# taz.de -- Tech-Investor Peter Thiel: Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung
       
       > Die Reichen verabschieden sich längst aus der gemeinsamen Welt der
       > Demokratie. Ein gutes Beispiel dafür ist der Tech-Milliardär Peter Thiel.
       
 (IMG) Bild: Peter Thiel, Mitbegründer von PayPal und Palantir, während einer Bitcoin-Konferenz am 7. April 2022, in Miami Beach
       
       In den USA treten finanzkräftige Parteispender gerne öffentlich in
       Erscheinung. So ist etwa Elon Musk zuletzt mehr als deutlich als
       Unterstützer [1][Donald Trumps] hervorgetreten. Oder soll man besser sagen
       gehopst – wie bei seinem skurrilen Auftritt in Pennsylvania am Ort des
       Attentats?
       
       Etwas hintergründiger – aber um nichts weniger intensiv – legt ein anderer
       Tech-Milliardär seine Unterstützung an: Peter Thiel. Der in Deutschland
       geborene und in den USA aufgewachsene Investor entwickelt seine Parteinahme
       auf seine eigene Art. Man bezeichnet ihn als Strippenzieher und seit der
       Ernennung seines Protegés [2][J. D. Vance zu Trumps
       Vizepräsidenten-Kandidaten] sogar als Königsmacher.
       
       Kürzlich ist ein Videoclip von Februar wieder aufgetaucht, wo der
       Silicon-Valley-Milliardär sein politisches Credo ablegt. Und dieses hat es
       durchaus in sich.
       
       Er beruft sich ausgerechnet auf [3][Carl Schmitt.] Vorlage ist ihm die
       Kritik des expliziten Nationalsozialisten am Liberalismus, an der liberalen
       Demokratie der Weimarer Republik in den 20er Jahren. Diese Kritik würde, so
       Thiel, auch auf das moderne Amerika zutreffen.
       
       „Ich glaube nicht, dass wir uns in einer zyklischen Welt befinden, aber es
       gibt sicherlich gewisse Parallelen zwischen den USA in den 2020er Jahren
       und Deutschland in den 1920er Jahren“, so Thiel. „Der Liberalismus ist
       erschöpft, man vermutet, dass die Demokratie, was auch immer das heißen
       mag, erschöpft ist und dass wir einige Fragen stellen müssen, die weit
       außerhalb des Overton-Fensters liegen.“
       
       Er nimmt damit unter expliziten Vorzeichen ein Thema auf, das er immer
       wieder vorbringt: „Ich glaube nicht länger“, so Thiel, „dass Freiheit und
       Demokratie miteinander vereinbar sind.“
       
       ## Regeln schränken Milliardäre ein
       
       Warum diese aus seiner Sicht nicht vereinbar seien, ist klar: Demokratie
       ist eine Gesellschaftsordnung, die Macht institutionell begrenzt – auch die
       Macht von Eliten. Zumindest dem Ideal nach.
       
       Demokratie bedeutet Regeln, die für alle gelten – das ist aber für die
       Thiels dieser Welt eine unzulässige, eine empörende Einschränkung. Denn
       Regeln fügen sie in etwas ein, dem sie sich nicht zugehörig fühlen: die
       Gesellschaft. Deshalb lehnen sie Demokratie ab. So wie Thiel auch Politik
       als „Einmischung in anderer Leute Leben ohne ihre Zustimmung“ ablehnt. Die
       Freiheit, die für ihn unvereinbar mit der Demokratie ist, ist genau das:
       Freiheit von der Gesellschaft, die ihn eingrenzt.
       
       „Sezession der Reichen“ nennt man das in der Theorie. Eine Abtrennung, eine
       Distanzierung, eine Ungebundenheit von der Gesellschaft. Der Soziologe
       Zygmunt Bauman sah darin eine „geistig-moralische Exterritorialität“ der
       Erfolgreichen, die sich für eine Abspaltung entscheiden und von ihren
       gesellschaftlichen Verpflichtungen und Verantwortungen und damit vom
       Gemeinwohl zurücktreten. Kurzum – die Thiels dieser Welt kündigen den
       Gesellschaftsvertrag einseitig auf.
       
       ## Das wahre Gesicht des Populismus
       
       Sie verabschieden sich aus der gemeinsamen Welt. Sie kündigen noch die
       allgemeinste Vorstellung von Gleichheit auf. Das steht nur scheinbar im
       Widerspruch zu Trumps vehementem Nationalismus und seinem Populismus.
       Tatsächlich ist es dessen wahres Gesicht.
       
       Dieser Auszug aus der Verantwortung, aus der Gesellschaft, ist ein Auszug
       aus der Begrenzung, die für die Demokratie konstitutiv ist. Denn er
       bedeutet in jeder Hinsicht eine Entgrenzung: finanziell, sozial, kulturell,
       räumlich. Es ist dies das Entstehen einer Oligarchie.
       
       Hier greift der Vergleich mit der Kritik an der Weimarer Republik. Das
       Überschreiten des Overton-Fensters – also der Bandbreite der Ansichten oder
       Meinungen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt als politisch akzeptabel
       gelten – wird damit klar ausbuchstabiert: Was Thiel vorschwebt, ist eine
       Herrschaft der Wenigen, eine Elitenherrschaft. In dieser Form scheint ihm
       Politik doch zulässig: als oligarchische Diktatur, die nur auf den
       Eigennutz der Herrschenden zielt und sich vom Gemeinwohl verabschiedet.
       
       In der Antike galt die Oligarchie als eine Verfallsform der Aristokratie.
       Heute ist sie zu einer Verfallsform der Demokratie geworden.
       
       22 Oct 2024
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Isolde Charim
       
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