# taz.de -- Waffenexporte an die Türkei und Israel: Deutsche Waffen in alle Welt
       
       > 2024 exportierte die Bundesregierung Waffen im dreistelligen
       > Millionenbereich, sagt ein neuer Bericht. Man missachte die eigenen
       > Grundsätze.
       
 (IMG) Bild: Im Visier: israelische Soldaten an einem Merkawa-Panzer an der Grenze zum Libanon
       
       Berlin taz | Deutschland exportierte im Jahr 2024 Waffen im dreistelligen
       Millionenbereich an Länder, die international scharf für die Missachtung
       der Menschenrechte und ihre Kriegsführung kritisiert werden. Die Gemeinsame
       Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), die ihren Rüstungsexportbericht
       für das Jahr 2024 am Mittwoch in Berlin vorstellte, verzeichnete in den
       ersten drei Quartalen des laufenden Jahrs Exportgenehmigungen im Wert von
       rund 11 Milliarden Euro – damit könnte bis zum Jahresende der bisherige
       Rekordwert der Ausfuhren von 12,2 Milliarden aus dem Jahr 2023 sogar noch
       übertroffen werden.
       
       „Von restriktiven Waffenexporten kann bei der Bundesregierung keine Rede
       sein“, sagt Max Mutschler, Wissenschaftler am Bonner
       Konfliktforschungsinstitut BICC und Vorsitzender der GKKE-Fachgruppe für
       Rüstungsexporte, der taz. Der Arbeitsverbund aus katholischer und
       evangelischer Kirche trägt jedes Jahr die spärlichen Daten von
       Bundesregierung und Wirtschaftsministerium zusammen, um so für mehr
       Transparenz bei den deutschen Exportgenehmigungen von Waffen und anderen
       Rüstungsgütern zu sorgen.
       
       [1][Das größte Empfängerland deutscher Waffen ist demnach weiterhin die
       Ukraine]. In den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres gab es
       Genehmigungen für die Lieferung von Rüstungsgütern im Wert von etwa 7
       Milliarden Euro an das von Russland angegriffene Land. Das ist deutlich
       mehr als die Genehmigungen im Vorjahr, die bei 4,4 Milliarden Euro lagen.
       
       Die GKKE betont in ihrem Bericht, dass sie die Waffenexporte in die Ukraine
       angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands als legitim erachte.
       „Doch die Bundesregierung stellt in ihrer Kommunikation die Exporte an die
       Ukraine immer nach vorne, in der Hoffnung, dass die Lieferungen an andere
       Länder weniger auffallen“, sagt Mutschler.
       
       ## Kirchenvertreter stellen Lieferungen nach Israel infrage
       
       Denn dafür, dass die Regierung [2][in ihrem Koalitionsvertrag] eine
       „abrüstungspolitische Offensive“ versprochen hatte, sind gerade die
       Waffenlieferungen in Drittländer in neue Höhen gestiegen. Unter den ersten
       zehn Empfängerländern waren 2024 mehrheitlich Staaten, die weder der Nato
       noch der EU angehören – und das sogar, wenn man die Lieferungen an die
       Ukraine herausrechnet: Exportgenehmigungen für Waffen im Wert von etwa 2,4
       Milliarden Euro wurden an Staaten wie Singapur (1,2 Milliarden Euro) und
       Algerien (559 Millionen Euro) erteilt. Demgegenüber standen
       Exportgenehmigungen für Lieferungen an die USA, Großbritannien und Norwegen
       in einem Umfang von 481 Millionen Euro.
       
       „Rüstungsexporte drohen zunehmend zu einer geostrategischen Verfügungsmasse
       zu werden“, hieß es in einer Erklärung von Anne Gidion, Bevollmächtigte des
       Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sie forderte
       „menschen- und völkerrechtliche Mindeststandards“, um zu verhindern, dass
       nicht definierte Sicherheitsinteressen und kurzfristige Interessenkonflikte
       zu mehr Rüstungsexporten führen.
       
       Angesichts der Kriegsführung in Gaza stellt die GKKE deutsche
       Rüstungsexporte nach Israel infrage: „Wir fordern die Bundesregierung auf,
       keine Rüstungsexporte nach Israel zu genehmigen, wenn ein hinreichender
       Verdacht besteht, dass die Rüstungsgüter zu schweren Verstößen gegen das
       humanitäre Völkerrecht benutzt werden“, so Karl Jüsten, der katholische
       Vorsitzende der Kommission.
       
       Gerade Rüstungsgüter wie Panzermunition dürften nicht nach Israel
       exportiert werden, solange die israelische Regierung der Sicherheit der
       Zivilbevölkerung in Gaza keine signifikant höhere Priorität einräume, hieß
       es in einer Erklärung Jüstens. Laut parlamentarischen Anfragen hat die
       Bundesregierung allein [3][seit August dieses Jahres Lieferungen im Wert
       von mehr als 117 Millionen Euro an Israel genehmigt.]
       
       Dabei bekennt sich die GKKE im Grundsatz für eine „sicherheitspolitische
       Unterstützung“ Israels durch Deutschland, die auch eine Lieferung von
       Rüstungsgütern einschließen könne, wie es in dem Jahresbericht heißt.
       Allerdings müsse sich Israel an die Regeln des humanitären Völkerrechts
       halten. „Verschiedene internationale und nationale Gerichte haben
       systematische und schwerwiegende Verletzungen des humanitären Völkerrechts
       durch israelische Kriegsführung im Gazastreifen festgestellt“, heißt es in
       dem Bericht.
       
       Die Bundesregierung solle die israelische Regierung mit größtem Nachdruck
       dazu drängen, bei ihrer Kriegsführung der Sicherheit der Zivilbevölkerung
       eine signifikant höhere Priorität einzuräumen. „Solange dies nicht
       geschehen ist – nachgewiesen durch einen glaubwürdigen Strategiewechsel der
       israelischen Regierung – stellt die GKKE Rüstungsexporte an Israel in
       Frage.“
       
       ## Die Hoffnungen wurden enttäuscht
       
       Konfliktforscher Mutschler zufolge verstoße die Bundesregierung mit ihrer
       Rüstungspolitik im Nahen Osten auch gegen ihren eigenen Grundsatz, dass die
       Sicherheit Israels Priorität habe. „Deutschland rüstet etwa mit Lieferungen
       an die ägyptische Marine auch die Kontrahenten Israels auf.“ Auch Exporte
       an Länder wie Katar und Saudi-Arabien würden die Aufrüstungsspirale in der
       Region befeuern, so Mutschler.
       
       Die GKKE sieht auch die Waffenlieferungen in Höhe von gut 230 Millionen
       Euro an die Türkei kritisch. Mutschler kritisiert, dass Bundeskanzler Olaf
       Scholz (SPD) die Waffenlieferungen an Ankara damit begründete, bei der
       Türkei handle es sich um ein Nato-Mitglied. Auch bei Exporten an
       Bündnispartner müssten völkerrechtliche Maßstäbe angelegt werden. Ankara
       unterstütze lokale Milizen in Syrien und bombardiere teilweise auch selbst
       Ziele in Syrien und im Irak mit Artillerie und aus der Luft, um kurdische
       Gruppen zu schwächen, so Mutschler. „Das ist in weiten Teilen eine
       völkerrechtswidrige Vorgehensweise.“
       
       Gidion zufolge habe die GKKE mit einer gewissen Zuversicht auf die
       Legislaturperiode geblickt. Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel
       angekündigt, [4][ein Rüstungsexportkontrollgesetz einzuführen]. „Davon ist
       leider nicht viel geblieben“, so Gidion. Auch Mutschler sagt, mehr
       Transparenz bei den Waffenlieferungen sei dringend geboten. Oft sei unklar,
       welche Art von Rüstungsgütern Deutschland überhaupt liefere. Und selbst
       wenn etwa 80 Prozent der Genehmigungen bekannt seien: „20 Prozent von
       Lieferungen im dreistelligen Millionenbereich können sehr gefährlich sein.“
       
       18 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kanzler-Scholz-ueberraschend-in-Kyiiw/!6053905
 (DIR) [2] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf
 (DIR) [3] /Ruestungsexporte-nach-Israel/!6042486
 (DIR) [4] /Studie-ueber-deutsche-Ruestungsexporte/!5998391
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Cem-Odos Güler
       
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