht hat.
       
       In einem anderen Dorf sind auf der Leinwand Menschen zu sehen, wie sie
       große Bündel Baumwolle auf dem Kopf tragen: [5][Der Rohstoff] war als
       Steuer an die Deutschen abzuliefern. Ein junger Zuschauer zupft an seinem
       eigenen Hemd und sagt, dass es ja auch aus Baumwolle sei.
       
       Es gibt noch mehr solcher Momente in „Togoland Projektionen“, die eine
       Brücke schlagen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. So zeigt Ellinghaus,
       wie junge Frauen mit langen Stößeln Getreide in einem Mörser mahlen –
       dieselbe Tätigkeit war kurz zuvor auf der Leinwand von einer Frau ausgeübt
       worden. Eine schöne Verknüpfung von Projektion und Publikum gelang
       Ellinghaus auch, als nach einer Vorstellung die Menschen begannen, auf
       ihren Instrumenten Musik zu machen und dazu zu tanzen. Ellinghaus zeigte
       den Film gleich noch einmal und so spielten junge Afrikaner*Innen
       spontan einen Soundtrack ein zu den Bildern ihrer Vorfahren.
       
       In einem Archiv stieß der Filmemacher auf ein Buch der Schauspielerin Meg
       Gehrts, die Schomburgks Hauptdarstellerin war und ihn auch auf der
       Afrika-Reise begleitete. Ihre Zitate lassen sie als junge Frau erscheinen,
       die zwar im kolonialen Denken jener Zeit gefangen bleibt – die sich aber
       auch darüber empört, wie die Kolonialherren die togoischen Frauen
       behandeln: ein spannungsvoller Kontrapunkt zum Bildmaterial.
       
       Am Ende seiner Reise zeigt Ellinghaus die alten Filme einer Gruppe junger
       togoischer Cineast*innen, die danach eine Debatte über die Bedeutung dieser
       historischen Zeugnisse führen. „Bilder bleiben im Kopf, die vergisst man
       nicht“, bringt eine Diskutantin wohl auch Ellinghaus’ Anliegen auf den
       Punkt. „Auch nach 20 Jahren erinnern sich die Kinder noch an die Bilder mit
       den Ketten.“
       
       13 Jan 2025
       
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