# taz.de -- Doku über Rapper Lil Nas X: Striptease für Satan
       
       > Die Doku „Long Live Montero“ begleitet den queeren Rapper Lil Nas X auf
       > seiner ersten Tour. US-Christen sehen in ihm einen Freund des Teufels.
       
 (IMG) Bild: Montero Lamar Hill alias Lil Nas X bei einem seiner Konzerte im Oktober 2022 in Miami
       
       Montero Lamar Hill ist 25 Jahre alt und sieht sogar noch jünger aus, als er
       zwischen weißen Bettlaken in die Kamera lächelt und versucht, seine
       Karriere in Worte zu fassen. Unter dem Künstlernamen Lil Nas X
       veröffentlichte er vor sechs Jahren sein völlig überraschendes
       [1][Country-Cross-over]-Debüt „Old Town Road“.
       
       Den Verdacht, nur ein One-Hit-Wonder zu sein, konnte er mit weiteren
       Welterfolgen wie „Montero (Call Me by Your Name)“ und „That’s What I Want“
       entgegenwirken. Er ist gekommen, um zu bleiben: „I told you long ago, I got
       what they’re waiting for“, singt er im Refrain von „Industry Baby“ und hat
       damit recht behalten. Die Dokumentation „Long Live Montero“ lässt nun
       erahnen, wie sehnsüchtig er [2][als Schwarzer queerer Künstler] wirklich
       erwartet wurde.
       
       Am Anfang seiner Karriere habe er ein Sänger sein wollen, der sich [3][zwar
       zu seiner Homosexualität bekenne], sie aber niemandem „aufdränge“. Nicht
       provozieren, nicht kokettieren, sondern „ansonsten perfekt sein, um diesen
       einen Fehler auszugleichen“. Der Cowboy aus „Old Town Road“ eben – lustig,
       einfach mitzusingen, ein Partyhit für die breite Masse.
       
       ## Flucht nach vorne
       
       Welch großes Glück, dass es dabei nicht geblieben ist. Mit seinen
       expliziten Lines in „Montero (Call Me by Your Name)“ über queeren Sex und
       seinem Musikvideo, in dem er vor dem Teufel strippt, löste er eine
       regelrechte Hysterie des christlich-republikanischen Spektrums aus, das ihn
       als satanisches Gift für Amerikas Kinder bezeichnete. Er entblößte damit
       einmal mehr zutiefst homophobe Denkstrukturen, eingekleidet in den Mantel
       des Religiösen.
       
       Montero entschied sich für die selbstironische Flucht nach vorn: In einem
       Aneignungsprozess der Zuschreibung des Satanischen veröffentlichte er eine
       längere Version des Songs namens „Satan’s Extended Version“, um wenig
       später im Video von „Industry Baby“ nackt im Männergefängnis zu tanzen.
       Spätestens seitdem befindet er sich im offenen Kampf gegen die, die seine
       Musik für gefährliches Teufelswerk halten – stellvertretend für die, denen
       er endlich eine Stimme und Sichtbarkeit geben konnte.
       
       Er stehe auf den Schultern anderer Schwarzer queerer KünstlerInnen, die oft
       vergessen worden seien, erzählt Montero in der Dokumentation: „Schwarzen
       Künstlern passiert das häufig, queeren Schwarzen Künstlern ganz besonders.“
       Auch in seinem familiären Umfeld erlebe er Unverständnis für seine sexuelle
       Orientierung. Die Tourerfahrung beschreibt er als ersten Safe Space seines
       Lebens: Unter den Tänzern könne er zum ersten Mal bedingungslos er selbst
       sein.
       
       ## Kollektiver Safe Space
       
       Szenen der Konzerte aus „Long Live Montero“ zeigen, wie seine Auftritte
       ebenso sehr einen kollektiven Safe Space für das gesamte Publikum
       erschaffen: einen Raum, in dem niemand nur geduldet, sondern im Gegenteil
       in seiner ganzen Queerness zelebriert wird. So werden die Eingangsworte des
       „Montero“-Musikvideos zum Motto seiner Tour, zur Einladung an die
       Anwesenden, alles sein zu dürfen: „In life we hide the parts of ourselves
       we don’t want the world to see. We lock them away. But here we don’t:
       Welcome to Montero“.
       
       Montero, der in der Vergangenheit in Interviews äußerte, er habe als
       Jugendlicher verzweifelt versucht, seine Homosexualität wegzubeten, kann
       anders in die Zukunft blicken: „Mein neues Album soll Eskapismus sein. Aber
       nicht die Art, in die man sich flüchtet, wenn man sterben will. Sondern die
       Art, durch die man noch mehr zum Leben steht.“ In seinem kürzlich
       veröffentlichten Musikvideo zu „J Christ“ inszeniert sich der Sänger als
       Jesus und endet mit der Bibelstelle 2. Korinther 5,17: „Ist jemand in
       Christus, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte ist vergangen, siehe, Neues
       ist geworden.“ Ein Ende seiner religiösen Provokationen ist also nicht in
       Sicht. Gott sei Dank.
       
       13 Jun 2024
       
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