# taz.de -- Neue Nationale Sicherheitsstrategie: Greenwashing von Waffen
       
       > SPD und Grüne wollen die deutsche Rüstungsindustrie stärken. Unternehmen
       > sollen künftig auch mit Nachhaltigkeitsfonds finanziert werden. NGOs
       > sehen das kritisch.
       
 (IMG) Bild: Grüne Zeitenwende? Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) klettert auf einen Gepard-Panzer in Oldenburg 2022
       
       Berlin taz | Nachhaltige und ökologische Investitionen erfreuen sich am
       Finanzmarkt anhaltender Beliebtheit. Anleger sollen ganz ohne schlechtes
       Gewissen Geld investieren, denn mit ihrem Kapital werde Gesellschaft und
       Umwelt ja positiv gefördert. Allerdings ist es oftmals eine
       Definitionssache, was eine nachhaltige Geldanlage ausmacht. Geht es nach
       der Bundesregierung, dann sollten Investitionen in die Rüstungsindustrie
       nun auch dazugehören. Denn die Verteidigungsindustrie leiste „einen
       wichtigen Beitrag zu Resilienz, Sicherheit und Frieden“, findet Rot-Grün,
       wobei „selbstverständlich“ Völkerrecht und internationale Verträge
       berücksichtigt werden müssten.
       
       Darauf haben sich gerade Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und
       Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geeinigt. Mit zwei Monaten
       Verspätung und ohne den inzwischen entlassenen FDP-Finanzminister Christian
       Lindner hat das Kabinett am Mittwoch die neue [1][Nationale Sicherheits-
       und Verteidigungsindustriestrategie] der Bundesregierung beschlossen. Die
       soll die deutsche Rüstungsindustrie stärken, gerade auch wegen der Ukraine,
       die militärisch weiter unterstützt werden soll. Ziel müsse sein,
       „hochmoderne Waffensysteme – auch gemeinsam mit unseren Verbündeten – zu
       entwickeln und vor allem auch in ausreichender Stückzahl zu produzieren“,
       so Pistorius, der in der Strategie „ein neues Kapitel in den Beziehungen
       zwischen Staat und Industrie“ sieht, „ganz im Sinne der Zeitenwende“.
       
       Einen Schwerpunkt legt die Strategie darauf, die Finanzierung von
       Rüstungsunternehmen „durch Banken und Kapitalmärkte“ zu verbessern. Und da
       kommt die Nachhaltigkeit ins Spiel: ESG-Fonds, die für Umwelt
       (Environment), Soziales (Social) und gute Unternehmensführung (Governance)
       stehen, könnten „selbstverständlich auch in Unternehmen der SVI
       investieren“, heißt es dort mit Bezug auf die Sicherheits- und
       Verteidigungsindustrie.
       
       Damit geht ein lang gehegter Wunsch der deutschen Rüstungsindustrie in
       Erfüllung, die [2][massiv Lobbyarbeit] dafür gemacht hatte. Die Strategie
       enthält weitere Neuerungen, die in dem [3][Rohentwurf], den das Portal
       Politico geleakt hatte, noch gar nicht vorgekommen waren. So macht sich die
       Bundesregierung für eine „restriktive Rüstungsexportpolitik“ stark, „für
       die Menschenrechte ein entscheidender Maßstab sind“, so Wirtschaftsminister
       Habeck.
       
       Industrie freut sich 
       
       Käuferländer sollten sich dennoch finden lassen: in EU- und Nato-Staaten,
       der Nato gleichgestellten Ländern oder auch „ausgewählten Partnerstaaten“,
       womit von Israel über Indien bis Südkorea einiges abgedeckt werden könnte.
       Umstritten dürften Exporte dennoch bleiben, etwa bei Rüstungsgütern, die in
       mehreren europäischen Ländern produziert werden, wie der Eurofighter. Hier
       will sich die Bundesregierung für eine „Weiterentwicklung des
       EU-Regelwerks“ einsetzen.
       
       Gleichzeitig setzt die Rüstungsstrategie aber auch nationale Prioritäten.
       So werden Schlüsseltechnologien definiert zur „Aufrechterhaltung und
       Stärkung der strategischen Souveränität“ sowie der Handlungsfähigkeit der
       Bundesrepublik. Auch soll bei ausländischen Investitionen in Deutschland
       der „Abfluss von Know-how ins Ausland erforderlichenfalls“ verhindert
       werden. Staatliche Beteiligung an Rüstungsfirmen soll „ausnahmsweise in
       besonderen strategischen Fällen“ möglich sein.
       
       Als „wichtigen Zwischenschritt“ lobte die Industrie den Entwurf, den
       Pistorius und Habeck am Donnerstag bei einem Treffen persönlich
       präsentierten. „Einige unserer Vorschläge“ fänden sich in der Strategie
       wieder, teilten der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und
       Verteidigungsindustrie (BDSV) und der Bundesverband der Deutschen Luft- und
       Raumfahrtindustrie (BDLI) mit. Nun müsse das Beschlossene schnell umgesetzt
       werden, mahnte BDSV-Hauptgeschäftsführer Hans Christoph Atzpodien. Man
       dürfe „die Zeit bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung nicht
       verstreichen“ lassen.
       
       Gar nicht einverstanden mit der neuen Richtlinie ist dagegen Thomas
       Küchenmeister von der [4][NGO Facing Finance,] die sich für soziale und
       ökologische Geldanlage einsetzt: „Auch wenn Rüstungsexporte politisch
       notwendig erscheinen, bedeutet das noch lange nicht, dass sie auch
       nachhaltig sind.“ Sollte sich das durchsetzen, „dürfte das ohnehin schon
       beschädigte Vertrauen in nachhaltige Finanzprodukte noch mehr erschüttert“
       werden. Er mahnt, auch auf international verbindliche Verträge zu achten:
       Unternehmen, die Antipersonenminen oder Streubomben herstellen oder gegen
       den Arms Trade Treaty (ATT) verstoßen, dürften von Banken nicht finanziert
       werden. Davon seien dann auch Firmen betroffen, deren Waffen „wissentlich
       für Kriegsverbrechen eingesetzt werden“.
       
       5 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bmvg.de/resource/blob/5865332/d4d0d9ab55edde72a11cee2a3ca59d3b/nationale-sicherheits-und-verteidigungsindustriestrategie-data.pdf
 (DIR) [2] /Waffenlobby-in-der-EU/!6041646
 (DIR) [3] /Ruestungsstrategie-der-Bundesregierung/!6031177
 (DIR) [4] https://www.facing-finance.org/en/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dirk Eckert
       
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