# taz.de -- Umstrittener Lokalsender tv.berlin: Erotikclips und rechte Stimmen
       
       > Beim Lokalsender tv.berlin bekommen Rechte genauso eine Plattform wie
       > aserbaidschanische Abgeordnete. Was steckt dahinter?
       
 (IMG) Bild: Hans-Georg Maaßen beim tv.berlin-Spezial zum Thema Flüchtlingsgipfel im Jahr 2023
       
       Krude ist für dieses Programm noch zu milde ausgedrückt. Der private
       Ballungsraumsender tv.berlin ist eine Institution in der Hauptstadt mit
       mehr als 30-jähriger Geschichte. Nach eigener Darstellung ist das Konzept
       des Senders, „Infotainment“, also eine Mischung aus Information und
       Unterhaltung, zu liefern. Konkret sieht die Mixtur so aus: Teleshopping,
       von Haushaltsgeräten bis Wärmedecken, ein nächtlicher Erotikfilm oder
       Sendungen wie „Fun & Drive“. Partner aus der Schweiz ist der
       naturheilkundliche Spartensender QS24.tv, der esoterische Inhalte im
       Berliner Programm beisteuert.
       
       Auffällig oft werden seit Jahren außerdem Inhalte aus dem
       antidemokratischen Milieu verbreitet. So waren der inzwischen vom
       Verfassungsschutz beobachtete Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen,
       der [1][Buchautor Thilo Sarrazin], die Dresdner [2][Buchhändlerin Susanne
       Dagen], eine wichtige Figur für die Neue Rechte, und der Chef des rechten
       österreichischen [3][TV-Senders Auf 1], Stefan Magnet, zu Gast. Die
       Berliner Immobilienmaklerin Silke Schröder, die beim von Correctiv
       enthüllten Treffen in Potsdam dabei war, hatte bis vor einigen Wochen ein
       eigenes Talkformat.
       
       So wie Maaßen von einer Brandmauer nach rechts nichts wissen will, so kennt
       auch tv.berlin keine. Mehrfach wurde er vom früheren Berliner Innensenator
       Frank Henkel (CDU) für tv.berlin interviewt. Maaßen durfte dabei
       unwidersprochen erklären, dass seine neue Partei Werte-Union weder
       reaktionär noch ultrakonservativ sei.
       
       ## Auffällige Aserbaidschan-Berichterstattung
       
       Im Januar dieses Jahres wurde Maaßen von Henkel gefragt, ob er auch in die
       Talkshows im deutschen Fernsehen eingeladen werde. Der antwortete: „Nein,
       die Staatsmedien haben mir bisher noch keine Gelegenheit gegeben.“ Im April
       holte dann der langjährige tv.berlin-Moderator Peter Brinkmann den früheren
       Geheimdienstler schon wieder ins Programm. Brinkmann beendete das Gespräch
       mit den Worten: „Alles Gute für die Werte-Union!“
       
       Brinkmann ist so etwas wie die graue Eminenz des Senders. Der heute
       79-Jährige war auch schon dabei, als 2013 eine türkeistämmige Familie
       tv.berlin übernahm. 2015 machte der Sender dann Schlagzeilen, weil er sich
       im Programm „beispiellos ausführlich“ Aserbaidschan widmete, [4][wie der
       Medienjournalist Stefan Niggemeier berichtete]: „Die Homepage von tv.berlin
       sieht schon seit Wochen aus, als stünde die Umbenennung in TV.Baku
       unmittelbar bevor.“ Politisch sind Baku und Ankara eng verbandelt. Und
       hatten eine neue Achse nach Berlin gefunden.
       
       Im Zusammenhang mit dem Aserbaidschan-Skandal schrieb Vice über den Sender:
       „Kein großer Name im Land, in der Hauptstadt aber umtriebig, bekannt und
       gut vernetzt.“ Interviews mit aserbaidschanischen Funktionär:innen gibt
       es bei tv.berlin bis heute. Zuletzt wurde der Parlamentsabgeordnete Azay
       Guliyev in einem auf Englisch geführten Interview zum Bergkarabach-Konflikt
       befragt.
       
       Vor allem aber pflegt der Berliner Sender das von AfD & Co verbreitete
       Narrativ, das in vielen etablierten Medien nicht mehr alles gesagt werden
       dürfe. So war es auch, [5][als der rechtspopulistische Publizist Roland
       Tichy] im Februar mit Diether Dehm, Ex-Bundestagsabgeordneter der Linken
       und Enfant terrible seiner Partei, ein neues Talkformat bei tv.berlin
       startete: „Streit-Bar“. Die Sendung mit „Gästen aus allen politischen
       Lagern“ solle ein „Zeichen gegen die Cancel Culture setzen“, hieß es in der
       Ankündigung.
       
       ## Viele rechte Gäste in Talkformaten
       
       In Tichys Blog wurde Dursun Yigit, der Programmverantwortliche von
       tv.berlin, zitiert: „In den meisten Talkformaten kommen große Teile des
       politischen Spektrums nicht zu Wort oder aber einzelne Gäste werden
       regelrecht an den Pranger gestellt.“ Zu den Gästen der Gesprächsrunden mit
       Tichy und Dehm gehörten Ulrich Vosgerau, einer der Teilnehmer des Treffens
       mit Rechtsextremisten im November 2023 in Potsdam, der rechte
       Polizeigewerkschafter Rainer Wendt und der Chefredakteur der
       verschwörungsideologischen NachDenkSeiten, Jens Berger.
       
       Langjähriger Stammgast in der tv.berlin-Sendung „Andruck“ ist Frank Wahlig,
       früher Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio. Nachdem ihn das 2022
       gestartete rechte Internetradio Kontrafunk als Redakteur eingestellt hatte,
       wurde er weiterhin eingeladen. Als Kontrafunk im Juni 2022 an den Start
       ging, lobte der thüringische AfD-Chef Björn Höcke das Projekt auf Facebook
       als „hochwertige Alternative zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk“. Gründer
       des Internetradios ist Burkhard Müller-Ullrich. Er veröffentlichte 2023 in
       der Schriftenreihe „Exil“, herausgegeben von Susanne Dagen, das Buch
       „Medienmärchen“. Dort schreibt er über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk:
       „Das ganze Rundfunkbiotop ist gekippt. Versifft, verseucht, unsanierbar.“
       
       Und ein Regionalsender wie tv.berlin macht sich das ebenfalls zur Agenda?
       Im Januar 2024 kam es in der Sendung „Andruck“ zu einer Kontroverse
       zwischen Wahlig und dem Hauptstadtkorrespondenten der Stuttgarter Zeitung,
       Norbert Wallet. Wallet sagte, Kontrafunk wolle das Gedankengut der AfD
       stückweise in den öffentlichen Dialog einspeisen. Kontrafunk würde dabei
       „helfende Hände reichen“. Wahlig gab zu, in dem Sender kämen, anders als in
       den „breiten Medien“, „tatsächlich zu bestimmten Themen Abgeordnete der AfD
       vor, weil, wo sollen die sonst vorkommen?“ Moderator Brinkmann
       beschwichtigte: „Wir sind pluralistisch. Deswegen laden wir alle ein.“
       
       Nach diesem Disput wurde Wahlig nicht mehr zu tv.berlin eingeladen. Gibt es
       also im Sender doch eine Art Selbstkontrolle? Der Sender äußert sich nicht
       zu dem Vorgang. Auch andere Fragen lässt tv.berlin unbeantwortet – etwa die
       zu Mediadaten oder zur in der Branche geäußerten Vermutung, dass für
       einzelne Sendeplätze von Interviewer:innen oder Interviewten bezahlt
       wird.
       
       Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg erklärt auf Anfrage der taz,
       Programmbeschwerden gegen tv.berlin wegen rechter Inhalte seien bisher
       nicht eingegangen. Eine Sprecherin sagt: „Derzeit enthält tv.berlin
       ausreichend lokal-regionale Inhalte für die Rundfunkzulassung als
       lokal-regionales Programm.“
       
       28 May 2024
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Meisner
       
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