# taz.de -- Energiewende im Osten: Hoffnung trotz AfD und BSW
       
       > Erneuerbare? Kommen bei den Wahlsiegern von Thüringen und Sachsen kaum
       > vor. Dennoch sind viele Akteure in der Branche zuversichtlich.
       
 (IMG) Bild: Auch im Osten: Windräder in Arnstadt, Thüringen
       
       Berlin taz | Viele sind besorgt, manche trotzig, wenige zuversichtlich: Die
       [1][Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen] rufen derzeit bei denjenigen,
       die Zukunftstechnologien vorantreiben und damit Geld verdienen wollen, ganz
       unterschiedliche Emotionen hervor. „Die Energieversorgung befindet sich
       europa- und weltweit in einem Transformationsprozess“, sagt Ramona Rothe
       von der Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur (Thega). Dafür seien auch
       in Thüringen Pflöcke eingeschlagen worden, die keine neue Landesregierung
       einfach wieder herausziehen könne, meint Rothe. Sie leitet in der Thega den
       Bereich erneuerbare Energien. „Aus unserer Beratungspraxis mit rund 200
       Unternehmen kennen wir den großen Bedarf an Erneuerbaren gerade aus der
       Stahl-, Glas- und Papierindustrie“, sagt Rothe, „nur durch den Zubau von
       Wind- und Solaranlagen kann der Standort Thüringen gesichert werden.“
       
       Das Bundesland sei zwar beim Ausbau von Solar- und Windenergie bislang
       nicht führend, hole jedoch auf. „Das macht sich auch in den Zahlen
       bemerkbar“, so Rothe. Derzeit liefen Genehmigungsverfahren für 135
       Windräder, 278 Kommunen ließen sich von der Thega beim Windkraftausbau
       beraten. Die Bundesregierung habe mit ihrer Vorgabe, 2 Prozent der
       Landesfläche für Windkraftanlagen zur Verfügung zu stellen, Dynamik
       erzeugt, sagt Rothe. Zudem erlaube das novellierte
       Bundesimmissionsschutz-Gesetz nun schnellere Genehmigungen. Rothe: „Hierauf
       ist Thüringen bereits gut vorbereitet.“
       
       Auch Falk Zeuner in Sachsen spürt den Rückenwind aus Berlin: Der Präsident
       des Vereins zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien (VEE)
       beobachtet, das viele Kommunen sich intensiv mit der Planung von Windrädern
       auf ihrem Gebiet befassen.
       
       Sachsen hat die 2-Prozent-Vorgabe aus dem Windenergie an Land-Gesetz sogar
       ambitionierter umgesetzt als andere Bundesländer und will sie bereits 2027
       erreichen, nicht erst Ende 2032. Außerdem gibt es für Kommunen eine
       „Flexi-Klausel“, nach der sie selbst Flächen für Erneuerbare ausweisen
       können, bevor die Regionalplanung übernimmt. „Das zeigt: Die Gesetzgebung
       aus Berlin und Brüssel ist wichtig“, sagt Zeuner, „aber die Umsetzung vor
       Ort ist genauso entscheidend.“
       
       ## Kommunikation der Energiewende wichtig
       
       Zeuner ist Geschäftsführer der [2][Terawatt Planungsgesellschaft mbH],
       eines Projektentwicklers für Windkraftanlagen aus Leipzig. In den
       vergangenen Jahren hätten die Grünen in der Dresdner Landesregierung in
       Sachen Erneuerbare viel durchsetzen können, sagt er. Wichtig sei auch, wie
       das Thema kommuniziert werde. „Das Thema Energiewende ist komplex, Projekte
       brauchen von der Idee bis zur Realisierung oft Jahre“, sagt Zeuner.
       Mitarbeiter in Behörden könnten Verfahren verschleppen oder beschleunigen,
       im Sinne des Projekts entscheiden oder dagegen. „Das hängt auch davon ab,
       wie die Stimmung ist, ob die Genehmigungsbehörden vor Ort das Gefühl haben,
       ‚von oben‘ gebe es Rückenwind für die Energiewende oder nicht“, so Zeuner.
       
       Den Wahlkampf von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hält er
       deswegen für höchst problematisch: „Mit seiner Aussage, die Energiewende
       sei gescheitert, bremst er Projekte aus“. Dabei werde immer mehr Leuten
       klar, dass ein Wechsel zu dezentralen erneuerbaren Energien die Chance
       bietet, Sachsen als Energie- und Wirtschaftsstandort zu erhalten und
       Wertschöpfung vor Ort zu generieren.
       
       „Es ist doch die Klientel der CDU, die Unternehmer, die massiv erneuerbare
       Energien und grüne Gase fordern“, ärgert sich Zeuner. „Das müsste doch
       eigentlich irgendwann auch mal beim Ministerpräsidenten ankommen“. Das
       größte Missverständnis beruhe darauf, das viele Konservative die
       Energiewende als grünes Vorhaben begreifen, „doch das ist sie gar nicht
       mehr, das ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt mit tiefen Auswirkungen
       auf die wirtschaftliche Zukunft des Landes“.
       
       Unter den Wahlgewinnern in Sachsen und Thüringen ist diese Erkenntnis
       allerdings kein Konsens, im Gegenteil. „Das Narrativ ist mit dem
       Ukrainekrieg und den danach steigenden Preisen fossiler Energien insgesamt
       gekippt“, sagt Philipp Blechinger, Leiter des Graduiertenkollegs am
       Berliner [3][Reiner-Lemoine-Institut (RLI)]. Das Argument, mit erneuerbaren
       Energien sei Westeuropa unabhängiger von Öl- und Gasimporten aus Russland
       gewesen, habe nicht gegriffen.
       
       ## „Transformation gestalten“
       
       „Das Thema ist jetzt erst mal verbrannt“, so Blechinger, „jetzt heißt es,
       ‚Energie muss bezahlbar bleiben‘, was bedeuten soll, zu fossilen Energien
       zurückzukehren, auch wenn in der Realität die Erneuerbaren günstiger sind“.
       Das RLS-Graduiertenkolleg hat die [4][Wahlprogramme der Parteien in
       Sachsen, Thüringen und Brandenburg in Hinblick auf Aussagen zur
       Transformation von Wirtschaft und Energieversorgung durchforstet]. Gefunden
       hat es dazu bei CDU, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und [5][AfD] nicht
       viel. Die CDU hat „punktuell Aspekte wie das Klimageld, eine Reform der
       Netzentgelte oder die Förderung von grünem Wasserstoff gefordert“, heißt es
       in ihrer Analyse, „es fehlen aber klare Bekenntnisse, Visionen und Ziele,
       insbesondere im Bereich der Wärme- und Industriewende“.
       
       Beim [6][BSW] finden sich für Sachsen zu den Themen „Industriewende,
       Infrastruktur und Netze oder Strommarktdesign“ überhaupt keine Aussagen.
       Dazu passe es, dass im vorherrschenden Diskurs häufig vorgebracht werde,
       die Industrie müsse geschützt werden. „Das ist allerdings genau das
       Gegenteil von dem, was wir brauchen, wir müssen Transformation gestalten“,
       so Blechinger.
       
       Wie Energie-, Industrie- und Verkehrswende wieder in die Offensive kommen,
       da sind sich die Befragten ziemlich einig: „Bislang ist Thüringen weit
       entfernt davon, sich eigenständig mit Strom zu versorgen“, sagt Ramona
       Rothe. „Wir müssen es schaffen, dass die Kommunen zum Beispiel ihre
       Kindergärten mit eigenem Strom aus Windkraft versorgen können, egal, was
       passiert“. Nötig sei ein „Maximum an Bürgerbeteiligung“, betont Falk
       Zeuner, „die Erträge müssen vor Ort bleiben“. Im besten Fall könnte eine
       Gemeinde pro Windrad um die 40.000 bis 80.000 Euro im Jahr einnehmen, „das
       rechnet sich“.
       
       8 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [3] https://reiner-lemoine-institut.de/
 (DIR) [4] https://www.energate-messenger.de/news/246952/es-waren-keine-energiewende-wahlen
 (DIR) [5] /Gruenen-Niederlage-im-Osten/!6033626
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