# taz.de -- Bizarre Anzeige in der Neuen Osnabrücker: Stimmungsmache mit Stimmzetteln
       
       > Eine Anzeige in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ erregt die Gemüter:
       > Aufgegeben durch das eigene Druckhaus basht sie Grüne und SPD.
       
 (IMG) Bild: Mitarbeiter kritisieren Rechtsdrall: Verlagshaus der Neuen Osnabrücker Zeitung
       
       Osnabrück taz | Dass Medien Meinungen verbreiten, ist Alltag. Und daran
       ist, im Prinzip, nichts verwerflich. Zuweilen jedoch nimmt diese
       Meinungsverbreitung seltsame Züge an.
       
       Am 13. November 2024 erschien in der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) eine
       Anzeige des Druckhauses Meinders & Elstermann, Belm: „Sie benötigen
       61.500.000 Wahlzettel? Wir benötigen 3 Wochen“. [1][Jan Dirk Elstermann],
       Geschäftsführer des Druckhauses, ist zugleich Herausgeber der NOZ,
       inserierte also bei sich selbst.
       
       In großen Lettern geht es um den schnellen Druck von Stimmzetteln für eine
       möglichst rasche Bundestags-Neuwahl. Ein Schuss gegen Bundeswahlleiterin
       Ruth Brand, die vor Übereilung gewarnt hatte, Risiken bei der Herstellung
       der Wahlunterlagen inklusive. Ein Versuch, die Papier- und Druckindustrie
       gegen angebliche „Ahnungslosigkeit“ zu verteidigen.
       
       Aber die eigentliche Botschaft ist ein Bashing der Grünen und der SPD. In
       harter Parteinahme-Rhetorik behauptet die Anzeige: „Drei Jahre
       Öko-Ideologie und Sozi-Träumereien haben mit einer beispiellosen
       Verbots-Politik und belehrenden Regulierungen dem Mittelstand massiv
       geschadet.“
       
       ## Achtung Satire
       
       Gewiss, die Anzeige ergänzt, winzig klein: „Achtung: Enthält Satire“. Aber
       das klingt wie eine Bemäntelung.
       
       Henry Gehrs und Nicole Emektas, Ratsfraktion Die Linke, Stadt Osnabrück,
       bewerten gegenüber der taz die Satire-Rubrizierung als „zu plump, um die
       wahre Intention zu verstecken“. Sie sehen in der Anzeige den Versuch,
       „Parteien im Wahlkampf zu unterstützen, die im Sinne der Millionäre und
       Milliardäre die Umverteilung von unten nach oben vorantreiben“.
       
       Man sei „erstaunt, dass eine unabhängige und einflussreiche Tageszeitung es
       zulässt, als politisches Instrument der Verlegerfamilie missbraucht zu
       werden“. In der Region Osnabrück sei die NOZ die einzige ernstzunehmende,
       primär als Lokalzeitung wahrgenommene Tageszeitung.
       
       „Durch die faktische Monopolstellung sollte es die besondere Verantwortung
       sein, politische Neutralität zu wahren und die Arbeit der Redaktion nicht
       durch misslungene Anzeigen aus Unternehmen der Verlegerfamilie zu
       diskreditieren“, finden Gehrs und Emektas.
       
       „Die Aktion aus den Reihen der Teilhaber der NOZ-Medien Gruppe hat mich
       ziemlich entsetzt“, sagt Volker Bajus der taz, Fraktionschef der Grünen im
       Osnabrücker Stadtrat und Abgeordneter im Hannoveraner Landtag. Das
       Wahlrecht verlange hohe demokratische Standards. Die Wahlleiterin habe
       diese zu garantieren. „Mit der Anzeige wurden jedoch gezielt Zweifel an der
       Integrität und Glaubwürdigkeit der Wahl gestreut.“
       
       Die Wortwahl im weiteren Text erinnere „an Chat-Gruppen von Schwurblern
       oder die [2][Hetze in der AfD-Werbung]“, sagt Bajus. Es werde „in extrem
       polemischer Weise, ohne Sachhinweis, Beleg oder Beispiel, Stimmung gegen
       SPD und Grüne gemacht“. Das Niveau habe man „bislang von Springer oder
       Murdoch“ gekannt, aber nicht von der NOZ. Sein Fazit: Die Anzeige sei „zum
       Fremdschämen“.
       
       Andre Klekamp, SPD-Ratsmitglied der Stadt Osnabrück, sieht sich durch die
       Anzeige „auf vielen Ebenen tangiert“. Er ist Geschäftsleiter des örtlichen
       Druckhauses Fromm + Rasch. Der Verlegerfamilie Fromm gehört die Hälfte der
       Unternehmensgruppe NOZ/mh:n.
       
       „Ich kann mich auf fachlicher Ebene bzgl. der Leistungsfähigkeit der
       Druckindustrie den in der Anzeige dargestellten Positionen anschließen“,
       schreibt Klekamp. „Alle darüber hinaus getätigten Aussagen und genutzten
       Stilmittel hätte ich persönlich aus diversen professionellen Gründen nicht
       gewählt.“
       
       Als Bürger der Stadt Osnabrück und Mitglied des Stadtrats empfinde er „die
       enthaltenen politischen Aussagen und gewählten Stilmittel als populistisch,
       spaltend und nicht dem demokratischen Diskurs dienlich“.
       
       Marius Keite, Fraktionsvorsitzender der CDU, sieht das Ganze nicht so
       kritisch. Die Anzeige verweise „explizit darauf, satirische Elemente zu
       enthalten“, schreibt er der taz, und bringe offensichtlich Unverständnis
       darüber zum Ausdruck, dass die Begründung des Aufschiebens einer Wahl mit
       vermeintlichem Papiermangel als Argument genannt wurde. „Auch uns erschien
       dieses Argument fragwürdig.“
       
       ## Herausgeber verwundert
       
       Jan Dirk Elstermann nahm eine der Bitte der taz um Stellungnahme mit
       Verwunderung zur Kenntnis. Funktionsträger eines Verlages äußerten sich
       nicht zu den Inhalten der Anzeige eines Kunden. Auch für Anzeigenkunden
       gelte im übrigen „die verfassungsrechtlich verbürgte Meinungsfreiheit“.
       
       Mitarbeitende der NOZ äußern sich dagegen schon. „Damit entlarvt sich das
       Weltbild unseres Verlegers“, so eine der Stimmen, die lieber anonym bleiben
       wollen. „Da [3][aus Chefredaktion] und auch der anderen Verlegerseite
       niemand öffentlich widerspricht und das stattdessen so mitträgt, muss man
       davon ausgehen, dass das kein Fauxpas ist und auch kein Zufall.“ Das sei
       die Richtung, in die der Verlag gehe.
       
       „Die Wortwahl der Anzeige deckt sich mit dem Vokabular der Rechten“, heißt
       es an anderer Stelle. „Damit ist [4][der Rechtsruck gesetzt], der Schwenk
       zu den Blauen. Hier vollzieht sich ein grundlegender Richtungswandel. Das
       sehe ich mit großer Sorge.“
       
       18 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Verlegerverband-bekommt-neue-Spitze/!5927301
 (DIR) [2] /Aktivisten-setzen-Restaurant-unter-Druck/!5993737
 (DIR) [3] /Chefredakteur-auf-Abwegen/!6038979
 (DIR) [4] https://www.boeckler.de/de/auf-einen-blick-17945-auf-einen-blick-rechtspopulismus-in-deutschland-37867.htm
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Harff-Peter Schönherr
       
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