# taz.de -- AfD-Prozess in Münster: Schlussplädoyers im Mammutprozess
       
       > Seit Wochen wird in Münster verhandelt, ob die AfD zu Recht als
       > „rechtsextremer Verdachtsfall“ eingestuft ist. Am Montag will das Gericht
       > entscheiden.
       
 (IMG) Bild: Blick auf die Richterbank nach dem Einzug des Gerichts am 7. Mai 2024
       
       Münster taz | Kurz vorm Ende der mündlichen Verhandlung nimmt der
       Schlagabtausch zwischen den AfD-Anwälten und dem Prozessvertreter des
       Verfassungsschutzes noch einmal an Fahrt auf. Zu diesem Zeitpunkt streiten
       die beiden Parteien [1][im Mammutprozess von Münster] um die Einstufung der
       AfD als rechtsextremen Verdachtsfall noch über die 471 abgelehnten
       Beweisanträge der AfD. Die AfD hatte vergeblich beantragt, dass
       Parteiprogramm im Saal des Oberverwaltungsgerichts zu verlesen oder 140
       Stunden Videomaterial von AfD-Parteitagen anzuschauen.
       
       Der AfD-Anwalt Christian Conrad sagte hierzu am Dienstag, dem mittlerweile
       7. Verhandlungstag, man müsse doch prüfen, inwieweit einzelne Mitglieder,
       die „Blech“ redeten, sich programmatisch durchsetzen können. „Es mag
       problematische Einzeläußerungen geben. Aber diese können sich nicht
       durchsetzen, sie haben keine Relevanz für die Gesamtpartei“, behauptete er.
       
       Der Anwalt des Bundesamts für Verfassungsschutz, Wolfgang Roth, erwiderte:
       „Ich muss erst mal der Verharmlosung entgegentreten: Es geht nicht darum,
       ob jemand ‚Blech‘ geredet hat – wir reden hier von Äußerungen, die die
       Menschenwürde verletzen.“ Die Verharmlosung als „Blech“ zeige bereits, dass
       die AfD das Problem nicht eingestehe, so Roth. „Die Gefahr besteht nicht
       erst, wenn im Programm steht: ‚Wir wollen die Demokratie abschaffen‘,
       sondern schon, wenn kontinuierlich gegen die Demokratie gehetzt wird.“ Die
       AfD-Seite reagierte mit Gelächter und Kopfschütteln.
       
       Das brachte dann selbst den sonst gelassen wirkenden Roth in Wallung:
       „Lachen Sie nicht!“, sagte er. „Das ist nicht witzig. Der Sturm auf den
       Reichstag ist passiert aufgrund einer politischen Grundstimmung, zu der die
       Klägerin beigetragen hat.“ Diese Stimmung wachse auf dem Boden von
       Verunglimpfung und Verächtlichmachung von Politiker*innen und
       Parteien. Und auch rassistische, muslimfeindliche oder antidemokratische
       Äußerungen entfalteten ihre Wirkung dadurch, dass sie geäußert würden – und
       zwar nicht von einzelnen, einfachen Parteimitgliedern, sondern von
       „hochrangigen Mandatsträgern“, so Roth. „Das schürt Angst, Ablehnung und
       Feindschaft.“
       
       Und wohl nicht wenige im Saal dachten in der danach kurz eingetretenen
       Stille unwillkürlich an den wenige Tage zuvor [2][zusammengeschlagenen
       SPD-Politiker Matthias Ecke], der von mutmaßlichen Rechtsextremisten beim
       Aufhängen von Wahlplakaten krankenhausreif geprügelt wurde.
       
       ## Und plötzlich ist Razzia bei Krah
       
       Danach versuchte die AfD noch mit einem weiteren gescheiterten Beweisantrag
       den ehemaligen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen als Zeugen für eine
       behauptete politische Einflussnahme als Zeugen zu berufen. Pikant dabei:
       [3][Maaßen soll beim Geheimdienst stets seine schützende Hand über die AfD
       gehalten haben] – selbst noch, als die Partei schon weitgehend
       radikalisiert war.
       
       Mittlerweile steht Maaßen aufgrund seiner rechten Schlagseite [4][selbst
       unter Beobachtung des Verfassungsschutzes]. Für die AfD will er mit seiner
       zerstrittenen Splitterpartei „Werteunion“ Steigbügelhalter werden.
       Bemerkenswert: Maaßen arbeitete zeitweise selbst für die AfD-Anwälte der
       Kanzlei Höcker & Partner. Doch das Gericht verwarf diesen Beweisantrag wie
       auch die 470 Anträge davor als „unsubstantiiert“ – woraufhin die AfD eine
       „unzureichende Sachaufklärung“ rügte.
       
       Nicht weniger brisant war auch die fast [5][zeitgleich im Gerichtssaal
       ankommende Meldung], dass es am Morgen eine Razzia im Brüsseler Büro des
       AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah im Zuge seiner Spionage-Affäre
       gegeben hat. Am Dienstagmorgen durchsuchten Polizeibeamte im Auftrag der
       Bundesanwaltschaft seine Büroräume im Europaparlament in Brüssel. Die
       Behörde versucht damit Beweise zu sichern, nachdem Krahs Mitarbeiter Jian
       G. im April unter Verdacht auf Spionage für China festgenommen wurde. Krah
       selbst genießt parlamentarische Immunität. Er gelte weiterhin als Zeuge,
       erklärte die Bundesanwaltschaft.
       
       Krah erklärte zur Durchsuchung, es sei „absolut zu erwarten“ gewesen, dass
       das Büro von Jian G. durchsucht würde. „Erstaunt bin ich allein, dass sich
       die Behörden so lange Zeit ließen. Ich selbst sowie meine anderen
       Mitarbeiter sind nicht betroffen.“ Jian G. soll Oppositionelle bespitzelt
       haben und vertrauliche Dokumente aus dem Handelsausschuss des Parlaments
       abgerufen haben.
       
       Krah selbst hatte seinen Mitarbeiter im Prozess als Beweis trotz
       zahlreicher rassistischer Äußerungen absurderweise dafür angeführt, dass er
       kein Rassist sein könne. Mittlerweile laufen zwei staatsanwaltschaftliche
       Vorermittlungsverfahren gegen Krah auch wegen angeblicher Zahlungen aus
       pro-russischen sowie pro-chinesischen Quellen. Doch das kam im Prozess
       nicht mehr zur Sprache. Auch der anwesende Bundesvorstand Roman Reusch
       wollte sich dazu nicht äußern.
       
       Dafür bog der Prozess am Dienstag nach vielen zähen Verhandlungstagen,
       geprägt auch von einer zermürbenden Verschleppungstaktik der AfD, endlich
       auf die Zielgerade ein. Gegen Mittag hielten beide Seiten schließlich ihre
       Schlussplädoyers, die eher kurz ausfielen. AfD-Anwalt Conrad führte noch
       einmal aus, dass der Verfassungsschutz aus ihrer Sicht politisch
       instrumentalisiert sei und die Partei keine verfassungsfeindliche Ziele
       verfolge. „Die Klägerin will die Menschenwürde nicht verletzen von Menschen
       mit Migrationshintergrund oder Staatsbürger in verschiedene Klassen
       einteilen“, erklärte Conrad.
       
       AfD-Bundesvorstand Reusch spielte trittsicher die Opferkarte, ganz so als
       sei die Partei nicht selbst für die zahlreichen Äußerungen ihrer
       Vertreter*innen verantwortlich. „Wie lange soll die Beobachtung
       eigentlich noch gehen?“, fragte Reusch mit Unschuldsmiene. „Die Äußerungen
       von 750 Personen sollen bei einer Partei mit über 40.000 Mitgliedern dazu
       geeignet sein, einen ehrenrührigen Verdacht zu unterstellen?“ Und
       überhaupt: Der Verfassungsschutz müsse nicht vor der AfD warnen, das tue ja
       bereits die offenbar noch schlimmere Presse. „Was der Verfassungsschutz
       tut, ist nicht vergleichbar mit dem Trommelfeuer der nach Belastung
       eifernden Presse.“
       
       ## AfD ist pessimistisch
       
       Der Verfassungsschutz-Anwalt Roth gab in seinem Schlussplädoyer eine kurze
       Antwort auf Reuschs Frage, wie lange die AfD noch beobachten werden solle:
       Solange die Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die
       freiheitlich-demokratische Grundordnung bestünden. Bei der Klägerin lägen
       nun mal diese Anhaltspunkte vor, deswegen müsse der Verfassungsschutz laut
       Gesetz beobachten und die Öffentlichkeit informieren. Roth verzichtete auf
       Wiederholungen aus dem Giftschrank von Zitaten vom „schleichenden Genozid
       am deutschen Volk“ über „Messermänner und Kopftuchmädchen“ bis zur
       Forderung der Abschaffung des Parteienstaats. Er sagte, dass er die Sicht
       des Verfassungsschutzes hinreichend in Schriftsätzen und der mündlichen
       Verhandlung dargelegt habe.
       
       Der Vorsitzende Richter Buck schloss die mündliche Verhandlung um 12:46 Uhr
       und legte den Termin für die Urteilsverkündung auf den kommenden Montag,
       den 13. Mai 2024, fest. Die AfD ist wenig optimistisch: Bereits am Montag
       hatte Bundesvorstand Reusch gesagt, dass er nicht erwarte vor dem
       Oberverwaltungsgericht noch „irgendeinen Blumentopf“ zu gewinnen.
       
       7 May 2024
       
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